GastbeitragGreen Deal

Neue EU-Verordnung zielt auf Schutz der Wälder

Ende Juni ist die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten in Kraft getreten. Sie erhöht Compliance-Anforderungen und Compliance-Risiken in Unternehmen.

Neue EU-Verordnung zielt auf Schutz der Wälder

EU-Verordnung zielt
auf Schutz der Wälder

Unternehmen müssen entwaldungsfreie Lieferketten nachweisen

Von Lothar Harings *)

Die EU hält das Tempo bei der Umsetzung des Green Deal hoch – im selben Maße steigen Compliance-Anforderungen und Compliance-Risiken für Unternehmen und deren Führungskräfte. Ende Juni ist nun die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten in Kraft getreten. Kaffee und Kakao, Lederwaren, Möbel, der für die Automobilindustrie wichtige Kautschuk und viele andere Rohstoffe und Produkte dürfen ab Ende 2024 nur noch mit einem Nachweis-Zertifikat in Verkehr gebracht und verkauft werden.

Die Verordnung gilt auch für Produkte, die innerhalb der EU hergestellt werden, erfasst also nicht nur Importe, und das unabhängig von der Unternehmensgröße. Lediglich für kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten (KMU) gibt es Erleichterungen.

Sorgfaltserklärung verlangt

Eine gerade von der EU-Kommission veröffentlichte FAQ-Liste erläutert die kommenden Einschränkungen in 62 Punkten. Die haben es in sich und reichen thematisch weit über den Schutz vor Entwaldung hinaus: Marktteilnehmer müssen in einer Sorgfaltserklärung bestätigen, dass die Produkte nicht nur entwaldungsfrei, sondern auch „gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt“ worden sind.

Dazu zählen neben den Vorschriften zur Landgewinnung und forstbezogenen Vorschriften auch Arbeitnehmerrechte und völkerrechtlich geschützte Menschenrechte. Außerdem müssen Lieferanten Steuervorschriften und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sowie Handels- und Zollvorschriften einhalten.

Da die Verordnung keinen Gutglaubensschutz kennt und alle Akteure der Lieferkette haftbar hält, empfiehlt es sich dringend, vertraglich Regressansprüche gegenüber Zulieferern zu sichern. Alle Marktteilnehmer und Händler müssen den Nachweis der Entwaldungsfreiheit über die Geolokalisierungsdaten der Erzeugergrundstücke erbringen.

Zurückverfolgung

Produkte müssen sich zu den betroffenen Grundstücksflächen zurückverfolgen lassen. Die bislang insbesondere in der Kakaobranche üblichen sog. „mass balance“- Beschaffungen, die eine Vermischung von zertifizierter und nicht-zertifizierter Rohware erlauben, sind nicht mehr zulässig. Bei Bulkware bzw. Massengut muss die gesamte Lieferung die Anforderungen erfüllen. Ist folglich in einer Schiffsladung nur ein kleiner Teil Kakaobohnen enthalten, für den kein Nachweis erbracht werden kann, ist die gesamte Schiffsladung kontaminiert.

Andererseits gilt die Verordnung nur für die ausdrücklich aufgeführten Produkte. Andere Produkte sind nicht betroffen, selbst wenn sie aus geschützten Produkten hergestellt wurden. Die Kommission nennt als Beispiel Seife, die aus Palmöl hergestellt wird, aber nicht in der Anlage aufgeführt ist.

Die Sorgfaltspflichten gelten dabei für die gesamte Lieferkette und werden beim Import durch die Zollbehörden, im Übrigen durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) kontrolliert.

Harte Sankionen

Die Auswirkungen bei einem Verstoß sind beachtlich und gehen über die üblichen Sanktionsmechanismen hinaus: Die Geldstrafen oder Geldbußen können bis zu 4 % des unionsweiten Gesamtumsatzes eines Marktteilnehmers oder Händlers betragen. Alle im Rahmen eines Verstoßes erzielten Erzeugnisse oder Einnahmen können eingezogen werden. Zudem droht der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und Finanzierungen einschließlich Finanzhilfen und Konzessionen für eine Dauer bis zu 12 Monaten. Als Korrekturmaßnahme für ein betroffenes Unternehmen kann diesem obendrein aufgegeben werden, die Erzeugnisse für gemeinnützige Zwecke zu spenden oder ordnungsgemäß entsorgen zu lassen.

Unternehmen müssen daher den regulatorischen Vorgaben unbedingt Rechnung tragen. Die drohenden Sanktionen setzen auch Geschäftsführung, Vorstand und ggf. auch den Aufsichtsrat einer Haftung gegenüber dem Unternehmen aus. Diese müssen angemessene organisatorischen Vorkehrungen für rechtskonformes Verhalten treffen. Dazu gehört auch, die jeweiligen Fachabteilungen mit hinreichend Personal und Ressourcen auszustatten. Nur dann können diese sich um ein funktionierendes Risikomanagement kümmern. Software kann dabei eine hilfreiche und sinnvolle Ergänzung sein, ersetzt aber kein qualifiziertes Personal.

Globale Anforderung

Die Entwaldungsfreie Lieferketten-VO ist als Teil des EU-Green-Deals im Kontext mit der kommenden EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie („CSDDD“), der Anfang 2023 in Kraft getretenen Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie („CSRD“), dem deutschen Lieferkettengesetz („LkSG“) und dem geplanten Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt zu sehen.

Mit diesen Rechtsetzungsakten zu Nachhaltigkeit steht die EU – entgegen häufig geäußerter Kritik – im internationalen Kontext keineswegs isoliert. Unternehmen sollen und müssen daher in der Zukunft verstärkt Verantwortung für ihr internationales Handeln übernehmen. Dazu leistet die Verordnung einen Beitrag – trotz einiger Schwächen und Unschärfen, die sicher Gegenstand juristischer Verfahren werden.

*) Dr. Lothar Harings ist Partner bei Graf von Westphalen und leitet die Praxisgruppe Zoll & Außenhandel der Kanzlei.

Dr. Lothar Harings ist Partner bei Graf von Westphalen und leitet die Praxisgruppe Zoll & Außenhandel der Kanzlei.