Geld oder BriefImmobilien

Analysten trauen Vonovia wieder mehr zu

Die Stimmung gegenüber der Vonovia-Aktie hat sich aufgehellt, auch wenn steigende Finanzierungskosten, hohe Schulden und sinkende Bestandsbewertungen dem Immobilienkonzern weiter zu schaffen machen.

Analysten trauen Vonovia wieder mehr zu

Geld oder Brief

Analysten trauen Vonovia wieder mehr zu

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Wer seit längerem in Vonovia-Aktien investiert ist, braucht Geduld und ein wenig Leidensfähigkeit. Die bisherige Bilanz für 2023 sieht mau aus. Im Vergleich zu Anfang 2022 hat sich die Notierung mehr als halbiert, während der deutsche Leitindex Dax fast stabil geblieben ist. Die kurze Rally Ende 2022/Anfang 2023 entpuppte sich als Strohfeuer. Den Euro Stoxx 50, den Leitindex für die Eurozone, musste Vonovia im September verlassen. Zuletzt hat sich die Notierung zwar erholt, doch unklar bleibt, ob die Aufwärtsbewegung von Dauer ist. Denn die Zinsen haben sich weiter leicht erhöht.

Setzt sich dieser Trend fort, wären Bestandhalter von Immobilien besonders betroffen. Der Grund: Immobilien sind ein hochgradig kapitalintensives Geschäft, das viel Fremdkapital erfordert. Der Sektor hängt wie kaum ein anderer am Zinstrend. Vonovia zum Beispiel verfügte Ende Juni 2023 über einen Immobilienbestand von 88,2 Mrd. Euro, der zu knapp der Hälfte durch Schulden finanziert war.

Folgen des Zinsanstiegs

Das Ende der ultratiefen Zinsen hat die Rahmenbedingungen des Immobiliensektors fundamental verändert. Zum einen steigen die Kosten für neue Finanzierungen, zum anderen steht die Bewertung des Immobilienbestands unter Abwärtsdruck, was den Verschuldungsgrad erhöht. Infolgedessen sind die Aktienkurse der gesamten Branche abgestürzt. Sie liegen weit unter dem Nettovermögenswert. Vonovia gibt den inneren Wert der Aktie per 30. Juni mit 49,67 Euro an. Die Aktie notiert derzeit nicht einmal halb so hoch.

Überwiegend wohlwollend aufgenommen haben Analysten die Signale des Managements vom Kapitalmarkttag am 28. September. Die Stimmung habe sich im Vergleich zur vorjährigen Veranstaltung deutlich verbessert, konstatiert Thomas Rothäusler von der Deutschen Bank. Sein Kollege Kai Klose von der Privatbank Berenberg bescheinigt dem Management, die richtigen Prioritäten zu setzen. Er lobt die Finanzdisziplin und sieht das operative Geschäft auf dem richtigen Weg. Das kanadische Geldhaus RBC resümiert, dass die Dinge in die richtige Richtung liefen.

Transaktionsmarkt leicht erholt

Und die Investmentbank Goldman Sachs zählt Vonovia zu den Aktien, von denen sie besonders überzeugt ist (European Conviction List). Das Kursziel des amerikanischen Instituts: 38 Euro. Das liegt weit über dem durchschnittlichen Kursziel aller Kapitalmarktbeobachter von knapp 29 Euro.

Das positivere Lagebild machen Analysten vor allem an drei Punkten fest. Zum einen hat sich nach Einschätzung des Konzerns der Transaktionsmarkt ein wenig belebt. Das erleichtert die geplanten Immobilienverkäufe, die Vonovia benötigt, um die Schuldenlast zu verringern. Die vor allem für Bondholder wichtige Kennzahl Loan-to-Value, also die Schulden in Relation zum Immobilienvermögen, liegt nämlich mit 46,8% über dem Zielkorridor von 40 bis 45%. Zum anderen zeigt sich das Management zuversichtlich, dass die Werte von Wohnimmobilien „nicht von der Klippe stürzen“. Vom ersten auf das zweite Quartal 2023 habe sich der Wertverlust verlangsamt. Damit, so die Hoffnung, sinkt das Risiko weiterer hoher Bestandsabschreibungen. Ihr Spitzenniveau erreichten die Immobilienbewertungen zum Ende des zweiten Quartals 2022. Seither hat der Konzern die Wertansätze um 11% reduziert.

Mehr Dynamik bei den Mieteinnahmen

Und drittens rechnet das Management angesichts weiter verschärfter Wohnungsnot und hoher Inflationsraten mit einer beschleunigten Zunahme der Kaltmieten und entsprechend steigenden Mieterlösen. Das würde helfen, die Belastungen durch höhere Finanzierungskosten zu kompensieren. Zwar begrenzen gesetzliche Regelungen wie Mietspiegel und Mietpreisbremse den Spielraum für Anhebungen, aber mit Zeitverzug schlagen sich höhere Marktmieten auch hier nieder.

Zu alldem passen Andeutungen des Managements, künftig wieder stärker in den Bestand zu investieren. Die Bochumer signalisieren damit eine komfortable Versorgung mit Liquidität. Statt über neue Bonds finanziert sich Vonovia neuerdings vor allem über besicherte Bankkredite.

Spielraum für Investitionen

Die abrupte Zinswende hatte das Management zu einem scharfen Tritt auf die Ausgabenbremse veranlasst. Das sehe man heute als Fehler an, heißt es unter Analysten. Es steht die Erwartung im Raum, dass das Management den Ausblick für die Investitionen in den Bestand mit der Berichterstattung über das dritte Quartal am 3. November anhebt.

Derzeit steht die Guidance bei 500 Mill. Euro für den Bestand und 350 Mill. Euro für den Weiterbau begonnener Wohnungsbauprojekte. Neue Vorhaben hat Vonovia aufgrund der stark gestiegenen Zinsen und Baukosten auf Eis gelegt. Ihre Refinanzierung erfordere Kaltmieten Richtung 20 Euro je Quadratmeter – ein Betrag, den sich viele Menschen in Deutschland nicht leisten können.

„Die Grenzkosten der Verschuldung fallen niedriger aus als befürchtet, das Mietwachstum wird sich beschleunigen und das Unternehmen könnte wieder ein expansiveres Investitionsprogramm fahren“, fasst der Analyst Neil Green von der US-Bank J.P. Morgan zusammen. „All das unterstützt den Ausblick für das operative Ergebnis.“

Viele Kaufempfehlungen

Skeptiker wie Eleanor Frew von Barclays befürchten hingegen, dass weitere Wertverluste vor allem für Immobilien mit niedriger Rendite ins Haus stehen. Auch liege der Transaktionsmarkt nach wie vor danieder, wie Maklerdaten zeigten. Doch unter dem Strich dominieren die Optimisten. Von 24 Anlageurteilen, die der Datendienstleister Bloomberg erfasst, lauten 17 auf Kaufen, Outperform, Overweight oder Add. Dem stehen fünf Halten- und zwei Verkaufen- oder Underweight-Urteile gegenüber.