Solvency II

Versicherer können mehr in den Green Deal investieren

Im Rahmen der Überarbeitung des Aufsichtsregimes Solvency II werden Versicherer in Zukunft bisher gebundenes Kapital freisetzen können. Dieses Kapital soll in europäische Unternehmen investiert werden, um ihnen die digitale und nachhaltige Transformation zu ermöglichen.

Versicherer können mehr in den Green Deal investieren

Versicherer können mehr in den Green Deal investieren

Solvency II Review ermöglicht bis zu 100 Mrd. Euro zusätzliche Investitionen – Neue Regeln für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken

Versicherer in der EU werden in Zukunft mehr Kapital langfristig investieren können. Außerdem werden kleinere Versicherer durch Einführung des Proportionalitätsgrundsatzes entlastet. Darauf haben sich EU-Parlament, Kommission und Rat im sogenannten Trilog bei der Überarbeitung von Solvency II vorläufig geeinigt.

tl Frankfurt

Am Ende eines knapp dreijährigen Überprüfungsprozesses haben sich das EU-Parlament, die Kommission und der Rat über die inhaltliche Überarbeitung der Rahmenrichtlinie über das Versicherungsaufsichtsrecht Solvency II vorläufig geeinigt. Wichtigstes Ergebnis ist die Freisetzung bisher von den Versicherern in Form von Rückstellungen zu haltenden Kapitals für langfristige Investitionen, wie die EU-Kommission in einer Stellungnahme schreibt.

Hoffen auf hohe Summen

Um welche Beträge es sich dabei handelt, ist nicht ganz klar. Während Markus Ferber, Berichterstatter des EU-Parlaments, einen zweistelligen Milliardenbetrag nennt, verweist das EU-Parlament auf Schätzungen, nach denen die Assekuranz zusätzliche 100 Mrd. Euro investieren könnte. Wohin das Geld aus Sicht der Verhandlungspartner fließen soll, ist allerdings schon klar: vor allem in die Finanzierung der digitalen und grünen Transformation der europäischen Wirtschaft. Diese langfristigen Anlagen sollen den Versicherten zugute kommen, aber auch die Resilienz und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken.

Knallharter Wettbewerb

„Europäische Versicherer befinden sich in einem knallharten internationalen Konkurrenzkampf mit Unternehmen aus Drittstaaten", sagt Ferber. "Die Überarbeitung von Solvency II wird die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Versicherungsunternehmen massiv verbessern.“ Ermöglicht wird die Kapitalfreisetzung durch die Herabsetzung des Kapitalisierungssatzes, der die Reservenhöhe bestimmt, von 6% auf 4,75%, schreibt das EU-Parlament.

Die deutschen Versicherer begrüßen die weitere Integration des Themas Nachhaltigkeit in das Aufsichtssystem Solvency II und befürworten die Klarstellungen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken. „Wir Versicherer sehen die Risiken aus dem Klimawandel deutlich", lässt sich Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV, zitieren. "Es ist daher richtig, dass diese Perspektive auch in Solvency II verankert wird." In der Stellungnahme des EU-Parlaments heißt es allgemein, es werde für die Versicherer neue Regeln für die bessere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken geben. Außerdem müssten die Versicherer ihre Kunden auch verstärkt über diese Risiken informieren.

Starke Solvenzlage bleibt

Zufrieden zeigt sich Asmussen auch, dass Zinsänderungsrisiken in der Einigung "noch stärker berücksichtigt (werden), insbesondere die Risiken negativer Zinsen". Mit dem Review bleibe die starke Solvenzlage der deutschen Versicherer bestehen. Allerdings stehe die Festlegung wichtiger technischer Parameter noch aus. Diese muss die europäische Aufsicht EIOPA noch mit der Überarbeitung der delegierten Rechtsakte bestimmen. Zuvor müssen der Europäische Rat und das Plenum des EU-Parlaments der Trilog-Einigung zustimmen.

Erleichterungen für kleinere Versicherer

Als wichtige und seit langem gerade in Deutschland geforderte Errungenschaft gilt die Einführung des Proportionalitätsansatzes. Durch ihn können kleinere und wenig komplexe Versicherer eine Vielzahl von Vereinfachungen automatisch in Anspruch nehmen. "Die Intensität der Aufsicht muss sich am Risikoprofil des beaufsichtigten Unternehmens orientieren", stellt EU-Parlamentarier Ferber fest. "Wir brauchen maßgeschneiderte Lösungen, keine ‚One size fits all‘-Aufsicht.“ Das Bankenaufsichtsrecht könne als Vorbild dienen.

Allerdings ist noch offen, wer von den Erleichterungen profitieren wird. „Die vereinbarten Anwendungskriterien sind zum Teil sehr restriktiv, hier wäre ein größerer Anwenderkreis besser gewesen", merkt Asmussen an. "Es wird maßgeblich von der praktischen Umsetzung der Aufsichtsbehörden abhängen, ob kleine Versicherer wirklich von der neuen Regel profitieren werden.“

Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie kommt

Auch bei der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen (IRRD) gab es eine Trilog-Einigung. Zukünftig wird es nationale Abwicklungsbehörden oder Abwicklungsabteilungen in bestehenden Aufsichtsbehörden geben, die frühzeitig bei in Schwierigkeiten geratenen Versicherern eingreifen sollen. Außerdem müssen Sanierungs- und Abwicklungspläne erstellt werden. Der Versicherungsverband Insurance Europe ist aber skeptisch, ob angesichts der bereits bestehenden Regulierung eine solche Richtlinie überhaupt notwendig ist. Der GDV heftet sich auf die Fahnen, dass er die "friktionslose" Integration der deutschen Sicherungseinrichtungen Protektor und Medicator in die neuen Regularien erreichen konnte.

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