Infrastruktur-Investments

Infrastruktur wird immer beliebter

Die Pläne der EU zum Ausbau einer klimaneutralen Infrastruktur (Green Deal) werden die Anlageklasse weiter voranbringen. Professionelle Anleger nutzen die komplexen Infrastrukturinvestments immer häufiger, um Renditen zu erzielen, die sie für ihre Verpflichtungen brauchen.

Infrastruktur wird immer beliebter

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Der „Green Deal“ der EU sieht vor, dass die Union bis 2050 klimaneutral ist. Darauf aufbauend wird die Kommission 2021 konkrete Investitionen in Infrastruktur vorschlagen. Hinzu kommt, dass alle laufenden Corona-Programme ebenfalls Investitionen in die Bereiche Energie, Transport, Industrie und in energieeffiziente Gebäude einen hohen Wert beimessen. „Damit zeichnet sich ein erheblicher fiskalpolitischer Rückenwind für die Anlageklasse Infrastruktur ab“, so Susanne Reisch, Portfoliomanagerin bei Bantleon. Besonders die Segmente profitieren, die zu einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung beitragen.

Grüne Infrastruktur ist für institutionelle Investoren indes kein Neuland. „Bei nachhaltigen Investments geht es nicht darum, eine Zusatzrendite zu erzielen, sondern Risiken zu reduzieren“, erläutert Peter Brodehser, Leiter Infrastrukturinvestments bei Talanx, die Motivation. Für Stefan Hentschel, Head of Pension Asset Management bei Evonik, dürfe ESG kein Feigenblatt sein, nach dem Motto „Wir haben auch einen Windpark“.

Grüne Projekte gefragt

Die enorme Nachfrage nach grüner Infrastruktur hat schon jetzt dazu geführt, dass bei einfachen ESG-Projekten wie Fotovoltaik und Onshore-Wind in Deutschland die Rendite nicht weit über der Nulllinie liege, beschreibt Bernd Kreuter, Geschäftsführer der Investmentboutique Palladio, die Lage und stellt dennoch fest: „Das ändert jedoch nichts daran, dass es eine riesige Nachfrage nach solchen Projekten gibt.“

Investments in Infrastruktur gehören für die meisten institutionellen Investoren als Beimischung dazu. Je nach erforderlicher Liquidität ist der Anteil unterschiedlich. „Eine gesunde Quote für Infrastruktur liegt für uns zwischen 10 und 15%. Insgesamt sehe ich illiquide Assets bei bis zu 35%“, berichtet Hentschel. Bei der Allokation sei aber zu berücksichtigen, dass letztendlich die Risiken stark mit dem Aktienmarkt korreliert sind. Auch Brodehser rechnet keine Quote für Infrastruktur, sondern für illiquide Assets insgesamt.

Beim Blick auf die Zinslandschaft sei klar, dass die Passivseite bei vielen Investoren mit Staatsanleihen nicht bedient werden kann. „Das ist einer der Gründe, warum wir eine gigantische Verschiebung von liquiden in illiquide Anlageklassen sehen. Für Lebensversicherungen könnte das nach meiner persönlichen Meinung bis zu 50% Allokation in illiquide Assetklassen bedeuten, wir streben bis zu 30% an“, so Brodehser. Die Talanx hat derzeit bei rund 150 Mrd. Euro verwaltetem Vermögen knapp 4 Mrd. Euro im Bereich Infrastruktur. Kreuter verweist zudem darauf, dass Infrastrukturinvestments anhand von Risikoprämien über die Zinsstrukturkurve bewertet werden müssen: „Je länger die Duration auf der Passivseite, desto mehr Risikoappetit und desto mehr Infrastruktur ist möglich. Nach unserer Erfahrung steigt kaum jemand mit weniger als 3 bis 5% Zielquote in die Anlageklasse ein; viele Investoren gehen in Richtung 10%.“

Liquiditätsprämie

Investments in Infrastruktur sind aus Sicht der Investoren nicht besonders riskant. Der Renditeaufschlag werde mit der Liquiditätsprämie, der hohen Komplexität und der langen Duration verdient. Brodehser: „Bei den Renditeerwartungen gehen wir bei Eigenkapital von einem moderaten Leverage von 5 bis 8% nach Steuern aus.“ Hentschel ergänzt: „Ein deutsches reguliertes Investment bringt nur noch 4 bis 5% – und trotzdem schlagen sich die Investoren um diese Projekte.“ Berater Kreuter betont neben dem finanziellen Aspekt aber auch noch eine andere Seite der Anlageform: „Es ist auch ein gutes Gefühl, mit diesen Investments die Verkehrsinfrastruktur zu modernisieren oder die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern.“

Wechselt ein Investor auf die Fremdkapitalseite, sieht es mit einer Rendite von 1,5 bis 3% bescheidener aus. „Der Blick auf die Passivseite zeigt aber, dass man damit glücklich sein kann“, meint Brodehser.

Dass Investoren mit Infrastruktur Geld verlieren, passiert selten. Bei vielen Projekten gibt es eine staatliche Vergütung. Wichtig sei bei Infrastruktur die juristische Komponente, es brauche viel Know-how etwa bei Abnahmen oder Mietverträgen, so Hentschel. „Wenn wiederum ein Investment notleidend oder problematisch wird, werden enorme Kapazitäten beim Investor für die Betreuung gebunden. Schlimmstenfalls muss Eigenkapital nachgeschossen werden.“

Ein Beispiel für ein schwieriges Investment ist das Autobahnnetz Aspi in Italien. Mit dem Einsturz der Brücke in Genua haben sich Eigentümer, Betreiber und Staat den schwarzen Peter hin und her geschoben. „Jetzt sieht es so aus, als würden die Investoren mit einem blauen Auge davonkommen. Ein Autobahnnetz ist eben systemrelevant, da müssen sich alle zusammenraufen und die Lasten müssen fair verteilt werden“, beschreibt Kreuter die besondere Art von Risiken und deren Lösung. Beispielsweise erneuerbare Energien: In solchen Projekten werden Strompreisrisiken in mehr oder weniger hohem Maße eingegangen.

In anderen Projekten überwiegen Konstruktionsrisiken. Etwa beim Milliardenprojekt „Thames Tideway Tunnel“ in London, einem gigantischen Abwasserkanal unter der Themse, bei den die Allianz im Rahmen eines Konsortiums mit Pensionsfonds und anderen langfristigen Investoren 1,8 Mrd. Euro investiert hat. Für Berater Kreuter sei es stets wichtig, die Baukosten zu kontrollieren. „Bestes Beispiel zum Thema ausufernder Baukosten ist der Berliner Flughafen, der aber nicht durch Investoren finanziert wurde.“

Totalverlust selten

Der Umgang mit schwierigen Projekten zeigt, dass Eigenkapitalinvestments in Infrastruktur besonders arbeitsintensiv sind. Wie man an das Thema herangeht, hängt für Brodehser im Wesentlichen von der Anzahl der Mitarbeiter ab, denen man die Prüfung und Realisation dieser Investments übertragen kann. Bei nur einem Mitarbeiter sollte man Fonds wählen, ab zwei Mitarbeitern sind Managed Accounts möglich, und erst ab vier oder mehr Spezialisten im Haus kann man über Direktinvestments nachdenken. „Die Deals stehen nicht in der Zeitung oder im Internet, Infrastrukturinvestoren müssen zu Baukonzernen, Energiekonzernen, großen Fonds und finanzierenden Banken engen Kontakt haben“, so Brodehser.