Prozessorhersteller

Dreierschlacht um Logikchips

Rund 62 Jahre nach der Erfindung des integrierten Schaltkreises erlebt die globale Halbleiterindustrie mit einem Jahresumsatz von zuletzt 450 Mrd. Dollar ihren größten Wettlauf um die Weltmarktführung bei Logikchips. Infolge des stark zunehmenden...

Dreierschlacht um Logikchips

Von Martin Fritz, Tokio

Rund 62 Jahre nach der Erfindung des integrierten Schaltkreises erlebt die globale Halbleiterindustrie mit einem Jahresumsatz von zuletzt 450 Mrd. Dollar ihren größten Wettlauf um die Weltmarktführung bei Logikchips. Infolge des stark zunehmenden Kapitalaufwandes für den nächsten Knoten, wie die Meilensteine für Mikroprozessoren heißen, arbeiten die meisten Unternehmen der Branche inzwischen „fabless“ und benutzen Auftragsfertiger. Inzwischen ist die Zahl der Prozessorhersteller mit dem höchsten Knotenniveau auf drei geschrumpft: Intel, Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) und Samsung Electronics.

Daraus könnte mittelfristig ein Duopol werden, denn nach langer Dominanz ist Intel, einst ein Synonym für Mikrochips, technologisch zurückgefallen. Erst Ende 2021 werden die US-Amerikaner Prozessoren mit einer Strukturbreite von 7 Nanometer (nm) fertigen. Dagegen liefern Branchenführer TSMC und Rivale Samsung schon seit zwei Jahren 5-nm-­Prozessoren aus. Die Pa­ckungsdichte der Transistoren wächst quadratisch zur abnehmenden Strukturbreite. Daher spekulierten Analysten, dass Intel die eigene Fertigung aufgibt, wie 2009 AMD. Der designierte Konzernchef Pat Gelsinger stellte aber klar: „Wir werden jede Lücke zu den Auftragsfertigern schließen und vorne bleiben.“

Aber dieses Versprechen kann Intel höchstens auf längere Sicht halten. „Der Chefwechsel ist die letzte Chance für eine US-Führung bei Mi­krochips“, warnte Willy Shih von der Harvard Business School. Als Alarmzeichen wertet der Management-Professor, dass Apple den ersten eigenen Laptop-Prozessor M1 in Taiwan bauen lässt. Intel hält sich ein Hintertürchen offen: Für bestimmte Technologien und Produkte benutze man weiter externe Werke, betonte Gelsinger. Doch Wall Street übt Druck aus: Fabless arbeitende Chipdesigner bewertet die Börse viel höher als die kapitalfressenden eigentlichen Produzenten.

Das Innovationstempo in Fernost kann Intel kaum mitgehen. TSMC will 2021 die Rekordsumme von 25 bis 28 Mrd. Dollar investieren, davon 80% in die Knoten 3 nm, 5 nm und 7 nm. Damit reagieren die Taiwanesen auf Samsung, die mit Investitionen in Logikchips von insgesamt 116 Mrd. Dollar bis 2030 die Weltmarktführung übernehmen will. Bei Speicherchips liegt Samsung schon vorn, Logikchips produzierte man aber bisher vor allem für die eigene Hardware. Doch war der Abstand im Jahr 2020 gewaltig: Laut Trendforce kam TSMC auf 54% und Samsung auf 17% Weltmarktanteil. An der Börse wird TSMC um 28% höher bewertet als ganz Samsung Electronics.

Beide Produzenten wollen die nächste Chipgeneration mit 3 nm Strukturbreite jeweils 2022 meistern; die Vorbereitungen sind weit gediehen. Dabei setzt Samsung auf die neue Gate-all-around-Technik für eine kleinere Chipfläche und einen geringeren Energieverbrauch, während TSMC auf die etablierten Finfet-Transistoren vertraut. Die Wette von Samsung ist riskant, weil eine zu geringe Chipausbeute durch technische Probleme beim Auftragen der Schaltkreise auf die Siliziumwafer schnell rote Zahlen verursacht.

Für den TSMC-Kunden Nvidia fertigt Samsung bereits Grafikprozessoren, für Qualcomm wird man für 1 Bill. Won (743 Mill. Euro) den nächsten Flaggschiff-Prozessor für Smartphones produzieren. Dafür verwendet Samsung das modernste Lithografieverfahren, bei dem die Wafer mit Extrem-UV-Licht (EUV) beschrieben werden. Das Kalkül der Südkoreaner beruht darauf, mit neuen Kapazitäten die Kunden anzulocken, denen die Taiwanesen nicht genug Hochleistungschips liefern können. Auch der wachsende Gesamtmarkt erleichtert Samsung den Einstieg, da immer mehr Tech-Konzerne von Amazon bis Google für ihre spezifischen Anforderungen eigene Chips entwerfen. Aber erst mit Aufträgen von TSMC-Großkunden wie Apple erhielten die Südkoreaner den wahren Ritterschlag. Als Trumpf bietet Samsung eine Paketlösung aus Speicher- und Logikchip in einem einzigen Modul an, was Energie und Platz spart. Ein Vorteil liegt darin, dass die Koreaner die Anforderungen der Kunden bestens kennen, da sie selbst Laptops und Smartphones bauen. Allerdings dürfte es nicht jedem Auftraggeber schmecken, seine Chipdesigns einem Rivalen zu zeigen.

Ohnehin unterstreicht TSMC mit extremen Ausgaben die Entschlossenheit, Weltspitze zu bleiben. Man will die hohe Nachfrage bedienen, was die Verknappung von Chips für die Autoindustrie gerade beweist, und die Gefahr verringern, dass ein Orderüberschuss zu Samsung ab­wandert. Auch der forcierte Ausbau der Halbleiterbranche in China treibt TSMC zu Höchstleistungen. Peking will seine Chipimporte von 300 Mrd. Dollar herunterfahren. Chinas größter Auftragsfertiger SMIC hat deshalb eine Aufholjagd gestartet.

Wegen des Handelsstreits von Washington und Peking setzen sowohl TSMC als auch Samsung auf mehr Produktion in den USA. TSMC errichtet bis 2024 ein Werk in Arizona für 12 Mrd. Dollar, Samsung modernisiert die bestehende Fabrik in Texas für 10 Mrd. Dollar. Dadurch rücken die zwei Chipriesen an ihre US-Kunden heran und machen Intel erstmals auf dem Heimatmarkt Konkurrenz. Allerdings hängt der Verlauf der Schlacht vorerst davon ab, wer sich zuerst genug der begehrten EUV-Lithografiemaschinen vom einzigen Hersteller ASML sichern kann.

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