Aus der KapitalmarktforschungEU-Offenlegungsverordnung

Quo vadis nachhaltige Fonds?

Durch die Ergänzung der EU-Offenlegungsverordnung für nachhaltige Finanzprodukte sind viele dunkelgrüne Fonds (Artikel 9) zu hellgrünen Fonds (Artikel 8) heruntergestuft worden. Seither weisen erstere einen deutlich höheren Anteil an nachhaltigen Investments auf.

Quo vadis nachhaltige Fonds?

Quo vadis nachhaltige Fonds?

Nachhaltigkeit und taxonomieorientierte Offenlegung in Deutschland nach der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR)

Anfang

Durch die Ergänzung der EU-Offenlegungsverordnung für nachhaltige Finanzprodukte (SFDR) sind Anfang dieses Jahres viele dunkelgrüne Fonds (Artikel-9-Fonds) zu hellgrünen Fonds (Artikel-8-Fonds) heruntergestuft worden. Seither weisen Artikel-9-Fonds einen deutlich höheren Anteil an nachhaltigen Investments auf als Artikel-8-Fonds. Darin spiegeln sich regulatorische Anpassungen wider.

Jüngsten Schätzungen der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) zufolge wird die Erreichung der Klimaziele des Pariser Klimaabkommens, insbesondere die Begrenzung des mittleren globalen Temperaturanstiegs auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau, bis 2030 Investitionen in Höhe von 5,7 Bill. Dollar pro Jahr erfordern.

Angesichts dieser ehrgeizigen Ziele hat die Europäische Kommission im März 2018 einen Aktionsplan für nachhaltige Finanzen mit einer Strategie zur weiteren Verknüpfung von Finanzen und Nachhaltigkeit vorgelegt. Dazu gehört eine breite Palette neuer und erweiterter Vorschriften, wie die EU-Offenlegungsverordnung für nachhaltige Finanzprodukte (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR, Verordnung (EU) 2019/2088), die darauf abzielt, die Nachhaltigkeitsnachweise von Finanzprodukten besser zu klassifizieren, die EU-Taxonomie-Verordnung (Taxonomie, Verordnung (EU) 2020/852), die eine Liste ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten definiert, und die Integration individueller Nachhaltigkeitspräferenzen im Rahmen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II, Richtlinie 2014/65/EU). Im Frühjahr 2022 ergänzte die EU-Kommission die SFDR um technische Regulierungsstandards, die seit Januar 2023 anwendbar sind (SFDR-Stufe 2).

Dieses neue regulatorische Umfeld, das von den europäischen Regulierungsbehörden laufend überwacht und angepasst wird, war der Anstoß für die Analyse des aktuellen Umsetzungsstands der Nachhaltigkeit und der an der Taxonomie orientierten Offenlegung im Rahmen der SFDR. Als Ökonom/innen und Juristen des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE haben wir einen Bericht über die Entwicklung der SFDR-Kategorisierung von Fonds im Laufe der Zeit geschrieben und die nachhaltigen Investmentanteile von Fonds zwischen September 2022 und März 2023 analysiert.

Ziel der SFDR ist es, die Transparenz auf dem Markt für nachhaltige Anlageprodukte zu verbessern und Greenwashing, also Irreführung hinsichtlich des nachhaltigen Anlageziels, zu verhindern. Zu diesem Zweck verlangt sie von Finanzmarktteilnehmern und Finanzberatern eine vorvertragliche und laufende Offenlegung über die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und die Berücksichtigung negativer Nachhaltigkeitsauswirkungen. Aufgrund des unterschiedlichen Anspruchsniveaus nachhaltiger Produkte wird in der SFDR zwischen verschiedenen Produktkategorien unterschieden. Die erste Kategorie sind konventionelle oder graue Finanzprodukte, die keinen Nachhaltigkeitsbezug haben (Artikel-6-Produkte). Die zweite Kategorie sind hellgrüne Finanzprodukte, die soziale und/oder ökologische Merkmale bewerben, aber die nachhaltige Anlage nicht als Kernziel haben (Artikel-8-Produkte). Die dritte und letzte Kategorie sind dunkelgrüne Finanzprodukte, die eine nachhaltige Investition anstreben (Artikel-9-Produkte). Seit Januar 2023 findet die SFDR-Stufe 2 Anwendung und gibt u.a. Mustervorlagen für die verschiedenen Offenlegungspflichten (s. Grafik unten).

