Im BlickfeldMarketing und Verbraucherschutz

EU baut hohe Hürden für grüne Werbung

Die EU hat ein Gesetz beschlossen, das Greenwashing verbietet. Konkret geht es um Begriffe wie klimaneutral und umweltfreundlich. Die sind zukünftig nur erlaubt, wenn sie sich belegen lassen.

EU baut hohe Hürden für grüne Werbung

EU baut hohe Hürden für Werbung mit „klimaneutral“

Ein neues Gesetz verbietet grüne Begriffe im Marketing. Aber es gibt Ausnahmen.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Am 18. April ist es so weit. Dann verhandelt der Bundesgerichtshof darüber, ob „Katjes“ ihre Fruchtgummis als „klimaneutral“ bewerben darf. Die Wettbewerbszentrale hatte dem Hersteller Verbrauchertäuschung vorgeworfen und auf Unterlassung geklagt. Doch das Düsseldorfer Oberlandesgericht entschied, dass das Unternehmen so werben darf. In einem ähnlichen Fall hatte ein Marmeladenhersteller gegen die Wettbewerbszentrale verloren.

Strittig ist in der Regel, was unter klimaneutral zu verstehen ist. Also ob die Klimaneutralität durch Einsparmaßnahmen erreicht wird oder durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten. Außerdem geht es um die Frage, wie über diese Zusatzinformationen aufgeklärt wird und ob ein Hinweis in der Werbung auf eine weiterführende Internetseite ausreicht.

Greenwashing liegt im Trend

Greenwashing, also die irreführende Werbung mit Umweltmerkmalen, findet sich nicht nur in der Nahrungsmittelbranche, sondern immer mehr auch im Finanzbereich. Unternehmen werben dabei ganz unterschiedlich mit Nachhaltigkeit, wollen sich damit positionieren und Interesse an den Produkten wecken.

„Greenwashing hat in den letzten Jahren stark zugenommen, und es gibt immer mehr Klagen dagegen“, sagt Rechtsanwältin Daja Apetz-Dreier von der Kanzlei Reed Smith. Momentan könne eine nicht zutreffende Werbeaussage nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) geahndet werden. Das UWG umfasst alle Rechtsbereiche und hat im Prinzip auch keine Gesetzeslücken.

„Wenn mit dem Begriff klimaneutral geworben wird, ist schon in der Werbung eine Transparenz erforderlich, um dem Verbraucher eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Der bloße Hinweis auf eine Webseite reicht unseres Erachtens nicht aus“, erläutert Juristin Ulrike Gillner von der Wettbewerbszentrale, einer Einrichtung, die eine Art Selbstkrontrolle innerhalb der Wirtschaft darstellt.

Viele Abmahnungen

Genauso wie die Wettbewerbszentrale geht auch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ) häufig gegen unlautere Werbung vor. Die VZ hat zum Beispiel die Formulierung „Investieren mit positivem Einfluss“ der DekaBank abgemahnt, da nicht deutlich genug darauf hingewiesen wurde, dass dies nur auf Schätzungen beruht. Der nachhaltige Bankdienstleister Tomorrow musste eine Werbung mit dem Hinweis „erstes klimaneutrales Girokonto“ zurücknehmen.

„Bislang sind wir schon ziemlich erfolgreich gegen Greenwashing vorgegangen. Nicht so zufriedenstellend war bislang, dass wir oft nur die Möglichkeit hatten, die werbenden Anbieter aufzufordern, die in unseren Augen irreführende Werbung zu unterlassen“, sagt Gabriele Bernhardt von der Stabsstelle Recht der VZ, die sich vom neuen EU-Gesetz mehr Durchschlagskraft verspricht.

Eingriff durch Brüssel

Am 17. Januar 2024 hat das Europäische Parlament dem Richtlinienentwurf COM 2022 (143) zur Aktualisierung der Vorschriften für Verbraucherschutz zugestimmt. Dabei geht es insbesondere darum, die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) anzupassen.

Jetzt muss der Rat das Gesetz noch billigen, dann wird es veröffentlicht und gilt als beschlossen. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umsetzen.

Unwörter und schwarze Liste

Mit der geplanten Umsetzung der Richtlinie wird auch eine der häufigsten Umweltaussagen verboten. Es geht um die Behauptung der Klimaneutralität eines Produkts oder eines Unternehmens, und zwar besonders dann, wenn diese Klimaneutralität zumindest zum Teil auf Ausgleichsmaßnahmen basiert.

