LeitartikelElektroautos

Die platzende Elektroauto-Blase

Der Nachfrageboom bei Elektroautos steht vor einem abrupten Ende. Vater Staat setzt ein falsches Signal, wenn nun Förderungen der öffentlichen Hand drastisch reduziert werden. Der Markt für E-Autos ist noch kein sich selbst tragendes Geschäft.

Die platzende Elektroauto-Blase

Elektroautos

Die platzende Blase

Von Stefan Kroneck

Der Nachfrageboom bei Elektroautos steht vor einem jähen Ende. Der Rückzug des Staates bei Förderhilfen kommt zur falschen Zeit.

Es geht aufwärts mit der umweltschonenden Mobilität auf deutschen Straßen! Diesen Eindruck könnten die jüngsten Daten des Kraftfahrt-Bundesamts über neu zugelassene Elektroautos vermitteln. In der Tat sind die Angaben auf den ersten Blick beachtlich. Von Januar bis August sprang die Zahl neu zugelassener batteriebetriebener E-Autos um 56% auf exakt 355.575 Stück. Der Anteil an den gesamten Neuzulassungen betrug knapp ein Fünftel. Im August lag dieser sogar bei knapp einem Drittel. Damit befand sich Deutschland fast auf dem Niveau von Skandinavien, wo E-Autos sehr gefragt sind.

Doch die Zuwachsraten in der größten Volkswirtschaft der EU trügen. Denn der Schub basiert auf staatlichen Förderungen. Die Umweltprämie erweist sich als Treiber der Dynamik. Der Boom im zurückliegenden Monat ist insbesondere auf Vorzieheffekte zurückzuführen. Grund dafür ist, dass die Ampel-Koalition in Berlin seit einem Monat gewerbliche Käufe von E-Autos nicht mehr mit öffentlichen Geldern unterstützt. Seit dem 1. September gewährt der Bund nur noch Privatpersonen den Bonus. Vor diesem Hintergrund hat der Elektro-Boom seinen Höhepunkt vorerst überschritten. Branchenexperten befürchten einen Einbruch der Neuzulassungen. Die Elektroauto-Blase in Deutschland ist am Platzen. Denn der Anteil von Dienstwagen beim Erwerb von batteriebetriebenen Fahrzeugen betrug zuletzt drei Viertel aller neu zugelassenen Elektro-Pkw. Anfang 2024 streicht Vater Staat die Förderliste weiter zusammen.

Elektroautos sind verhältnismäßig teuer. Daher schwingt in der Diskussion über den Sinn solcher Subventionen für die Autoindustrie immer der Vorwurf mit, die moderne klimaneutrale Mobilität sei nur etwas für Besserverdienende. Die Batterie macht im Schnitt bis zu 40% der Kosten eines Stromer-Pkw aus. Aufgrund der gestiegenen Einkaufs- und Produktionskosten infolge der hohen Inflation fällt es den deutschen Herstellern derzeit schwer, die Aufwendungen für die Fertigung von E-Autos deutlich zu drücken. Fachmann Ferdinand Dudenhöffer warnt vor einem „Preisschock“ im nächsten Jahr, wenn die Kaufförderung abermals geringer ausfällt. E-Autos deutscher Provenienz dürften auch künftig auf einem hohen Preisniveau liegen, obgleich aufgrund der Wirtschaftsflaute und wachsender Konkurrenz aus dem Ausland der Druck auf BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen wächst, Nachlässe zu gewähren. Denn die Wirtschaftsflaute infolge höherer Zinsen dämpft die Nachfrage. Hinzu kommt, dass aufstrebende Hersteller in den hart umkämpften europäischen Markt drängen. Das könnte zu Rabattschlachten führen.

Diese Mechanismen des freien Marktes reichen aber nicht aus, das Segment für Elektrofahrzeuge ins Lot zu bringen. Das Ziel der Ampel-Koalition, dass bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen rollen, erweist sich als Utopie. Ende 2022 übertraf der Bestand an E-Pkw in Deutschland erstmals die Schwelle von 1 Million Einheiten. Trotz eines Zuwachses von 64% macht das nur 2% des gesamten Pkw-Bestands von gut 49 Millionen aus. Autos mit Verbrennungsmotoren dominieren das Straßenbild.

Angesichts dieser Fakten wächst der Druck auf Berlin, die Umweltprämie für E-Autos zu reformieren und neu aufzulegen. Denn die Entwicklung zeigt, dass ohne Förderung der öffentlichen Hand die Mobilitätswende nicht zu schaffen ist. Das Segment der E-Fahrzeuge ist in Deutschland noch kein sich selbst tragendes Geschäftsmodell. Deutlich gestiegene Strompreise dämpfen die Nachfrage zusätzlich. Ein spürbares Absenken der Umweltboni ist daher kontraproduktiv. Erst wenn sich der Elektrofahrzeugmarkt auf einem höheren Volumenniveau einpendelt, wären staatliche Anschübe obsolet. Bis dahin benötigt die Politik aber mehr Tatkraft. Auf der IAA Anfang September versprach Bundeskanzler Olaf Scholz Impulse bei der Infrastruktur für Elektro-Ladesäulen: Eine Gesetzesinitiative werde auf den Weg gebracht, dass Tankstellen künftig dazu verpflichtet würden, Schnellladestationen anzubieten. Das hätte man schon viel früher umsetzen können. Das zeigt, dass Vater Staat zu behäbig agiert. Eine überzeugende Entschlossenheit sieht anders aus.

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