Badenhoop et al., Quo Vadis Sustainable Funds? Sustainability and taxonomy-aligned disclosure in Germany under the SFDR, SAFE White Paper No. 94, 2023, S. 4

Als Reaktion auf dieses neue regulatorische Umfeld wurde viel über die Genauigkeit und Praktikabilität der neu eingeführten rechtlichen Anforderungen diskutiert. Viele Vermögensverwalter argumentierten, dass es der SFDR an einer klaren Definition von Nachhaltigkeit fehle, was sie dazu zwinge, ihre Finanzprodukte von Artikel 9 auf Artikel 8 herabzustufen.

Um die Entwicklung und den aktuellen Stand der Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen im Rahmen der SFDR zu beleuchten, haben wir in unserem Bericht beim Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE einen von der WM Gruppe, einem führenden Anbieter von Finanzinformationen und -daten, gesammelten Datensatz analysiert. Insbesondere haben wir untersucht, wie mehr als 10.000 Investmentfonds und 2.000 Indexfonds, die über Banken in Deutschland angeboten werden, zwischen September 2022 und März 2023 Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen der SFDR offengelegt haben.

Dynamik zwischen SFDR-Klassen

Gemessen an der Größe der Klassen ist die Gruppe der Artikel-9-Fonds viel kleiner als die der Artikel-6- und Artikel-8-Fonds. Dies gilt sowohl für Investmentfonds als auch für Indexfonds und gilt für alle betrachteten Zeiträume zwischen September 2022 und März 2023. Gleichzeitig können wir feststellen, dass es eine Dynamik zwischen den SFDR-Klassen gibt. Bei den Investmentfonds sind die auffälligsten Übergangspfade die Gruppen von Fonds, die von Artikel 6 zu Artikel 8 wechseln, sowie die Gruppen von Artikel-9-Fonds, die zu Artikel 8 herabgestuft werden. Während die meisten Aufstufungen im letzten Quartal 2022 zu beobachten sind, mit 97 Artikel-6-Fonds, die zu Artikel 8 aufsteigen, finden die meisten Herabstufungen im ersten Quartal 2023 statt. Hier wurden 66 Fonds von Artikel 9 auf Artikel 8 herabgestuft. Bei den Indexfonds ist der Übergang zwischen den Klassen relativ ausgeprägter. Die meisten Herabstufungen von Artikel-9- zu Artikel-8-Fonds erfolgten zwischen Januar und März 2023, als 48 % der Artikel-9-Fonds herabgestuft wurden. Im gleichen Zeitraum stieg kein Artikel-6- oder Artikel-8-Fonds in die Artikel-9-Klasse auf. Infolgedessen verringerte sich die Gruppe der Artikel-9-Indexfonds erheblich von 98 Fonds im September 2022 auf nur 51 Fonds in dieser Kategorie im März 2023 (siehe Grafik oben).

