LeitartikelESG-Reporting

Keine lästige Pflicht

Im ESG-Reporting geht es um Qualität der Daten und nicht um ausufernde Berichte. Das ist alles andere als eine lästige Pflicht.

Keine lästige Pflicht

ESG-Reporting

Keine lästige Pflicht

Von Sabine Wadewitz

Im ESG-Reporting geht es um Qualität der Daten und nicht um ausufernde Berichte. Das ist alles andere als eine lästige Pflicht.

Der Kraftakt im ESG-Reporting geht in die entscheidende Phase. International liegen die ersten Standards auf dem Tisch, auf EU-Ebene steht die Verabschiedung der Regeln zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten bevor. Damit kommt es für Tausende Unternehmen in den 27 Mitgliedstaaten zum Schwur. Alle Beteiligten haben den Regulierungsprozess zwar schon lange mitverfolgen können, gleichwohl stellt der Start der Umsetzung für viele Firmen noch eine riesige Herausforderung dar. In regulierten Branchen dürfte es leichter fallen, aber auch dort geht es nun hektisch ans Datensichten.

Am Ende des ersten Regulierungsmarathons ist spürbares Aufatmen zu vernehmen, weil sich die EU-Kommission entgegenkommend zeigte und sie die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Vergleich zum Entwurf ihrer technischen Arbeitsgruppe vereinfachte. So müssen Unternehmen nun nicht mehr blind einen Wust an Daten liefern, sondern dürfen danach auswählen, ob die Angaben überhaupt wesentlich für sie und die Adressaten sind. Einige Angaben sind nach dem jüngsten Vorschlag aus Brüssel sogar freiwillig, und die Verständlichkeit der Standards hat sich auf den letzten Metern nach einhelliger Meinung verbessert. Von den Erleichterungen profitieren nach Einschätzung von Standardsetzern immerhin rund 70% der betroffenen Unternehmen. Dass die gelockerten Regelungen nun mit Offenlegungsanforderungen im Finanzsektor kollidieren, ist ein unbefriedigender Begleiteffekt, der hoffentlich zu bewältigen ist, ohne das Rad zurückzudrehen.

Die Beteiligten sollten aus dem Einlenken der EU-Kommission indes nicht schließen, dass Brüssel auch in den Taxonomie-Zielen ein Auge zudrücken wird. Die Unternehmen sollen schlichtweg in den Berichtspflichten nicht überfordert werden, müssen aber ernsthaften Willen zur ökologischen Transformation zeigen – und liefern. Allen Beteiligten ist daran gelegen, dass sich das Reporting nicht im Detail verliert. Es braucht aber Transparenz, inwieweit die Firmen im Zusammenhang mit Klimawandel und anderen ESG-Themen auf rechtliche und preisliche Veränderungen vorbereitet sind. Investoren werden in wirklich relevanten Aspekten genau hinsehen, intensiv prüfen und die jeweiligen Fortschritte messen und vergleichen. Aus Perspektive der Anleger sind globale Standards und die Etablierung eines Level Playing Field längst überfällig, wenngleich viele große Unternehmen zum Thema ESG schon bereitwillig informieren – das sollte man auch anerkennen.

Jedem beteiligten Stakeholder ist klar, dass es in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht vom ersten Tag an perfekt laufen wird. Viele Begriffe sind in der Praxis noch zu klären, wenngleich die viel gescholtene Unbestimmtheit mancher Angabenvorschrift den Unternehmen sogar helfen kann, auf ihre jeweiligen individuellen Besonderheiten einzugehen. Noch granularer und komplexer sollten die Normen nicht werden. Es geht zuallererst um die Qualität der Daten und nicht um ein Wettrennen, welcher Nachhaltigkeitsbericht in kürzester Zeit eine rekordverdächtige Seitenzahl erreicht.

Im Hintertreffen sind vor allem jene Adressen, die Nachhaltigkeitsberichterstattung noch viel zu lange als lästige Pflicht abgetan haben. Vielerorts war das Thema noch lange in der Kommunikationsabteilung angesiedelt und keineswegs im Finanzressort. Die Gleichwertigkeit von Finanz- und ESG-Berichterstattung und deren Verzahnung muss sich im Selbstverständnis vieler Emittenten noch ausbilden. Das Beharrungsvermögen ist leider ausgeprägt.

Zahlreiche Firmen haben viel zu lange verkannt, dass Transparenz ihre unabwendbare Transformation unterstützt, dass es zum eigenen Vorteil ist, sich mit den relevanten Daten zu befassen sowie Strategie und Geschäft auf ökologische und soziale Folgen sowie Wechselwirkungen abzuklopfen. Zwar mag es mit Blick auf Menschenwürde, Sozialstandards, Klimaschutzziele sowie Wohlstand vor der eigenen Haustür ganz passabel aussehen. Es darf aber nicht verschleiert werden, wenn zur Reproduktion dieser bewährten Lebensweise in anderen Ländern auf Arbeitskräfte und Ressourcen zugegriffen werden muss, die weit von solchen Privilegien entfernt sind.

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