Wenn Firmen beim M&A-Prozess parshippen
Das Mitte 2018 gegründete Start-up Dealcircle agiert im M&A-Prozess als eine Art Bindeglied zwischen Käuferpartei und Verkaufsberater. Was das genau bedeutet und dass Technologie nur ein Faktor im Dienstleistungsangebot des Hamburger Fintechs ist, erläutern die Gründer und Managing Partner Graig Gröbli und Kai Hesselmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.Franz Công Bùi, FrankfurtAuch bei Hochzeiten zwischen Unternehmen bedarf es manchmal eines Kupplers, der den Matchmaking-Prozess in Gang bringt, ebnet oder beschleunigt. Und so ähnlich wie handelsübliche Dating-Plattformen für Singles auf der Suche nach dem Partner fürs Leben agiert das Mitte 2018 gegründete Start-up Dealcircle im M&A-Prozess zwischen Käuferpartei und Verkaufsberater als eine Art Bindeglied, das dabei hilft, eine langfristige, fruchtbare Verbindung anzubahnen.Zielgruppe sind, wie die Gründer und Managing Partner Graig Gröbli und Kai Hesselmann im Gespräch mit der Börsen-Zeitung darlegen, einerseits M&A-Berater, die ein Sellside-Projekt haben und auf der Suche nach weiteren Käufern sind. Und andererseits sind es potenzielle Käufer aller Gruppen, also regionale kleine bis hin zu großen Mittelständlern sowie auch Großkonzerne mit Corporate-M&A-Abteilungen und Finanzinvestoren jeglicher Couleur, also Private Equity, Direktbeteiligungsgesellschaften, Family Offices oder Venture-Capital-Firmen. Longlist vom AlgorithmusDie Dealcircle-Kunden entstammen vornehmlich dem Small- und Mid-Cap-Bereich. Auf der Webseite finden sich 50 Referenzkunden, darunter Häuser wie BDO, BNP Paribas, Livingstone oder PwC. Die Dienstleistung von Dealcircle umfasst die Suche, Identifikation und Ansprache von Übernahmekandidaten oder auch Übernehmenden.So käme Gröbli zufolge etwa ein Verkaufsberater mit einem anonymisierten Teaser bezüglich eines Unternehmens, das zum Verkauf steht, auf Dealcircle zu. Und dann beginne die Identifikation relevanter potenzieller Käufer hierfür, indem die eigens für das Start-up programmierten Matching-Algorithmen konsultiert werden, die eine proprietäre Käufer-Datenbank durchgehen. Diese Datenbank umfasst mehr als 110 000 strategische Käufer und Portfolio-Unternehmen von Investoren sowie über 5 000 Finanzinvestoren, Family Offices und Investment-Holdings und etwa 1 000 M&A-Berater.Die Algorithmen liefern dann eine Longlist, die gewichtete Matchings beinhalte, ergänzt Hesselmann. Diese automatisch generierte Liste werde anschließend von Mitarbeitern „zu 100 % auf Herz und Nieren“ geprüft. Dealcircle zähle mittlerweile 18 Mitarbeiter, die die Ergebnisse der Algorithmen durchgehen und entscheiden, welche Treffer der Longlist auf die Shortlist für den Berater gesetzt werden sollen. Von einer Liste mit vielleicht 300 Namen blieben dann etwa 40 bis 50 Kandidaten übrig, die der M&A-Berater erhält. Shortlist von den MitarbeiternDanach entscheide der Berater, welche der Parteien auf der Shortlist zum Projekt passen und angesprochen werden dürfen. Im Regelfall gebe er dann auch einen Vorschlag für die Ansprache per E-Mail frei. „Sobald diese Freigabe erfolgt ist, kontaktiert Dealcircle für den anonym gehaltenen Auftraggeber die freigegebenen potenziellen Käufer. Und bei Interesse der angesprochenen Kandidaten für das Projekt wird der Kontakt zwischen Kaufinteressenten und M&A-Berater hergestellt“, führt Gröbli aus und betont, dass Dealcircle dann aus dem Prozess raus seien. Es werde keine Buyside-Beratung für die vermittelten Käufer geleistet und vor allen Dingen „auch nicht in die Prozesse des M&A-Beraters hineingegrätscht“.Hesselmann erklärt, die Käufer-Datenbank sei über einen Big-Data-Ansatz ausgebaut worden. Darin würden verschiedenste am Markt befindliche Quellen, etwa Transaktionsdatenbanken wie Mergermarket oder die Majunke-Datenbank, und auch die eigenen proprietären