Nachhaltigkeit

ESG-Reporting im Zwiespalt

Die finalen europäischen Standards für das ESG-Reporting finden unterschiedliche Akzeptanz in der Praxis. Das Institut der Wirtschaftsprüfer hält das Regelwerk für einen akzeptablen Kompromiss, der Fondsverband BVI fordert Nachbesserungen in der Finanzmarktregulierung.

ESG-Reporting im Zwiespalt

ESG-Reporting im Zwiespalt

IDW akzeptiert EU-Vorschlag als Kompromiss – BVI fordert Anpassungen

swa Frankfurt

Die EU-Kommission hat in der finalen Fassung der Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung noch spürbare Erleichterungen im ESG-Reporting der Unternehmen durchgesetzt. Diese sind aus Sicht des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) zu begrüßen, wie aus einer ersten Stellungnahme der Berufsstandvertreter hervorgeht.

Um die Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, hat die Kommission den Unternehmen mehr Zeit für die Umsetzung besonders anspruchsvoller Vorschriften in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) gegeben. Brüssel hat zudem zahlreiche Angabepflichten unter den Vorbehalt gestellt, dass diese Datenpunkte für das Unternehmen auch wesentlich sind. Darüber hinaus wurden Pflichtangaben in freiwillige Offenlegung umgewandelt.

Gleichlauf angemahnt

"Positiv ist aus Sicht des IDW, dass trotz aller zwischenzeitlichen Bedenken der allgemeine Wesentlichkeitsvorbehalt beibehalten worden ist. Das ermöglicht den Unternehmen eine individuelle Umsetzung der ohnehin schon anspruchsvollen Berichtsanforderungen", unterstreicht IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann.

Aus dem Finanzsektor wurde nach Bekanntwerden der gewährten Erleichterungen für Unternehmen indes Kritik laut, weil speziell durch den gewährten Vorbehalt der Wesentlichkeit für bestimmte Angaben Informationslücken in anderen Regulierungswerken befürchtet werden – etwa in der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) oder der Capital Requirements Regulation (CRR).

Entsprechend harsch fällt das Urteil des deutschen Fondsverbands BVI aus. „Die ESRS genügen nicht den Anforderungen, die für die Berichterstattung der Finanzmarktteilnehmer zur Nachhaltigkeit gelten", sagt ein BVI-Sprecher. Assetmanager würden mit den veröffentlichten EU-Standards nicht alle notwendigen Informationen von den Unternehmen erhalten. Doch Realwirtschaft und Finanzmarkt bräuchten einen Gleichlauf der Berichtspflichten, gibt der BVI zu bedenken. "Die EU-Kommission sollte deshalb unbedingt die EU-Offenlegungsverordnung so überarbeiten, dass auch die Finanzmarktteilnehmer nur wesentliche Nachhaltigkeitsrisiken und -auswirkungen berücksichtigen müssen“, so die Forderung des Fondsverbandsvertreters.

Die EU-Kommission hat wegen der Einwände aus dem Finanzsektor vorgesehen, dass die Unternehmen nun ausdrücklich darlegen müssen, welche Datenpunkte sie als unwesentlich klassifizieren und deshalb weglassen. Das ganze Ausmaß der Auslassung soll in tabellarischer Form dargelegt werden, womit aus Sicht der EU Transparenz geschaffen wird.

Weitere Klarstellungen

Das IDW weist darauf hin, dass Brüssel weitere Klarstellungen in den für den Finanzsektor relevanten Rechtsakten vornehmen wolle. Dies entspreche auch den Vorschlägen des IDW. Nach Auffassung der EU-Kommission sollten die Kapitalmarktteilnehmer davon ausgehen können, dass die von den Unternehmen als unwesentlich erachteten ESG-Angaben auch für Investitionen in diese Unternehmen als neutral anzusehen seien, gibt das IDW die EU-Sichtweise wieder.

Das IDW verweist darauf, dass sich Brüssel noch in einem anderen Punkt beweglich gezeigt habe. So sei das Wahlrecht in den finalen Standards insoweit eingeschränkt worden, dass die Unternehmen das Thema „Klimawandel“ nicht unbegründet als unwesentlich einstufen dürfen. Wenn sie auf Angaben zum Klimawandel verzichten, müssten sie dies erläutern und in ihrer Begründung das Resultat der individuellen Wesentlichkeitsanalyse vorlegen.

Ganz oder gar nicht

Die finalen Standards für das ESG-Reporting müssen nun noch EU-Parlament und Ministerrat vorgelegt werden. Diese Gremien können die Standards indes nicht mehr ändern, sondern allenfalls komplett zurückweisen. Parlament und Rat haben zwei Monate Zeit, mit der Option, auf vier Monate zu verlängern. Mit Inkrafttreten gelten die ESRS einheitlich in allen Mitgliedstaaten. Unternehmen, die schon bislang zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, müssen das Regelwerk erstmals für das Geschäftsjahr 2024 anwenden. Erstmals verpflichtete große Unternehmen, in Deutschland der Löwenanteil, folgen 2025.

Die von der EU-Kommission verabschiedeten europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung finden in der Praxis unterschiedliche Resonanz. Das Institut der Wirtschaftsprüfer hält die zuletzt noch spürbar überarbeitete Fassung für einen "akzeptablen Kompromiss". Kritik kommt von Investorenseite.

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