Carmine Di Noia, Vorstandsmitglied Consob

Consob-Vorstand will Rolle der ESMA stärken

Das Consob-Vorstandsmitglied Carmine Di Noia hält eine rasche Realisierung der europäischen Kapitalmarktunion für dringend erforderlich. In diesem Fall müsse die Rolle der Wertpapieraufsicht ESMA gestärkt werden. Di Noias Wort hat Gewicht: Er hat gute Chancen, neuer ESMA-Chairman zu werden.

Consob-Vorstand will Rolle der ESMA stärken

bl Mailand

Von Gerhard Bläske, Mailand

Angesichts von Brexit und Corona-Pandemie hält Carmine Di Noia, Kommissar der italienischen Börsenaufsicht Consob und Vorsitzender des Ausschusses für Marktanalyse der europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, die Realisierung der europäischen Kapitalmarktunion für dringender denn je. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung drängt er im Zusammenhang damit auf eine „Ausweitung der Rolle der ESMA als Supervisor, die heute auf Ratingagenturen und Trade Repositories (TRs) be­grenzt wird“.

Di Noia hofft, dass es „einen politischen Konsens auf europäischer Ebene gibt“. In diesem Fall „sollte sich die ESMA auf eine direkte Kontrolle von Einheiten relevanter Größe vorbereiten, seien es Marktinfrastrukturen, Emittenten, Vermittler oder Wirtschaftsprüfer“. An die ESMA könnte auch die Aufsicht über Akteure vergeben werden, die ein systemisches Risiko darstellen oder die grenzüberschreitend tätig sind in der EU. „Organisatorisch würde es sich, ähnlich wie beim SSM für den Bankensektor, um eine quasiföderale Koordination handeln, die auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und der ESMA beruht.“ Die Übertragung weiterer Verantwortlichkeiten an die ESMA stößt in Deutschland auf scharfe Kritik.

Laut Di Noia ist die Realisierung der Kapitalmarktunion zentral, um „diversifizierte Finanzierungsinstrumente vor allem für mittelständische Unternehmen zu finden, die sich derzeit hauptsächlich über Bankenkredite finanzieren. Das ist auch für eine nachhaltige Entwicklung und eine digitale Führung essenziell“.

Di Noia wünscht sich „einen Anstoß von höchster Ebene, von der EU-Kommission, dem Europäischen Parlament, aber auch von den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und den nationalen Aufsichtsbehörden in Richtung Realisierung der Kapitalmarktunion“. Bisherige Initiativen sind häufig im Sand verlaufen bzw. nicht richtig vorangekommen. Die Kapitalmarktunion würde nach Auffassung Di Noias gerade kleineren Unternehmen besseren Zugang zu den Kapitalmärkten und damit zu finanzielle Ressourcen für den Wiederaufbau erlauben.

Über einen „single point of acces“, einen einzigen (digitalen) Ort, könnten Unternehmen und Investoren in einer Kapitalmarktunion leichteren Zugang zu grenzüberschreitenden Kapitalmärkten erhalten. „Mit Transparenz und Zugang zu finanziellen und nichtfinanziellen Informationen, mit vergleichbaren und standardisierten Informationen kann man einen direkten und indirekten Zugang für Investoren, Staatsbürgern und Unternehmen zu den Finanzmärkten sicherstellen.“ Dabei müsse man Schritt für Schritt in Richtung immer stärker integrierter Finanzmärkte vorgehen. Dazu sei es notwendig, die Regelungen zum Insolvenzrecht und der Quellensteuer und die Definition der Shareholder zu harmonisieren. Di Noia gilt als sehr aussichtsreicher Kandidat für die demnächst anstehende Entscheidung über die Nachfolge des Niederländers Steven Maijors als ESMA-Chairman. Seine Hauptrivalin ist die deutsche ESMA-Exekutivdirektorin und Stellvertreterin Maijoors, Verena Ross.

Di Noia äußerte sich erleichtert darüber, dass die ESMA 2020 strengere Transparenzregeln im Hinblick auf das Short Selling verabschiedet hat. Damit sowie durch die Aussetzung von Notierungen bei zu starken Kursbewegungen könnten die Volatilität auf effiziente Weise begrenzt und extreme Entwicklungen wie bei Gamestop verhindert werden. „Aber auch wir beobachten und analysieren diese Operationen, die für Regulatoren große Herausforderungen sind, mit großer Aufmerksamkeit“, fügt er hinzu. Im Fall Gamestop gebe es „viele Schatten“, und es sei „eine Blase“ erzeugt worden.