Beiersdorf

Der Konsumgüter­konzern strapaziert die Geduld

Die Anfang März anstehende Überprüfung der Indizes der Dax-Familie könnte zur Folge haben, dass Beiersdorf aus dem Blue-Chip-Index ausscheidet. Der Kursrutsch der Aktie des Hamburger Konsumgüterkonzerns seit Veröffentlichung der...

Der Konsumgüter­konzern strapaziert die Geduld

Von Carsten Steevens, Hamburg

Die Anfang März anstehende Überprüfung der Indizes der Dax-Familie könnte zur Folge haben, dass Beiersdorf aus dem Blue-Chip-Index ausscheidet. Der Kursrutsch der Aktie des Hamburger Konsumgüterkonzerns seit Veröffentlichung der Geschäftsjahresbilanz 2020 am 17. Februar auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Coronakrise im März vergangenen Jahres hat die Wahrscheinlichkeit für ein (vorläufiges) Ende der Mitgliedschaft im Dax erhöht. Im September, wenn die Deutsche Börse im Zuge der beschlossenen Indexregelveränderungen den Leitindex von 30 auf 40 Titel erweitert, könnte Beiersdorf wieder in den Dax zurückkehren. Sicher ist das aber nicht.

Für große Begeisterung hat die Beiersdorf-Aktie seit der Aufnahme in den Dax im Dezember 2008 bei Anlegern nicht gesorgt. Zwar verdreifachte sich der Kurs binnen einer Dekade bis zum Allzeithoch im Sommer 2019 annähernd auf 116 Euro. Doch hat sich an der Dividende von 0,70 Euro je Aktie seit 2009 nichts geändert, obwohl der Gewinn je Aktie von 1,65 Euro bis auf ein Niveau von knapp 3,20 Euro im Jahr 2019 zulegte und sich die Nettoliquidität ebenfalls kontinuierlich verbesserte – bis auf 4,7 Mrd. Euro Ende vorigen Jahres. Eine Dividendenrendite von unter 1% war der Familie Herz, die mit rund 51% den größten Teil der ausstehenden Aktien hält, offenbar nicht zu gering.

Ließen sich die vergleichsweise guten Ergebnisse des ersten Halbjahres 2019 als Bestätigung einer erfolgreichen neuen Geschäftsausrichtung werten, so konnten die Bemühungen von Beiersdorf zur weiteren Umsetzung der vor zwei Jahren vorgestellten Unternehmensstrategie „Care+“ die Folgen der Covid-19-Pandemie auf die Umsatz- und Ergebnisentwicklung im vergangenen Jahr kaum konterkarieren. Eine Folge neben dem Rückgang der Erlöse um 8,2 (organisch, das heißt ohne Wechselkurs- und Portfolioeffekte: 5,7)% auf 7,03 Mrd. Euro sowie des um Sondereffekte bereinigten operativen Gewinns (Ebit) um 17,3% auf 906 Mill. Euro: Mit einem Minus von 11,4% gehörte Beiersdorf 2020 zu den fünf größten Verlierern im Dax (der um 3,6% zulegte).

Corona durchkreuzt Pläne

Dass es seit der Bilanzvorlage vor gut einer Woche für die Aktie bergab ging, ist auf Prognosen zurückzuführen, die als vage und enttäuschend aufgefasst wurden. Das vor zwei Jahren mit der Präsentation von „Care+“ gesetzte Mittelfristziel einer bereinigten Ebit-Marge im Consumer-Segment von 16 bis 17 (i.V. 12,3)% im Jahr 2023 etwa kassierte Beiersdorf ein, ohne neue konkrete Vorgaben zu nennen. Das ursprüngliche Ziel sei zu einer Zeit gesetzt worden, „wo wir von Covid nichts gehört haben“, so die neue Finanzchefin Astrid Hermann.

