Steuerpolitik

In den USA zeichnen sich höhere Steuern ab

Am 20. Januar 2021 hat US-Präsident Joe Biden die Amtsgeschäfte von Vorgänger Donald Trump übernommen. Auch das Repräsentantenhaus und der Senat haben sich mit einer knappen Mehrheit für die Demokraten neu konstituiert und die Arbeit aufgenommen....

In den USA zeichnen sich höhere Steuern ab

Von Roderic Pagel und Christian Brause *)

Am 20. Januar 2021 hat US-Präsident Joe Biden die Amtsgeschäfte von Vorgänger Donald Trump übernommen. Auch das Repräsentantenhaus und der Senat haben sich mit einer knappen Mehrheit für die Demokraten neu konstituiert und die Arbeit aufgenommen. Was bedeutet dieser Regierungswechsel für die US-Steuerpolitik?

Steuerpolitisches Leitbild dürfte für die Biden-Administration das Konzept des „America First“ bleiben, allerdings im Rahmen der Handelsabkommen und der WTO-Regeln. Dementsprechend wird die Biden-Administration wie die vorherige Regierung versuchen, steuerliche Anreize für die Schaffung von Arbeitsplätzen in den USA zu setzen. Anders als die Trump-Administration wird die Biden-Administration jedoch zudem anstreben, die Steuerpolitik für die Umsetzung von sozial- and klimapolitischen Zielen zu nutzen.

Ungünstige Voraussetzungen

Die derzeitigen Voraussetzungen für eine sinnvolle Gestaltung der US-Steuerpolitik sind denkbar ungünstig. Das liegt zum einen an dem massiven Haushaltsdefizit, dass Trump der Biden-Regierung hinterlassen hat und das durch nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen in der Trump-Ära mitverursacht wurde. Hinzu kommen weitere erhebliche Herausforderungen, wie die Finanzierung von Maßnahmenpaketen zur Bewältigung der Coronakrise und deren Folgen, die Sanierung des Gesundheitssystems und die prekäre finanzielle Situation vieler Einzelstaaten und Kommunen. Da überrascht es nicht, dass Steuererhöhungen zentraler Teil der Steuerpläne der Biden-Administration sind.

Ein umfassendes Steuerkonzept der Biden-Administration liegt bislang nicht vor. Die Stoßrichtung lässt sich allerdings dem bis dato angekündigten Maßnahmenpaket entnehmen.

Im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist zunächst eine Erhöhung der Körperschaftsteuer ge­plant. Trump hatte im Jahr 2017 die Körperschaftsteuer von 35% auf 21% gesenkt. Biden möchte die Körperschaftsteuer nun auf wieder 28% erhöhen.

Mindestbesteuerung

Daneben plant die Biden-Administration die Einführung einer Mindestbesteuerung in Höhe von 15% für Unternehmen mit jährlichen handelsbilanziellen Buchgewinnen von über 100 Mill. Dollar, auch wenn das zu versteuernde Einkommen geringer oder gleich null ist. Dieses Konzept träfe wohl insbesondere Unternehmen aus dem Tech-Bereich, die steuerlich häufig lediglich Verluste ausweisen.

Zudem soll die Mindestbesteuerung von US-Unternehmen auf Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften, die Global Intangible Taxable Income Tax – GILTI Tax, von heute 10,5% auf 21% angehoben werden. Angesichts bislang weltweit sinkender Körperschaftsteuersätze könnte diese Maßnahme zu erheblichen Steuererhöhungen für international tätige US-Unternehmen führen.

Schließlich soll – unter dem Motto „Made in America“ – eine Zusatzsteuer in Höhe von 10% auf Gewinne von US-Unternehmen erhoben werden, die aus der Verlagerung der Herstellung von Produkten ins Ausland resultieren, die dann im Inland vertrieben werden (sogenannte Offshoring Tax Penalty). Solche Gewinne würden dann mit 30,8% besteuert (basierend auf dem erhöhten Körperschaftsteuersatz von 28%). Daneben soll es für Unternehmen, die stillgelegte Betriebe in den USA wiederbeleben oder Produktion in die USA zurückverlagern, entsprechende Steuerminderungen geben.

Auch im Bereich der Besteuerung von Privatpersonen sind Steuererhöhungen geplant. Der Höchststeuersatz der Bundeseinkommensteuer soll von 37% auf 39,6% an­gehoben werden. Das erscheint moderat, muss aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass auch viele US-Bundesstaaten eine eigene Einkommensteuer erheben, deren Abzugsfähigkeit für Bundesein­kommensteuerzwecke unter Trump als wichtige Gegenfinanzierungsmaßnahme für seine Steuersenkungen abgeschafft wurde. Damit könnten Privatpersonen in Hochsteuerstaaten wie Kalifornien oder New York in Zukunft einer Einkommensteuerbelastung von über 50% unterliegen, wenn es bei der Nichtabzugsfähigkeit bei der Bundessteuer bleibt.