WM Gruppe Daten, eigene Berechnung der Autoren

Markttransparenz

Die Bereitstellung von Daten und damit Markttransparenz ist der Schlüssel dazu, dass Kunden fundierte Entscheidungen treffen können. Aus diesem Grund müssen Finanzprodukte laut der Stufe 2 der SFDR ab Januar 2023 den Mindestprozentsatz nachhaltiger Investitionen in den vorvertraglichen Unterlagen sowie den tatsächlichen Wert in den regelmäßigen Berichten offenlegen. Für Artikel-8-Fonds ist nur eine Unterkategorie, nämlich Produkte, die sich zu nachhaltigen Investitionen verpflichten, zur Offenlegung nachhaltiger Investitionen verpflichtet. Für diese Untergruppe der Artikel-8-Fonds gibt es verschiedene Bezeichnungen, wie z.B. „Artikel 8.5“, „Artikel 8 plus“, „mid green“. Obwohl die Zahlen im betrachteten Zeitraum gestiegen sind, haben bis März 2023 nur 18 % der Artikel-8-Fonds und 10 % der Artikel-9-Fonds Informationen über den Anteil nachhaltiger Investitionen in ihren Jahresberichten offengelegt. Aufgrund der Anforderungen der SFDR-Stufe 2 für Artikel-9- und Artikel-8.5-Produkte bezüglich der Jahresberichte, die nach dem 1. Januar 2023 veröffentlicht werden, wird die derzeit niedrige Anzahl an berichtenden Fonds im Laufe des Jahres 2023 steigen. Zum Stichtag 15. März 2023 haben lediglich 8% aller Fonds ihren Anteil an nachhaltigen Investitionen berichtet. Auf einen Anstieg deutet auch die bereits gestiegene Zahl der Fonds hin, die ihre nachhaltige Investitionsquote in den vorvertraglichen Unterlagen offenlegen. Diese verstärkte Offenlegung kann zwar zu unterschiedlichen Gesamtanteilen der Nachhaltigkeit führen, wird aber die Transparenz auf dem Markt für nachhaltige Finanzprodukte erhöhen.

Genauigkeit der Klassifizierung

Bei den Artikel 8-Fonds zeigt der Bericht einen besonders starken Anstieg der Zahl der Fonds, die ihren Anteil an nachhaltigen Anlagen zwischen Dezember 2022 und März 2023 offenlegen. Gleichzeitig erreichte die Zahl der meldenden Artikel-9-Fonds aufgrund einer großen Anzahl von Herabstufungen Anfang 2023 im März 2023 ihren niedrigsten Stand. Was den durchschnittlichen gemeldeten Anteil nachhaltiger Anlagen innerhalb dieser Klassen betrifft, so blieb das Niveau für die Klasse der Artikel-8-Fonds relativ konstant zwischen 37 % und 39 %, während es für die Gruppe der Artikel-9-Fonds von etwa 40 % im Jahr 2022 auf 84 % im März 2023 stieg. Infolgedessen haben die Artikel-9-Fonds seit Anfang 2023 einen deutlich höheren Anteil an nachhaltigen Anlagen gemeldet als die Artikel-8-Fonds.

Um die Auswirkungen dieser Ergebnisse zu verstehen, müssen wir das regulatorische Umfeld während dieses Zeitraums betrachten. Die Anforderungen im Rahmen der SFDR unterliegen einer laufenden Überwachung und Bewertung durch die Regulierungsbehörden, die bei Bedarf zu Klarstellungen und Änderungen der Verordnung führen kann. Zu diesen Maßnahmen gehörten in jüngster Zeit Klarstellungen der EU-Aufsichtsbehörden zur SFDR, die im Juni 2022 veröffentlicht wurden und unter anderem besagen, dass Produkte mit einem nachhaltigen Anlageziel (Artikel-9-Produkte) nur nachhaltige Anlagen tätigen sollten. Am wichtigsten ist jedoch, dass die SFDR-Stufe 2 seit dem 1. Januar 2023 anwendbar sind und den Inhalt, die Methodik und die Darstellung der Offenlegung der SFDR auf Unternehmens- und Produktebene spezifizieren.

In Anbetracht unserer Ergebnisse, nämlich der jüngsten Herabstufungen von Artikel-9- zu Artikel-8-Fonds zusammen mit einem höheren Anteil nachhaltiger Anlagen in der Artikel-9-Klasse, können wir schlussfolgern, dass die jüngsten Ergänzungen und Klarstellungen der SFDR das Profil der SFDR-Klassifizierung tatsächlich geschärft und ihre Genauigkeit als Nachhaltigkeitsklassifizierung erhöht haben. Umgekehrt könnten die jüngsten von der Europäischen Kommission am 14. April 2023 veröffentlichten „Fragen und Antworten“, die eine flexiblere Auslegung des Begriffs „nachhaltige Anlagen“ beibehalten, zu weiteren Diskussionen über die Zuverlässigkeit des SFDR-Klassifizierungssystems und Greenwashing-Vorwürfe führen.

