Am Gipfelkreuz: Was jetzt für Unternehmensanleihen spricht
Das dominante Narrativ im Jahr 2023 bestand darin, ob es den Zentralbanken gelingt, die Inflation in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Nachdem der Zinsgipfel erreicht scheint, stellt sich für 2024 vor allem die Frage, wie stark und wie schnell die Leitzinsen sinken könnten.
Damit geht es nunmehr darum, die beste Route für den Abstieg zu wählen – also um eine effiziente Allokation in einem Umfeld, das unserer Ansicht nach von einer weitgehend disinflationären Entwicklung, einem langsamen Wachstum und einer schrittweisen Lockerung der Geldpolitik geprägt sein wird. Aus unserer Sicht spricht in diesem Kontext einiges für Unternehmensanleihen höherer Bonität.
Zum einen liegen die Anleiherenditen immer noch über dem langfristigen (25-jährigen) Durchschnitt und deutlich über dem Niveau nach der Finanzkrise. Sie sind höher als die Dividendenrenditen von Aktien (1,5% für den S&P 500, 3,2% für den Stoxx) und die erwartete Inflation (etwa 2-2,5% sowohl für die USA als auch für Europa, basierend auf den 10-jährigen Breakeven-Inflationsraten).
Gleichzeitig ist der Verschuldungsgrad der Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks auf Zehnjahressicht nicht übermäßig hoch. Zudem brauchen Investment-Grade-Unternehmen kein außerordentliches Wirtschaftswachstum, um Renditen zu erzielen, da das Universum in der Regel über starke Bilanzen und freie Cashflows verfügt.
Nützlicher Puffer
Dabei bieten die hohen Anfangsrenditen einen nützlichen Puffer, der negative Schocks abfedern kann – schließlich haben die Zentralbanken konsequent darauf hingewiesen, dass sie die Zinsen nur lockern werden, wenn die Inflation auf ihre Zielwerte sinkt und stabil bleibt. Aktuell preisen die Märkte für 2024 Leitzinssenkungen von über 150 Basispunkten in den USA und der Eurozone ein. Vor diesem Hintergrund ist das Szenario wieder steigender Energiekosten, zum Beispiel aufgrund einer Eskalation im Nahen Osten, eine der größten Gefahren für eingepreiste Zinssenkungen und damit nominal verzinste Wertpapiere.
Um das Negativszenario einer wiederkehrenden Inflation genauer zu analysieren, haben wir die Auswirkungen von steigenden Kreditspreads und Treasury Yields auf die Gesamtrendite des Bloomberg Global Aggregate Corporate Index modelliert. Dieser hatte das Jahr 2024 mit einer Rendite von 4,76% zusammengesetzt aus einer Treasury Yield von 3,58% und einem Spread von 118 Basispunkten begonnen. Das Ergebnis der Modellierung zeigt, dass die Gesamtrendite aufgrund der hohen Anfangsrenditen in den meisten Szenarien positiv wäre. Im Wesentlichen fällt sie ab dem Punkt negativ aus, an dem die Treasury Yields von 3,58% auf über 4,7% ansteigen oder sich die Kreditspreads auf über 200 Basispunkte ausweiten, was zuletzt 2020 zu beobachten war.*
Positive Gesamtrendite erwartet
Da Treasury Yields und Kreditspreads in der Vergangenheit typischerweise ein inverses Verhältnis aufgewiesen haben, ist nicht davon auszugehen, dass es bei einer Ausweitung der Kreditspreads auch zu einem Anstieg der realen Renditen von Staatsanleihen kommt. Dementsprechend ist unsere zentrale Erwartung die einer positiven Gesamtrendite für den Bloomberg Global Aggregate Corporate Index, die zudem über der von bargeldähnlichen Anlagen liegen dürfte, da die kurzfristigen Zinssätze im Laufe des Jahres vermutlich fallen werden.
Zusammenfassend sehen wir im aktuellen Marktumfeld vielfältige Möglichkeiten, um bei bester Bonität attraktive Zinssätze zu sichern. Neben klassischen Euro-Anleihen bietet aus unserer Sicht eine Diversifikation durch Allokationen in hochwertige Globale Aggregate und US-Anleihen vor allem Kommunalanleihen und Corporates einen Mehrwert. Aufgrund des starken Basiszinses und der guten Fundamentaldaten sollten auch Senior Secured Loans, Direct Lending und CLOs beigemischt werden. Neben weiterer Diversifikation bieten sie Zugang zu unterschiedlichen Marktzyklen und die Aussicht auf hohe Erträge für 2024.
Johannes Heib ist Leiter Versicherungen Deutschland bei Invesco Asset Management Deutschland