Euro

Euro-Stärke geht langsam der Treibstoff aus

Im vergangenen Jahr legte der Euro speziell gegenüber dem Dollar am Devisenmarkt eine beeindruckende Wertentwicklung hin. Der Kurs der Gemeinschaftswährung kletterte von Werten leicht unter 1,07 Dollar im März 2020 auf mehr als 1,23 Dollar zu...

Euro-Stärke geht langsam der Treibstoff aus

Von Dirk Chlench und

Thomas Meißner*)

Im vergangenen Jahr legte der Euro speziell gegenüber dem Dollar am Devisenmarkt eine beeindruckende Wertentwicklung hin. Der Kurs der Gemeinschaftswährung kletterte von Werten leicht unter 1,07 Dollar im März 2020 auf mehr als 1,23 Dollar zu Jahresende 2020. Hierfür dürften vier Faktoren hauptursächlich gewesen sein. Zum Ersten senkte die US-Notenbank ihren Hauptleitzins im Zuge der Corona-Pandemie erheblich stärker, als dies auf dieser Seite des Atlantiks der EZB möglich war. Zweitens erhielt der Euro-Kurs durch eine fortschreitende EU-Integration Rückenwind. Hier ist insbesondere die im Mai 2020 zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron im Grundsatz erfolgte Einigung auf einen EU-Wiederaufbaufonds zu nennen.

Gefahr zurückgegangen

Zum Dritten dürfte durch die Wahl des Demokraten Joe Biden zum 46. US-Präsidenten im November 2020 die Gefahr einer Eskalation vieler geopolitischer Konflikte zurückgegangen sein. Die erste außenpolitische Rede Bidens als neugewählter US-Präsident bestätigte diese Auffassung. Insbesondere sein Ausruf „Diplomacy is back“ bleibt in Erinnerung. Vor diesem Hintergrund stieg die Risikofreude am Finanzmarkt im Verlauf des vergangenen Jahres weiter an. Dies kam speziell auch dem Euro zugute. Viertens schließlich einigten sich die Europäische Union und das Vereinigte Königreich gegen Jahresende in sprichwörtlich letzter Minute auf einen Freihandelsvertrag. Damit blieben für beide Verhandlungspartner die wirtschaftlichen Nachteile eines No Deal aus.

In den vergangenen Wochen nun haben die genannten Argumente dem Euro kaum noch Auftrieb gegeben. Die Aufwärtsbewegung des Euro gegenüber dem Dollar ist zum Jahreswechsel 2020/21 ausgelaufen. An dieser Stelle dürfte eine zu beobachtende Ausweitung des Renditevorsprungs langlaufender US-Staatsanleihen gegenüber deren Pendants aus Deutschland eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Unterschiedliche Perspektive

Die Entwicklung der Renditedifferenz dürfte auf unterschiedliche Wachstumsperspektiven dies- und jenseits des Atlantiks zurückzuführen sein. Im abgelaufenen Jahr ist die US-Wirtschaftsleistung zwar mit einer Rate von 3,5% gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. Damit sind die Vereinigten Staaten aber trotz eines chaotischen Corona-Managements in wirtschaftlicher Hinsicht deutlich besser durch die Pandemie gekommen als der Euroraum. Nach unserer Prognose wird die Wirtschaftsleistung der Vereinigten Staaten im laufenden Jahr mit einer Rate von 5,5% zulegen und damit den Euroraum erneut hinter sich lassen. Die US-Einzelhandelsumsätze schnellten im Januar 2021 um 5,3% gegenüber dem Vormonat empor und über­trafen damit die Erwartungen um Längen.

Prognose angehoben

Angesichts dessen haben wir unsere US-Wachstumsprognose für das erste Quartal 2021 auf rund 8% angehoben. Dieses starke Wachstum im ersten Quartal 2021 sollte schon die halbe Miete sein, um unsere Prognose für das Gesamtjahr 2021 in Höhe von, wie gesagt, 5,5% zu erreichen. Diese bessere Wachstumsperspektive ist zu einem Gutteil auf eine absehbar sehr expansive US-Fiskalpolitik zurückzuführen. Der US-Kongress hat am 21. Dezember 2020 ein zweites coronabedingtes Fiskalprogramm verabschiedet. Dessen Volumen beläuft sich auf 900 Mrd. Dollar. Die Tinte der Unterschrift unter dem Gesetz war noch nicht trocken, da brachte der frisch gewählte US-Präsident Biden ein drittes derartiges Programm auf den Weg. Dieses soll ein Volumen von 1,9 Bill. Dollar haben. Zur Illustration: Die gesamte Wirtschaftsleistung Spaniens belief sich im Jahr 2020 auf rund 1,2 Bill. Dollar.

Trotz alledem werden die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen nach unserer Prognose von ihren aktuell erreichten Niveaus im weiteren Jahresverlauf kaum weiter ansteigen. Auch sollte deren Renditevorsprung gegenüber gleich lang laufenden Bunds nahezu unverändert bleiben. Die Kurse von US-Staats­anleihen dürften die absehbare Aufhellung der US-Konjunktur bereits jetzt weitgehend vorweggenommen haben. Zudem steht angesichts entsprechender Verlautbarungen von Verantwortlichen der US-Notenbank nicht zu erwarten, dass diese im laufenden Jahr das Volumen ihrer Käufe von Staatsanleihen herunterfahren wird. Diese Käufe dürften 2021 nicht unter die Marke von 80 Mrd. Dollar pro Monat fallen. Hierdurch sind einem weiteren Anstieg der US-Renditen enge Grenzen ge­setzt.

Fundamental unterbewertet

Aktuell befindet sich das Austauschverhältnis zwischen Euro und US-Dollar im „Niemandsland“. Zwar ist die Gemeinschaftswährung nach unseren Berechnungen zur sogenannten Kaufkraftparität fundamental weiter unterbewertet. Zwiespältig ist die derzeit zu beobachtende Positionierung der professionellen Investorinnen und Investoren am Devisenmarkt zu interpretieren.

Zu eindeutig erscheint die Ausrichtung pro Euro: in der Vergangenheit oft ein Kontraindikator. Für den weiteren Verlauf dieses Jahres erwarten wir per saldo eine Seitwärtsbewegung bei Euro/Dollar. Weit über 1,23 Dollar sollte es für den Euro nicht hinausgehen. Wie 2020 könnte das Jahr 2021 für den Euro einen neuen Trend mit sich bringen.

*) Dirk Chlench ist Senior Economist und Thomas Meißner leitet die Abteilung Strategy Research bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).