BaFin

Der große Wurf

Die Berufung von Finma-Chef Mark Branson auf den Chefsessel der BaFin wirkt wie der große Wurf. Die Risiken der Personalie liegen auf der Hand.

Der große Wurf

Von der Figur, die das Bundesfinanzministerium im Wirecard-Skandal abgibt, mag man halten, was man will. Eines steht fest: Mit der Berufung von Mark Branson, Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma, auf den Chefsessel der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) lässt Minister Olaf Scholz seinen Worten von „mehr Biss für die Finanzaufsicht“ und vom „personellen Neuanfang“ an deren Spitze Taten folgen. Zugleich nimmt er sich damit im beginnenden Bundestagswahlkampf aus der Schusslinie. Gerade ge­messen an den im Vorfeld herumgereichten Namen an­geblicher Aspiranten, etwa der Lei­te­rin der Finanzmarktabteilung im Bundesfinanzministerium, Eva Wimmer, und des Finanzchefs der Deutschen Bahn, Levin Holle, oder selbst Verena Ross, Exekutivdirektorin der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, kommt die am Montag publik ge­machte Personalie wie der große Wurf daher. Vor allem ist gelungen, was noch vor Tagen recht unwahrscheinlich schien: eine Person zu finden, die von außen kommt, aber mit der Materie bestens vertraut ist, die gerne aus dem Ausland kommen darf, dann aber bitte Deutsch sprechen soll. Die nötige Kragenweite hat Branson allemal: Zwar vereinen die Banken in der Schweiz mit Assets von über 3 Bill. sfr nur rund ein Drittel des Volumens der Kreditinstitute der Bundesrepublik auf sich. Zugleich bringen sie mit ihrer aggregierten Bilanzsumme allerdings das knapp Fünffache des Bruttoinlandsprodukts ihres Landes auf die Waage und haben damit größere systemische Relevanz als die auf das knapp Dreifache kommenden deutschen Häuser.

Selbst wenn Branson einen britischen Akzent mitbringt – dass er Ansagen auf gut Deutsch machen kann, ohne sich dabei, wie Vorgänger Patrick Raaflaub, auch einmal im Ton zu vergreifen, hat der Mathematiker zur Genüge bewiesen, ob es nun um Geldwäscheprävention oder nur darum ging, etablierten Banken angesichts des Aufstiegs von Fintechs zu verweigern, von ihm unter Naturschutz gestellt zu werden. Mehr noch: Am Finanzplatz Zürich wird dem Aufseher mit britischem und schweizerischem Pass jenes Bauchgefühl bescheinigt, das der BaFin im Fall Wirecard fehlte und dieser eine beispiellose Blamage wohl erspart hätte.

Mit der BaFin wird Branson Mitte des Jahres die Verantwortung in einer Behörde übernehmen, die wie einst die Finma aus der Zusammenlegung der Aufsichtsbehörden unter anderem für Banken sowie für Versicherer hervorging und welcher es zudem, im Gegensatz zur US-Wertpapieraufsicht, nicht möglich ist, Bußen in spektakulärem Umfang zu verhängen, deren Konsistenz sich bei näherem Hinsehen oft als nur halb so atemberaubend entpuppt. In Berlin darf man also darauf setzen, einen Präsidenten zu holen, der weiß, wie man Finanzdienstleister anderweitig an die Kandare nimmt.

Was in der Außenwirkung eigentlich wie die perfekte Lösung wirkt, birgt dennoch Risiken. Außer Zweifel steht, dass sich Branson mit der BaFin-Präsidentschaft einiges zutraut: Bald hat der von ihm in Bonn geführte Apparat nicht mehr 536 Beschäftigte wie in Bern, sondern gut 2700 Leute. Das Fahrwasser am Rhein dürfte etwas unruhiger sein als an der Aare. Nach den vielfach schlicht peinlichen Enthüllungen im Zuge des Wirecard-Skandals hat nicht zuletzt Scholz selbst eine Art Jetzt-geht’s-los-Erwartungshaltung geschürt, die alles andere als ein rascher Umbau der BaFin nur enttäuschen kann. Auf der anderen Seite tritt Branson in einer Bundesanstalt an, deren Belegschaft zu drei Vierteln verbeamtet ist; da kann jede Versetzung eines Beamten eine Klage nach sich ziehen. Womöglich stellt der Ex-Manager von UBS und Credit Suisse bald fest, dass die BaFin schon vor Jahren die Chance verpasste, mit außertariflicher Bezahlung genügend Fachleute aus verschiedenen Disziplinen an sich zu binden, um mit den Veränderungen in der Branche Schritt zu halten.

Vor allem muss sich Branson mit anderen Machtverhältnissen anfreunden. Die Schweiz hatte die Finma 2009 mit einer Unabhängigkeit ausgestattet, die laut Selbstdarstellung verhindert, „dass Parlament oder Regierung der Finma Weisungen zu ihrer Aufsichtstätigkeit erteilen“. Die BaFin dagegen steht unter der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesfinanzministeriums, und was die Aufsicht über große Banken angeht, spielt sie die zweite Geige hinter der Europäischen Zentralbank. Branson hat man analytisch große Fähigkeiten ebenso attestiert wie Umsicht und Durchsetzungsvermögen. Er wird all dies brauchen können.