Offenlegungsverordnung

Grün vor Transparenz

Es sind nur noch wenige Tage, bis am 10. März die Offenlegungsverordnung der EU in Kraft tritt. Hinter den wenig aussagekräftigen Namen verbirgt sich für die Finanzbranche eine der größten Regulierungsmaßnahmen des Jahres. Auf Englisch heißt es...

Grün vor Transparenz

Es sind nur noch wenige Tage, bis am 10. März die Offenlegungsverordnung der EU in Kraft tritt. Hinter den wenig aussagekräftigen Namen verbirgt sich für die Finanzbranche eine der größten Regulierungsmaßnahmen des Jahres. Auf Englisch heißt es Sustainability Financial Dis­closure Regulation (kurz: SFDR). Die Verordnung zwingt die Finanzbranche zu mehr Transparenz rund um das Thema Nachhaltigkeit. Also zu Berichten darüber, wie die Anbieter auf Unternehmensebene und bei ihren Produkten mit Umwelt-, sozialen und Governance-Themen (ESG) umgehen. Vieles ist bis ins Detail geregelt, wie sich an drei Beispielen aufzeigen lässt. Offen bleibt, was die Verordnung bringt.

Wichtige Aspekte der neuen Verordnung sind die Einführung einer bislang nicht existenten Klassifizierung von Produkten, die Verpflichtung, den Kunden mitzuteilen, wenn Investitionsentscheidungen nachteilige Auswirkungen für die Umwelt haben, und schließlich der Zwang, darüber zu informieren, wie in den Vergütungssystemen, also insbesondere bei der Berechnung von Boni, Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt werden.

Die Intention der Verordnung wird von vielen Marktteilnehmern unterstützt. Allerdings ist mit dem neuen Regelwerk ein großer Aufwand verbunden. Letztlich werde damit in die Investitionsentscheidung, also in das Herz des Produkts, eingegriffen, wie Berater Carsten Auel von Deloitte es auf den Punkt bringt. Klar ist, dass eine hohe Vergleichbarkeit beim Thema Nachhaltigkeit und Standards wichtig sind, denn sonst können Privatkunden nur schwer feststellen, ob ein Produkt so nachhaltig ist, wie es den Anschein hat.

Als neuen Standard führt die Verordnung sogenannte Artikel-8- und Artikel-9-Produkte ein. Ersteres arbeitet mit ökologischen oder sozialen Kriterien und wirbt damit. Nach Artikel 9 muss ein Produkt ausdrücklich ein ESG-Ziel anstreben, als „dunkelgrüner“ Fonds etwa konkret auf die Reduktion von CO2 oder die Schaffung von sozialem Wohnungsbau hinwirken. Doch die Abgrenzung dürfte in der Praxis schwierig sein, und wer bisher mit Ausschlusskriterien gearbeitet hat, ohne damit zu werben – wobei noch unklar ist, was mit Werbung genau gemeint ist –, fällt durch das neue grüne Raster. Geht ein Finanzdienstleister nun aus Angst, den Offenlegungspflichten nicht gerecht zu werden, auf Nummer sicher, könnten damit im Zweifel Chancen vergeben werden.

Einen neuen Ansatz wählt die EU bei der Verpflichtung, dass die Anbieter bei jedem Produkt zukünftig eine Erklärung über die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (engl. Principal Adverse Impacts, PAI) von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren abgeben müssen. Eine Art Malus-System, das wohl dazu führen soll, dass Finanzmarktteilnehmer angesichts des negativen Impacts von einer Investition absehen. Mit einem aufwendigen Schema wird bald auf vierteljährlicher Basis der Malus berechnet. Fraglich, ob das der Komplexität von Investitionsentscheidungen gerecht wird.

Zweifelhaft ist auch, ob die Transparenz der Vergütungspolitik im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken der Sache dient. Nach Artikel 5 müssen Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater angeben, inwiefern die Vergütungspolitik mit der Einbeziehung von ESG-Risiken im Einklang steht. Diese Informationen müssen beispielsweise auf den Internetseiten bekannt gemacht werden. Schon jetzt veröffentlichen die Anbieter im Kleingedruckten Regeln der Vergütung wie zum Beispiel „angemessene Berücksichtigung von Marktfaktoren und gesellschaftlichen Werten“; da kommen dann ein oder zwei Sätze zur Nachhaltigkeit dazu. Vom Prinzip her soll also der Fondsmanager bei einer Kaufentscheidung überlegen, ob eine Aktie mehr oder weniger große Nachhaltigkeitsrisiken birgt – und im Zweifel soll er das im Portemonnaie spüren.

Es ist unbestritten, dass Nachhaltigkeit und insbesondere das Thema Klimawandel auch für die Finanzdienstleister wichtig sind und dass die Branche hier eine Verantwortung hat. Nicht von ungefähr hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der ESG-Fonds und grünen Anleihen vervielfacht. Kaum ein Assetmanager kommt ohne Nachhaltigkeitskriterien im Investitions- und Anlageprozess aus. Alles Entwicklungen, die der Markt vorangetrieben hat. Mag sein, dass die EU mehr regulieren muss als nötig, um mehr zu bewegen. Andererseits mutet die neue Verordnung fast schon nach einer Überregulierung an, und davon hatte die Branche genug – Mifid II lässt grüßen.