Die neue Richtlinie verbietet primär die Verwendung von umweltbezogenen Behauptungen wie „umweltfreundlich“, „natürlich“, „biologisch abbaubar“, „klimaneutral“ oder „ökologisch“. Solche Aussagen sind nur noch zulässig, wenn sie durch Fakten nachgewiesen werden können. „Dies betrifft nicht nur Werbeslogans oder sprachliche Angaben, sondern auch Bilder, Symbole oder ähnliche Elemente, die den Eindruck von ‚Umweltfreundlichkeit‘ erwecken“, so Fabian Klein, Experte für Wettbewerbsrecht bei der Kanzlei Pinsent Masons.

Wenn ein Produkt in einem Regenwald oder zusammen mit einem Eisbären dargestellt werde, könnte das beispielsweise von den neuen Regeln betroffen sein. „Um solche Aussagen machen zu dürfen, müssen Händler den Nachweis einer ‚anerkannten hervorragenden Umweltleistung‘ vorweisen, entweder durch eine Zertifizierung nach ISO 14024 Typ I oder durch Erfüllung des EU-Ecolabels“, schreibt Klein in einem Fachbeitrag.

Geschenk für Verbraucherschutz

Die neue europäische Richtlinie zum Wettbewerbsrecht verbietet nicht nur die grundsätzliche Verwendung bestimmter Begriffe, sondern auch die Nutzung privater Nachhaltigkeitssiegel, sofern diese kein Zertifizierungssystem haben; insbesondere Nachhaltigkeitssiegel, die von einem Unternehmen selbst erstellt werden, sind nicht mehr erlaubt.

Für Ulrike Gillner von der Wettbewerbszentrale sind die neuen Vorschriften zur Änderung der UGP-Richtlinie in der EU ein anderer Ansatz, mit dem man den Bereich detaillierter regeln will und ein "Per-se-Verbot“ zur Verwendung bestimmter Begriffe einführe. „Nach unserer Auffassung kann man auch jetzt schon mit den bestehenden Regelungen des UWG im Bereich umweltbezogener Werbung Verstöße in den Griff bekommen“, so die Einschätzung der Juristin.

Verbraucherschützerin Gabriele Bernhardt von der VZ Baden-Württemberg begrüßt die Verschärfungen aus Brüssel. „Mit den neuen Vorschriften in der Richtlinie COM 2022 (143) haben wir nun weitere Möglichkeiten, Greenwashing zu unterbinden. Klarstellende Erläuterungen helfen den Anbietern, die irreführend werben, nicht mehr, sofern die behauptete Umweltaussage nicht positiv nachgewiesen werden kann.“

Mit der Änderung der UGP-Richtlinie werde gesetzlich deutlich normiert, dass Green Claims ohne Substantiierung, also ohne wissenschaftliche Fundierung der Richtigkeit der Claims, unzulässig seien. „Wir gehen deshalb davon aus, dass wir mit unseren Verfahren irreführende und damit verbraucherrechtswidrige umweltbezogene Werbeaussagen noch erfolgreicher beanstanden können“, sagt Bernhardt.

Unternehmen unter Druck

Für Apetz-Dreier von der Kanzlei Reed Smith könnte die jetzt vorliegende Richtlinie zu Werbung und Marketing mit Nachhaltigkeitsbegriffen erhebliche Folgen für die Unternehmen haben.  „Das Marketing im Bereich ESG wird damit künftig schwieriger. Die Unternehmen werden vorsichtiger und werden beim Wording besser aufpassen“, sagt die Rechtsanwältin.

Klein von Pinsent Masons sagt in dem Zusammenhang, dass die geplanten Änderungen eine enorme Belastung für Unternehmen darstellen würden. „Es könnte sogar dazu führen, dass Firmen auf umweltbezogene Maßnahmen ganz verzichten werden, wenn der Aufwand, mit diesen werben zu dürfen, schlicht zu groß würde“, so der Jurist. „Der Spielraum wird sowohl für täuschende Greenwashing-Behauptungen als auch für gut gemeinte und wahre ökologische Aussagen daher immer kleiner.“

Green-Claims-Richtlinie vor der Tür

Die jetzt verabschiedete Greenwashing-Richtlinie zu den unlauteren Geschäftspraktiken soll nach dem politischen Willen durch weitere EU-Rechtsvorschriften wie die Green-Claims-Richtlinie ergänzt werden. Diese soll die Bedingungen für die Verwendung von Umweltschutzangaben noch detaillierter festlegen.

In ihrer gegenwärtigen Form sieht diese sehr strenge Anforderungen an die Informationen von Unternehmen über die ökologischen Qualitäten ihrer Unternehmen oder Produkte vor. So soll etwa jeder Umwelt-Claim vorab von einem externen Prüfer genehmigt und zertifiziert werden. Die geplante Green-Claims-Richtlinie würde die Lage recht unübersichtlich machen, so Apetz-Dreier.

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