Informationen hineinkonsolidiert. In Summe seien es knapp zehn Quellen. Hinzu kämen die registrierten Käufer auf der Website, die ihre Profilinformationen auf der geschlossenen Plattform nur für verifizierte Käufer, Berater und Projekte hinterlassen.Doch mittlerweile seien die täglichen Ansprachen für die Projekte, die Dealcircle mitbegleiten darf, wichtigster Datenlieferant für die Suchmandatsdatenbank. Denn es würden pro Woche im Schnitt konservativ geschätzt sechs Ansprachen gestartet, oft seien es auch acht oder zehn Ansprachen, also für je acht oder zehn Unternehmensverkäufe. Hohe RückmeldungsquoteDurchschnittlich würden dabei jeweils etwa 50 Interessenten angesprochen, pro Woche also ungefähr 300 potenzielle Interessenten. Dabei käme es zu einer relativ hohen Rückmeldungsquote von gut 70 %. So würde Dealcircle pro Woche bei etwas mehr als 200 potenziellen Käufern eine Rückmeldung erhalten, ob das Projekt interessant ist oder nicht interessant ist. Dabei seien gerade auch diejenigen, die an dem konkret vorliegenden Projekt kein Interesse haben, ganz wichtig, denn auch mit einer Absage würden oft qualifizierte Informationen einhergehen, weil diese Käufer die Gelegenheit nutzen würden, ihre spezifischen Anliegen zu skizzieren, wie Hesselmann exemplifiziert: „Wir suchen gerade nichts im Bereich Maschinenbau, sondern etwas im Bereich Sensorik. Und wir suchen das idealerweise in Hessen und mit einer Umsatzgröße von zehn bis 20 Mill. Euro.“ Und all diese Informationen flössen dann in die Datenbank hinein, „sodass wir da recht runde und aufgeladene Käuferprofile haben mit einem relativ hohen Informationsgrad“.Und diese Käuferprofile aus der Datenbank würden dann für andere Matching-Prozesse genutzt. Die Datenbank fülle sich quasi mit jeder Anfrage selbst, und so könne über diesen Big-Data-Ansatz losgelöst von dem echten Mitgliedernetzwerk für die Beraterseite ein möglichst großes Käuferuniversum abgedeckt werden. Finale menschliche PrüfungGröbli zufolge hätten sie die zugrunde liegenden Algorithmen von einer Agentur entwickeln lassen, die ihnen von einem Bekannten, der einer der Gründer von Parship und Ex-CEO von Elite Partners ist, empfohlen wurde. Diese zwei Partnersuche-Plattformen hätten bekanntlich gute Matching-Algorithmen. Die für Dealcircle zum Einsatz kommenden Algorithmen seien aber Eigentum des in Hamburg ansässigen Fintechs. Die Entwickler der Agentur seien wie in einem „Body-Leasing“-Modell zu 100 % für Dealcircle tätig.Die Dealcircle-Gründer unterstreichen jedoch, dass die Informationen, die an die Auftraggeber weitergegeben werden, nicht nur auf Knopfdruck aus der Datenbank oder dem Algorithmus heraus kämen. Eine manuelle Qualitätskontrolle sei zwingend, damit auf der Liste auch wirklich nur die Kandidaten sind, die dorthin gehören, betont Gröbli: „Unser Ansatz ist tech-enabled. Wir nutzen eine große Datenbank mit einer hohen Informationsdichte, um die Käuferidentifikation zu machen. Eine finale menschliche Prüfung muss trotzdem noch gemacht werden. Denn die negativen Auswirkungen, wenn falsche Parteien angesprochen werden, sind ungleich höher, als wenn bei Parship mal ein unpassender zukünftiger Lebenspartner vorgeschlagen wird."Dealcircle definieren sich auch als "Deal Flow Origination Partner“, was aus Sicht der Gründer genauso wertvoll ist wie die Unterstützung für die M&A-Berater. Denn einerseits ermöglichten sie höhere Abschlussquoten durch die Käufer, die sie mit an Bord bringen. Und andererseits würden sie in ebenso großem Ausmaß die Käufer unterstützen, die auf der Suche nach relevantem Deal Flow sind. Für M&A-Berater kostenlosFür die Käuferseite sei das Start-up eine Art Multiplikator, denn in der Datenbank würde der Deal Flow von über 250 M&A-Beratern gesammelt und dabei laufend überprüft, welche Kandidaten, die die M&A-Berater nicht auf ihren Listen hatten, gleichwohl