Mode

Gedrückte Stimmung in Italiens Modebranche

Bis 1. März ist Fashion Week in Mailand. Das bedeutet 61 Modeschauen und 57 Präsentationen der Damenmode 2021/2022. Coronabedingt gibt es nur knapp ein Dutzend Präsenzveranstaltungen.

Gedrückte Stimmung in Italiens Modebranche

bl Mailand

Bis 1. März ist Fashion Week in Mailand. Das bedeutet 61 Modeschauen und 57 Präsentationen der Damenmode 2021/2022. Coronabedingt gibt es nur knapp ein Dutzend Präsenzveranstaltungen. Die Stimmung ist gedrückt: Der Branchenverband Federazione Moda Italia rechnet damit, dass 20000 der 115000 Modegeschäfte im Land mit 50000 Beschäftigten aufgeben werden. Vor allem die vermögenden Touristen aus China, den USA und den arabischen Ländern, die sonst viel Geld in Italiens Boutiquen lassen, fehlen.

Nach einem Umsatzrückgang von 26% auf nur noch 72,5 Mrd. Euro im vergangenen Jahr hat auch 2021 schlecht begonnen für die Modeindustrie des Bel Paese: Um 18% sind die Erlöse im bisherigen Jahresverlauf gesunken. Mit einer Erholung rechnet die Branche, die in Italien rund 600000 Beschäftigte hat, frühestens im zweiten Halbjahr. In vielen Ländern, vor allem in Europa, sind die Bekleidungsgeschäfte weiter zu. Nur China, wo die Nachfrage groß ist, und das boomende Online-Geschäft sorgen für einen teilweisen Ausgleich. Carlo Capasa von der nationalen Modekammer hofft im Gesamtjahr auf ein Umsatzplus von 6 bis 15%. Erst 2023 werde wohl wieder das Niveau des Jahres 2019 erreicht.

Die Modebranche ist Italiens zweitwichtigster Industriesektor und steht für 2,3% des Bruttoinlandsprodukts. Die Exportquote liegt bei etwa 70%, der Handelsbilanzüberschuss lag selbst im Krisenjahr 2020 noch bei 17,4 Mrd. Euro. Nach einer gerade veröffentlichten Studie der Mediobanca zählt das Land 177 Modeunternehmen, die mehr als 100 Mill. Euro im Jahr umsetzen. Einige, etwa Tod’s, Brunello Cuccinelli, Prada, Geox oder Moncler, sind börsennotiert. 71 davon werden von ausländischen Eignern kontrolliert, und Prada als größtes selbständiges italienisches Unternehmen rangiert mit einem Umsatz von 3,2 Mrd. Euro gerade mal auf Platz 34 unter den Branchengrößen. Im Vergleich zu LVMH, die auf einen Umsatz von 53,7 Mrd. Euro kommt, oder Inditex-Zara (28,3 Mrd. Euro) sind die Italiener Zwerge.

Dabei ist Italiens Modebranche wesentlich größer als etwa die französische. Viele der kleinen und kleinsten Betriebe, oft eher Handwerker, fertigen etwa in Venetien Schuhe für bekannte französische Marken. Und wo Frankreich draufsteht, ist oft viel Italien drin: LVMH hat etwa Loro Piana, den Schmuckhersteller Bulgari, Emilio Pucci und Fendi erworben. Zu Kering gehören Gucci, Brioni, Pomellato und Bottega Veneta. Der Amerikaner Michael Kors hat Versace gekauft, Valentino und Pal Zileri sind arabisch.

Die Krise dürfte die Konsolidierung beschleunigen: Moncler hat gerade für 1,1 Mrd. Euro Stone Island erworben, die Kaufhauskette OVS Stefanel, und Renzo Rossi will seine Modeholding OTB (unter anderem Diesel und Maison Margiela) durch weitere Übernahmen stärken und will Jil Sander kaufen. Um auch den rund 55000 für das Gesamtsystem wichtigen Kleinstunternehmen mit ihren 300000 Mitarbeitern zu helfen, denkt etwa Gucci über einen temporären Einstieg bei solchen Unternehmen nach. Auch die mehrheitlich staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) plant Maßnahmen für den Sektor.

Viele Verkäufe erfolgen deshalb, weil die Gründergeneration keine geeigneten Nachfolger findet. Das muss nicht immer schlecht sein. Im Vertrauen auf einen weiter wachsenden Luxusmarkt hat etwa allein LVMH 2019 rund 200 Mill. Euro in den Ausbau neuer Produktionskapazitäten in Italien investiert und riesige neue Fabriken für die Töchter Bulgari oder Fendi errichtet.

Prada-Chef Patrizio Bertelli, dessen Familie 80% des Kapitals kontrolliert, steckt jährlich 100 Mill. Euro in den Bau neuer Produktionsstätten. Er will den Umsatz von 3,2 Mrd. Euro innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 5 Mrd. Euro steigern. Das Vertrauen in Italiens Modebranche und die Perspektiven des Marktes ist weiter groß.