Basierend auf zusätzlichen Investitionen von 300 Mill. Euro über die kommenden fünf Jahre, die in Nachhaltigkeitsprojekte, eine be­schleunigte Digitalisierung sowie die Erschließung von Wachstumsmärkten (vor allem China, USA und Schwellenländer) fließen sollen, erwartet Beiersdorf in diesem Jahr im Konzern und im Kernsegment Consumer operative Renditen auf dem Niveau von 2020 bei positivem Umsatzwachstum. Dabei wollen die Hamburger unabhängig von der Entwicklung des Hautpflegemarkts wie 2020 Marktanteile gewinnen. Für die Klebstoff-Tochter Tesa wird 2021 ebenfalls mit einer Erlössteigerung gerechnet, aber wegen signifikanter Investitionen auch mit einer bereinigten Ebit-Marge unterhalb des Vorjahresniveaus.

Die Ankündigungen des Konzerns, der den Anteil des 2020 um 50% gewachsenen Onlinegeschäfts am Gesamtumsatz bis 2025 von einem hohen einstelligen auf einen „signifikant“ zweistelligen Prozentsatz steigern und zudem die personalisierte Hautpflege vorantreiben will, haben Analysten zu einer Reihe von Kurszielanpassungen veranlasst. Berenberg, die Beiersdorf nun mit 86 (zuvor 90) Euro fair bewertet sieht und zum Halten rät, hält die neuen zusätzlichen Investitionen mit Blick auf künftiges Wachstum zwar für wesentlich, zeigt sich zugleich jedoch nicht überzeugt, dass die aktuellen Konzernmarken das Wachstum in den kommenden fünf Jahren deutlich steigern werden. Die Bank verweist darauf, dass Beiersdorf über „Firepower“ für Zukäufe verfüge, die das Wachstum beschleunigen könnten. Das Analysehaus Warburg Research, das das Kursziel auf 90 (94) Euro zurücknahm und ebenfalls eine weiterhin neutrale Position einnimmt, hebt die geringe Visibilität für Marktanteilsgewinne im Consumer-Segment hervor und sieht es als unwahrscheinlich an, dass die Steigerung der Investitionen schnell zu höheren Margen führen wird.

Mit der Begründung enttäuschender Prognosen stuft Bernstein Research Beiersdorf nun mit „Market-Perform“ anstatt „Outperform“ bei einem auf 90 (120) Euro gesenkten Kursziel ein. Die Nord/LB, die die Aktie unverändert mit 79 Euro als fair bewertet ansieht, hat mit Verweis auf den Ausblick für 2021, „der auf der ganzen Linie enttäuscht hat“, ihre Verkaufsempfehlung in eine neutrale Haltung geändert. Ebenso Goldman Sachs, die das Kursziel mit 83 (84) Euro angibt: Die Abwärtsrisiken für die Beiersdorf-Aktie seien mittlerweile begrenzt, so die US-Bank, die ihre Gewinnprognosen für den Konsumgüterkonzern in den Jahren 2021 bis 2023 jedoch reduziert hat.

Für das Analysehaus Jefferies, das bei einem auf 91 (94) Euro reduzierten Kursziel unverändert zum Halten des Papiers rät, hat die Rücknahme der Mittelfristziele Vertrauen beschädigt. Den Sorgen der Minderheitsaktionäre schenke Beiersdorf kaum Gehör. Bei Beiersdorf mit „Übergewichten“ unverändert positiv gestimmt zeigt sich indes Barclays. Die Margenprognose sei enttäuschend, so die britische Bank, die das Kursziel auf 104 (110) Euro gekürzt hat. Die Entwicklung der Marktanteile sei aber erbaulich, weshalb Barclays einen attraktiven Einstiegspunkt für die Aktie sieht. Hingegen urteilt UBS, Beiersdorf werde derzeit mit einem Aufschlag bewertet. Die Schweizer Bank rät bei einem auf 80 (85) Euro gesenkten Kursziel ebenso zum Verkauf wie Credit Suisse. Das Institut hält die Bewertung angesichts der mittelfristigen Ergebnisaussichten für anspruchsvoll.

Mit den vagen Einschätzungen strapaziert Beiersdorf vor dem Hintergrund der Pandemie die Geduld der Anleger. Halten lautet derzeit die vorrangige Devise: Insgesamt stufen gut die Hälfte (53%) der von Bloomberg erfassten 30 Analysten die Beiersdorf-Aktie neutral ein. Jeweils sieben Experten raten aktuell zum Kauf oder Verkauf.