strategisch sinnvoll sein könnten. Und Dealcircle stelle sicher, dass diese Käufer, die relevant, aber noch nicht angesprochen worden sind, Zugang zu einem relevanten Deal Flow erhalten.Was das Geschäftsmodell angeht, sei die Unterstützung für M&A-Berater zu 100 % kostenlos, anders als sonst im Markt üblich. Da werde normalerweise eine Provision vom M&A-Berater erhoben. Doch Dealcircle stelle die Shortlist zur Verfügung und mache die Ansprache für die M&A-Berater, ohne einen Euro zu fordern, auch im Erfolgsfall, unterstreicht Gröbli. Break-even nach einem JahrDealcircle werde ausschließlich von Käuferseite honoriert, und das nur, wenn tatsächlich ein Closing stattfindet. Das heißt, es gebe auch für die Käufer keine Upfront-Gebühren oder ein Abonnement. Nur in dem Fall, dass Dealcircle einen Deal vorgestellt hat, der zu einem Abschluss gekommen ist, wird eine „kleine“ Vermittlungsgebühr fällig. Für den M&A-Berater sei es eine kostenlose Unterstützung, bei der er hundertprozentige Kontrolle habe, denn er gebe jede angesprochene Partei und auch den Text der jeweiligen Anfrage frei.Den Gründern zufolge wurde mit diesem Geschäftsmodell der Break-even nach einem Jahr erreicht, und seit dem ersten Jahr finanziere sich das Start-up aus dem Cash-flow heraus. Die Anteile lägen ausschließlich bei den Gründern. Vor der Dealcircle-Gründung seien beide als Partner in einem Private-Equity-Fonds tätig gewesen. Und sie erklären mit einem Augenzwinkern: „Durch einen sparsamen Lebensstil hatten wir genug Reserven, um vornehmlich die IT-Entwicklung vorzufinanzieren. Und auch wenn das schon beträchtliche Summen gewesen sind und wir uns anfänglich kein Gehalt ausgezahlt haben, hat es gereicht, um sehr schnell ein Produkt zu entwickeln, das die Marktbedürfnisse gut abdecken kann."Dieses Produkt habe anfangs noch nicht die höchste technologische Ausreifungsstufe gehabt, sei aber nach und nach optimiert worden. Bei den ersten Wachstumsschritten sei genau darauf geachtet worden, wann in welche Richtung investiert wird. Und es seien sicher "ein bisschen spitzere Rechnungen erforderlich gewesen, als das für VC-finanzierte Start-ups nötig ist“. Rückblickend sei die Entscheidung absolut richtig gewesen, etwas langsamer, aber rein eigenfinanziert zu wachsen. Das habe sich relativ schnell innerhalb des ersten Jahres ausgezahlt, als die ersten nennenswerten Umsätze reingekommen sind.Derzeit befände sich Dealcircle nicht auf der Suche nach Investoren für etwaige Expansionsschritte. Die absehbar erforderlichen Investitionen könnten aus dem eigenen Cash-flow gestemmt werden. Das könne aber möglicherweise anders aussehen, wenn sie in zwei Jahren vielleicht eine Expansion in mehrere andere Länder anstreben würden. Expansion aus dem Cash-flowDas sei am Horizont irgendwann angedacht, aber einen festen Plan gebe es aktuell nicht. Das Produkt sei aber international ausrollbar, und auch in angrenzenden europäischen Ländern sei der M&A-Markt ähnlich fragmentiert strukturiert wie in Deutschland. Interessant wären sicherlich Frankreich oder Norditalien. Der Markt in Großbritannien ticke hingegen ein bisschen anders. Doch auch da gebe es einen großen Bedarf. Diese Märkte seien sicherlich interessant und würden irgendwann angegangen, doch die Frage des Zeitpunkts sei entscheidend.Von einem Börsengang sei man indes noch viele, viele Meilen entfernt. Der Beirat, der als externer Sparringspartner fungiert und u. a. aus Vertretern der M&A- oder VC-Branche wie etwa Moritz Freiherr Schenck, Geschäftsführer bei Deloitte Corporate Finance, Jochen Maaß, Gründer und Geschäftsführer von Hanse Ventures, oder Matthias Storch, Vorstand der Good Brands AG, besteht, habe davon abgeraten, Anteile zu verkaufen, denn die unternehmerische Freiheit, die heute bestehe, solle auf keinen Fall schon aufgegeben werden, solange das Wachstum auch so gut funktioniert.