ESMA-Studie

Greenwashing-Vorwürfe beeinflussen Kursgewinn und Bewertung kaum

Wenn sich Unternehmen mit Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert sehen, hat dies meistens keinen Einfluss auf die Aktie, wie eine Studie der EU-Wertpapieraufsicht ESMA zeigt.

Greenwashing-Vorwürfe beeinflussen Kursgewinn und Bewertung kaum

Greenwashing-Vorwürfe ohne Börseneffekt

EU-Studie sieht kaum Folgen für Kurse und Bewertung – DWS-Debakel nur Einzelfall

jsc Frankfurt

Falsche, überzogene oder irreführende Versprechen zur Nachhaltigkeit haben laut einer Studie der EU-Wertpapieraufsicht ESMA für börsennotierte Unternehmen in Europa häufig keine erkennbaren Folgen: Weder Kursentwicklung noch Bewertung geraten demnach regelmäßig unter Druck, wenn in Medien über Greenwashing berichtet wird, wie eine Auswertung von etlichen hundert Fällen in den Jahren 2020 und 2021 zeigt. Die Autoren bezogen sich auf Firmen im Stoxx Europe 600.

Vor allem Öl- und Gaskonzerne, aber auch Finanzbranche und Ernährungsindustrie sind häufig von Greenwashing-Kontroversen betroffen. Die ESMA identifizierte Medienberichte, die Unternehmen entweder explizit mit dem Wort "Greenwashing" in Verbindung bringen oder aber eine irreführende Kommunikation thematisieren. Aus diesen 933 Fällen stuften die Experten 630 Fälle als "Greenwashing" ein. Meistens drehen sich die Vorwürfe um Umweltangaben, aber auch soziale Themen tauchen häufig auf.

Kein Beleg in der Statistik

In einer statistischen Analyse untersuchten die Experten daraufhin die Folgen für Kursentwicklung und Kurs-Gewinn-Verhältnis. Die Ergebnisse sind durchwachsen: In einigen Fällen zeigt sich die erwartete Tendenz, so dass ein Greenwashing-Vorwurf negativ mit Kurs und Bewertung zusammenhängt. Belastbar sind die Ergebnisse dabei nicht: Die ermittelten Zusammenhänge sind in der Fachsprache der Statistiker meistens nicht "signifikant", sie können also sehr leicht auch zufällig aufgetreten sein. Je nach Fallauswahl und statistischem Modell geht der Effekt aber zuweilen auch in die entgegengesetzte Richtung. Auch diese Ergebnisse sind jedoch nicht belastbar.

Der Befund ändert sich auch nicht, wenn etwa nur Fälle gezählt werden, die von NGOs aufgebracht wurden, oder jene Kontroversen, die juristische Schlagworte aufweisen, also mögliche Rechtsfolgen suggerieren. In der Analyse der Bewertung wiederum betrachteten die Autoren sowohl das aktuelle als auch das zukunftsgerichtete Kurs-Gewinn-Verhältnis. Auch eine Häufung von Greenwashing-Vorfällen in einem Unternehmen zeigt keinen belastbaren Effekt.

Einzelfall DWS

Investoren und Märkte verfolgten Greenwashing-Kontroversen anscheinend nicht aufmerksam, schlussfolgern die Experten. Die hohen Kursverluste der Fondsadresse DWS, die nach Greenwashing-Vorwürfen und einer Razzia unter Druck geriet, stufen die Autoren als "anekdotische Evidenz" ein, also als Einzelfall, der keine allgemeinen Aussagen zulässt.

Subjektiver Begriff

Zugleich mahnen die Autoren zur Vorsicht: Die Definition von Greenwashing ist aus ihrer Sicht nicht eindeutig und somit teilweise subjektiv. Auch zählten die Experten lediglich Kontroversen – wie oft sich Unternehmen tatsächlich falsch verhalten haben und wie schwer das etwaige Fehlverhalten wiegt, bleibt somit unklar. Auch beziehen sich einige Kontroversen nur mittelbar auf börsennotierte Unternehmen, etwa wenn es um Zulieferer geht.

Darüber hinaus könnte das Thema nach Einschätzung der Autoren seit dem Zeitraum der Untersuchung an Bedeutung gewonnen haben, so dass der Effekt von Greenwashing-Vorwürfen auf Kurs und Bewertung heute womöglich leichter nachweisbar wäre. Die Häufigkeit der Berichte nahm im Zeitverlauf zu.

jsc Frankfurt
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