Taxonomie-Anpassung

Seit dem 1. Januar 2022 gelten bestimmte Elemente der Taxonomie-Verordnung, die sich auf den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel beziehen, für die in der SFDR festgelegten Offenlegungspflichten. Produkte gemäß Artikel 8, die ökologische Merkmale fördern, müssen die Anpassung an die Taxonomie-Verordnung offenlegen. Produkte nach Artikel 9, die nachhaltige Investitionen zum Ziel haben, müssen offenlegen, ob diese Investitionen in Aktivitäten getätigt werden, die mit der Taxonomie-Verordnung übereinstimmen.

Bis März 2023 wurde nur ein sehr kleiner Teil der gemeldeten Investitionen an der Taxonomieverordnung ausgerichtet. Im Jahr 2022 melden Artikel-8-Fonds im Durchschnitt einen Anteil von rund 1 % der an der Taxonomie ausgerichteten Investitionen, und dieser Anteil sank auf 0,35 % im März 2023. Dieser Anteil war bei den Artikel-9-Fonds mit 5 % im Jahr 2022 etwas höher und nahm im Laufe der Zeit zu, bis er im März 2023 9 % der an die Taxonomie angepassten Investitionen erreichte. Im Vergleich dazu lag der durchschnittliche Anteil ökologisch nachhaltiger Investitionen im März 2023 bei 26% für Artikel-8-Fonds und 49% für Artikel-9-Fonds.

Zum Zeitpunkt der Datenerhebung für diesen Bericht war die Taxonomie nur für zwei der sechs Umweltziele umgesetzt worden, nämlich für die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel. Darüber hinaus war sie nur für wirtschaftliche Aktivitäten in den Sektoren Energie, Fertigung, Verkehr und Bauwesen definiert worden, so dass ein großer Teil der gesamten Wirtschaftstätigkeit undefiniert blieb. In Anbetracht dieses sehr spezifischen Geltungsbereichs der EU-Taxonomie lässt der in diesem Bericht ermittelte Anteil der an die Taxonomie angepassten Investitionen im Rahmen der SFDR keine Rückschlüsse auf die tatsächliche ökologische Nachhaltigkeit der angebotenen Mittel zu. Es ist daher zu begrüßen, dass die Kommission am 13. Juni 2023 den delegierten Rechtsakt für den Umweltbereich im Grundsatz gebilligt hat, in dem die technischen Prüfkriterien der Taxonomie für die anderen vier nicht klimabezogenen Umweltziele festgelegt sind, das heißt die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie der Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme. Diese Änderungen werden ab dem 1. Januar 2024 gelten. Die Ausweitung des Geltungsbereichs der Taxonomie war ein notwendiger Schritt, um eine verlässliche Definition von ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten und auf dieser Grundlage auch eine Definition von ökologisch nachhaltigen Fonds zu liefern.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im ersten Quartal 2023 viele Herabstufungen von Artikel-9- zu Artikel-8-Fonds erfolgten und seitdem Artikel-9-Fonds einen deutlich höheren Anteil an nachhaltigen Investitionen aufweisen als Artikel-8-Fonds. Dies spiegelt die regulatorischen Änderungen wider, die seit Januar 2023 Anwendung finden. Der Anteil der an der Taxonomie ausgerichteten Investitionen ist bei beiden Fondsklassen noch sehr gering. Wir stellen auch einen Anstieg der Zahl der Fonds fest, die ihre nachhaltigen Investitionsquoten melden, wobei 8 % aller betrachteten Fonds bis März 2023 Angaben gemacht haben. Da die Offenlegungen insgesamt noch an das neue regulatorische Umfeld angepasst werden, erwarten wir, dass sich die Offenlegungen in den nächsten Quartalen weiter verändern werden. Der vollständige Bericht ist als SAFE White Paper No. 94 auf Englisch erschienen und auf der Webseite des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE abrufbar.