Regulierung

EU passt Finanzmarktrichtlinie an

Knapp sieben Monate nachdem die EU-Kommission am 24. Juli 2020 einen Vorschlag für Anpassungen der europäischen Finanzmarktrichtlinie (Mifid II Quick Fix) als Teil des Maßnahmenpakets für die Erholung der Kapitalmärkte von den Folgen der...

EU passt Finanzmarktrichtlinie an

Von Jochen Seitz *)

Knapp sieben Monate nachdem die EU-Kommission am 24. Juli 2020 einen Vorschlag für Anpassungen der europäischen Finanzmarktrichtlinie (Mifid II Quick Fix) als Teil des Maßnahmenpakets für die Erholung der Kapitalmärkte von den Folgen der Covid-19-Krise veröffentlicht hat, steht der Mifid II Quick Fix nun vor seiner Verabschiedung: Am 9. Dezember 2020 hatten die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat in den sogenannten Trilog-Verhandlungen eine Einigung erzielt und die EU-Botschafterinnen und -Botschafter haben den Entwurf am 16. Dezember 2020 im Namen des Rats gebilligt. Eine finale Verabschiedung des Mifid II Quick Fix bedarf somit nur noch der – für Februar 2021 vorgesehenen – förmlichen Annahme durch das Parlament und den Rat. Die Abstimmung im EU-Parlament ist für kommenden Mittwoch angesetzt.

Zum Hintergrund: Die Europäische Kommission hatte zuvor im Februar 2020 turnusgemäß ein Konsultationsverfahren zum Mifid II/Mifir Review gestartet. Im Zuge des Mifid II Quick Fix wurde nun eine Reihe von Änderungen vorgezogen. Zuvor hatte es erhebliche Kritik an dem im Januar 2018 in Kraft getretenen Mifid-II/Mifir-Regelwerk gegeben. Die Kritik hatte sich insbesondere an dem unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand für Marktteilnehmer entzündet. Nicht zuletzt hatte auch das deutsche Bundesfinanzministerium in zwei Positionspapieren im August 2019 Änderungen im Bereich des Anlegerschutzes und zu Fragen der Marktstruktur gefordert. Der Mifid II Quick Fix beinhaltet – vor diesem Hintergrund längst überfällige – Erleichterungen sowohl im Hinblick auf bestehende Informations- und Organisationspflichten von Wertpapierfirmen als auch im Hinblick auf Anforderungen an den Handel mit Warenderivaten.

Diese Änderungen sollen der Belebung der Wirtschaft dienen, indem der bürokratische Aufwand für Marktteilnehmer abgebaut wird. Der EU-Gesetzgeber war dabei bestrebt, einen Ausgleich zwischen dem Anlegerschutz einerseits und möglichst niedrigen Compliance-Kosten für Wertpapierfirmen andererseits zu finden. Die Änderungen sind vor allem für professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien wie Versicherer, Pensionsfonds oder öffentliche Einrichtungen relevant, betreffen zum Teil aber auch Geschäfte mit Kleinanlegern.

Papierform entbehrlich

Erwähnenswert sind insbesondere die folgenden Punkte: In Anbetracht der fortgeschrittenen Digitalisierung wird künftig die schriftliche Papierform als bisherige Standardkommunikationsart fortan auf digitale, elektronische Kommunikation um­gestellt. Damit wird auch ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit geleistet. Kleinanleger erhalten aber die Wahlmöglichkeit, die Informationen weiterhin in Papierform zu erhalten.

Für die Praxis ebenfalls besonders relevant ist eine Ausnahme von Offenlegungspflichten bezüglich Kosten und Nebenkosten. Danach müssen Wertpapierfirmen geeigneten Gegenparteien und professionellen Kunden keine Informationen mehr bezüglich Kosten und Nebenkosten zur Verfügung stellen. Diese Ausnahme soll jedoch nicht im Fall einer Anlageberatung oder Portfolioverwaltung als Dienstleistungen gelten, denn in diesen Bereichen verfügen selbst professionelle Kunden nicht zwangsläufig über ausreichende Fachkenntnis.

Weitere Erleichterungen für Dienstleistungen gegenüber professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien sieht der Mifid II Quick Fix bei den Ex-post-Berichtspflichten vor. Zukünftig sind professionelle Kunden von der Verpflichtung der Wertpapierfirmen zur Bereitstellung von periodischen Serviceberichten im Anschluss an eine Transaktion ausgenommen. Dies greift ein, wenn professionelle Kunden keinen gegenteiligen Wunsch schriftlich oder in elektronischer Form äußern.

