Zinssenkung bleibt Option für EZB
11. September
Zinssenkung bleibt Option
Die EZB steuert auf eine Verlängerung der Zinspause im September zu. Die große Frage ist, ob die Notenbank bis zum Jahresende noch einmal lockert. Im EZB-Rat gehen die Meinungen auseinander. Neue Impulse für die Diskussion setzen die Projektionen, die die Notenbank am Donnerstag veröffentlicht.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
In der EZB dominiert derzeit die Sorge vor einer mittelfristig zu niedrigen Inflation die Sorge vor einer zu hohen. Dennoch wird die Notenbank am Donnerstag aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Zinspause verlängern und den für die Geldpolitik relevanten Einlagensatz bei 2,0% belassen.
Damit würden sich die Notenbanker Zeit erkaufen, um die Effekte der US-Zölle auf die Euro-Inflation besser einschätzen zu können. Hier gehen die Meinungen innerhalb des EZB-Rats weit auseinander. Für den finnischen Notenbankpräsidenten Olli Rehn etwa sind „die inflationären Effekte der Zölle unerheblich“, sagte er im Interview der Börsen-Zeitung. Die deflationären Effekte durch weniger wirtschaftliche Aktivität im Euroraum durch die Zölle seien viel größer.
Dissens in der EZB
Gänzlich anders sieht es EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Der Handelskonflikt mit den USA könnte auch ohne Gegenzölle unter dem Strich die Inflation erhöhen, urteilt sie. So könnten die US-Zölle die Inputpreise für Zulieferungen weltweit erhöhen, was zu einem höheren Inflationsdruck auch in der Eurozone führen würde.
Schnabel sieht derzeit keinen Grund für eine Zinssenkung der EZB. Die Notenbank sollte nur dann ihre Leitzinsen anpassen, wenn mit erheblichen und anhaltenden Abweichungen vom Inflationsziel oder mit destabilisierten Inflationserwartungen der Verbraucher und Unternehmen zu rechnen ist.
Neue Projektionen der EZB
Hier kommt den Projektionen der EZB zu Inflation und Wirtschaftswachstum eine besondere Bedeutung zu. Die Ratsmitglieder betonen immer wieder, wie bedeutend diese Vorhersagen für die Kalibrierung der Geldpolitik sind. Am 11. September veröffentlicht die Notenbank aktualisierte Projektionen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde deutete bereits an, dass sie mit keinen umfangreichen Anpassungen wegen der Zölle rechnet. Der Durchschnittszollsatz für EU-Exporte in die USA liege nur etwas oberhalb der Annahmen, die dem Basisszenario der Juni-Projektionen zugrunde liegen.
Dies spricht gegen eine Zinssenkung im September, ebenso wie die jüngsten Inflationsdaten. Im August ist die Inflation nach einer Schnellschätzung von Eurostat überraschend von 2,0 auf 2,1% gestiegen. Die Kernrate als Indikator für den Inflationstrend verharrte entgegen den Erwartungen bei 2,3%.
Notenbank im Bann der Zölle
Für viele Ratsmitglieder ist die Gefahr einer über längere Zeit zu niedrigen Inflation dennoch nicht gebannt. Eine Zinssenkung um 25 Basispunkte bis Dezember bleibt damit auf dem Tisch. Ob es dazu tatsächlich kommt, wird viel von den weiteren Entwicklungen im Handelskonflikt mit den USA abhängen und wie sich diese tatsächlich auf die ökonomischen Daten auswirken werden. Von größerer Relevanz ist auch die Entwicklung der lange Zeit sehr hohen Dienstleistungsinflation. Zuletzt gab sie wie von der EZB prognostiziert spürbar nach.