Pragmatischer Ansatz

Weitere Abgabenerhöhungen sind insbesondere für Hochverdiener ge­plant. So sollen Sozialversicherungsabgaben (Social Security Payroll Tax), die bislang in Höhe von 12,4% auf Jahresgehälter bis zu einer ­Beitragsbemessungsgrenze von 142800 Dollar anfallen, bei Jahresgehältern ab 400000 Dollar auf das gesamte Gehalt erhoben werden. Zudem sollen bestimmte Kapitalerträge in Form von Verkaufsgewinnen und Dividenden, die bislang einem begünstigten Steuersatz von 23,8% unterliegen, bei Privatpersonen mit einem Jahreseinkommen von über 1 Mill. Dollar dem normalen Einkommensteuersatz un­terliegen. Schließlich soll auch der Carried Interest, d.h. die disproportionalen Gewinnanteile, die Mitarbeiter von Private Equity Fonds steuerbegünstigt als Kapitalerträge vereinnahmen können, dem normalen Einkommensteuertarif unterworfen werden.

Wenig konkrete Aussagen gibt es bislang zu der zukünftigen internationalen Steuerpolitik. So ist nicht klar, wie sich Biden zu den aktuellen OECD-Steuerprojekten wie der Besteuerung digitaler Dienstleistungen (Digital Services Tax) oder der Einführung eines weltweiten Mindestbesteuerungssystems positionieren wird. Zu erwarten ist ein pragmatischer Ansatz, mit Gegenwehr bei Projekten, die wie die Digital Services Tax vor allem die US-IT-Branche treffen, und Unterstützung bei Projekten, die der Flucht von Unternehmen in Niedrigsteuerländer Einhalt gebieten wollen, wie die Einführung eines internationalen Mindestbesteuerungssystems.

Signalwirkung

Zunächst gibt es hier ein starkes Zeichen, dass die USA aus dem „Race to the Bottom“ bei den Körperschaftsteuersätzen aussteigen will. Zudem möchte die Biden-Administration Hochverdiener durch eine erhöhte (effektive) Besteuerung stärker in die Pflicht nehmen. Beides könnte auch für andere Staaten eine Signalwirkung entfalten, zumal für die Bewältigung der Coronakrise nicht nur in den USA viel staatliches Geld von Nöten sein wird.

International agierende Unternehmen werden Bidens „Made in America“-Agenda beobachten und ihre Investitionspolitik in den USA entsprechend überprüfen. Ein wichtiges Thema dürfte dabei auch die Standortpolitik in den USA selbst werden: Die geplante Erhöhung der Einkommensteuern und Sozialabgaben dürfte den Trend zur Abwanderung von Unternehmen und Führungskräften aus Hochsteuer-Bundesstaaten wie New York und Kalifornien in Niedrigsteuer-Bundesstaaten wie Florida und Texas noch weiter verstärken. So hat zum Beispiel Oracle gerade ihren Umzug von Kalifornien nach Texas einge­leitet.

Nicht in den USA ansässige Unternehmen, die lediglich in die USA exportieren, könnten durch die nur für US-Unternehmen geltenden verschärften GILTI-Tax-Regelungen und die „Offshoring Tax Penalty“ gegenüber in den USA produzierenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erlangen.

Wechselhafte Zeiten

Es bleibt abzuwarten, welche steuerlichen Maßnahmen Biden am Ende vorlegt und im Kongress durchsetzen kann. Seine Mehrheit im Senat reicht nicht aus, um Gesetze ohne Stimmen der Republikaner zu verabschieden. Biden wird hier um jede Stimme kämpfen müssen, da der linke Flügel der Demokraten weitergehende Steuererhöhungen und die Einführung einer Vermögenssteuer fordert, während die Republikaner Steuererhöhungen ablehnen und Haushaltsdisziplin fordern dürften. Sollte es Biden gelingen, eine nennenswerte Erhöhung der Unternehmenssteuern durchzusetzen, dann stellt sich die Frage, ob damit der globale Trend zu niedrigen Unternehmenssteuern umgekehrt wird oder ob es sich hier nur um ein kurzfristiges US-Phänomen handelt. Globale Unternehmen werden sich bis auf Weiteres auf wechselhafte Zeiten bei ihrer Steuerplanung einstellen müssen.

*) Dr. Roderic Pagel ist Partner bei Sidley Austin in München, Dr. Christian Brause ist Partner im New Yorker Büro der Kanzlei.