Ein weiterer Beitrag zur bürokratischen Entlastung im Rahmen des Mifid II Quick Fix ist die vorübergehende Aussetzung der Berichtspflicht zur Durchführungsqualität von Transaktionen im Rahmen der Best-Execution-Anforderungen. Diese Berichte sind nach Ansicht der Trilog-Parteien nicht geeignet, einen aussagekräftigen Vergleich zwischen Firmen und Ausführungsplätzen für die Anleger zu erbringen. Diese Erkenntnis ist bemerkenswert und belegt, dass der EU-Gesetzgeber im Jahr 2018 teilweise über das Ziel hinausgeschossen ist. Im Rahmen der umfangreicheren Mifid-II-Review wird die Kommission dann prüfen, ob die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Berichts dauerhaft gestrichen werden sollte oder ob die Berichte in überarbeiteter Form wieder eingeführt werden.

Besonders umstritten im Gesetzgebungsverfahren war die künftig geltende Befreiung von bestimmten Anleihen von den Product-Governance-Anforderungen. Während die Kommission die Befreiung nur für Anleihen mit einer sog. „Make-whole“-Klausel vorsah, sind nach der Trilog-Fassung auch Finanzinstrumente ausgenommen, die nur gegenüber geeigneten Gegenparteien vertrieben werden. Damit wurde die Forderung von Marktteilnehmern nach einer praktikableren Handhabung des Product-Governance-Regimes aufgegriffen und der Anwendungsbereich des Regimes deutlich beschränkt. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Änderung den Anreiz erhöhen wird, Anleihen nur bei institutionellen Investoren zu platzieren, die in aller Regel als geeignete Gegenparteien einzuordnen sind. Diese Entwicklung hätte den negativen Effekt, dass noch weniger Anleihen für Investitionen seitens der Kleinanleger zur Verfügung stehen. Diese Tendenz kann so kaum vom EU-Gesetzgeber beabsichtigt sein.

Im Bereich der Warenmärkte schlägt die Kommission die Anpassung einer Reihe von Vorschriften vor. Es soll damit sichergestellt werden, dass das weitere Wachstum des Markts mit in Euro denominierten Warenderivaten nicht behindert wird. Dies ist vor allem für Energiederivate relevant.

Erfolg für Zertifikatebranche

Zu diesem Zweck wird u.a. die Geltung der Positionslimits auf landwirtschaftliche und solche Warenderivate beschränkt werden, die als signifikant oder kritisch eingestuft werden. Anders als noch von der Kommission vorgesehen, wird in der Trilog-Fassung bereits in der Richtlinie selbst festgelegt, welche Warenderivate als signifikant und kritisch einzustufen sind. Es wird damit der Spielraum von ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) und der Kommission bei den sog. Level-2-Bestimmungen eingeschränkt. Außerdem werden Ausnahmen für bestimmte gruppeninterne Geschäfte, Absicherungsgeschäfte und Geschäfte eingeführt, die dazu dienen, Liquidität an Handelsplätzen zur Verfügung zu stellen. Dies wurde im Trilog, wie von der Kommission vorgeschlagen, übernommen.

Übernommen wurde aus dem Kommissionsvorschlag auch die Befreiung von verbrieften Warenderivaten von den Regelungen zu Positionslimits. In der Praxis wurde die Anwendbarkeit durch eine Begrenzung der Stückzahl ohnehin vermieden. Nun wird ausdrücklich an­erkannt, dass verbriefte Derivate Besonderheiten aufweisen und mit anderen OTC-Derivaten nicht gleichgesetzt werden können. Dazu zählt unter anderem, dass sie bei einem Zentralverwahrer hinterlegt sind und regelmäßig eine höhere Anzahl von Instrumenten emittiert wird. Dies ist ein wichtiger Erfolg für die Zertifikate-Industrie und kann für ähnliche Differenzierungen in anderen Regelwerken zukünftig beispielhaft sein.

Fazit: Es ist bemerkenswert, in welcher kurzen Zeit im Rahmen des Mifid II Quick Fix eine Einigung zu Änderungen erzielt wurde. Der Mifid II Quick Fix ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es bleibt aber zu hoffen, dass die Kommission im Rahmen der Mifid II Review noch weitere Anpassungen vornimmt. Themen wie die Vereinheitlichung der Kostendarstellung zwischen Mifid- und Priips-Verordnung oder eine höhere Flexibilität bei den Kundenkategorien hatte die Kommission bislang nicht angefasst. Nach derzeitigem Stand ist geplant, dass die Kommission einen Entwurf für Änderungen im vierten Quartal 2021 veröffentlicht. Das Thema Mifid II bleibt also für absehbare Zeit auf der politischen Agenda.

*) Dr. Jochen Seitz ist Partner von Hogan Lovells in Frankfurt.