Aston Martin will Ferrari überholen

Vettel-Wechsel und neue Strategie wecken Hoffnung für Aktie - Italiener liegen bei Analysten deutlich vorn

Aston Martin will Ferrari überholen

Bei Aston Martin verfolgt Großaktionär und Verwaltungsratspräsident Lawrence Stroll eine ambitionierte Strategie. Dabei spielen das Debüt des Formel-1-Teams und das neue SUV-Modell DBX eine wichtige Rolle. Bei den Börsianern ist Ferrari allerdings der Liebling unter den Luxuswagen-Herstellern.Von Alex Wehnert, FrankfurtEin spektakulärer Wechsel ist in der Formel 1 aktuell das große Gesprächsthema: Der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel kehrt Ferrari den Rücken und schließt sich Aston Martin an. Dass die Briten ab der kommenden Saison überhaupt mit einem eigenen Rennstall in der Königsklasse des Motorsports an den Start gehen, hat die Hoffnung einiger Analysten für den Luxusautobauer und seine Aktie etwas angehoben. Schließlich gilt die Formel 1 als enorm wichtige Werbeplattform für Sportwagenhersteller. Neben sportlichem Erfolg dürfte sich Aston Martin von der Verpflichtung des Heppenheimers, der zu den erfolgreichsten Fahrern der Geschichte zählt, also auch zusätzliche Strahlkraft für die Marke versprechen.Dennoch bleibt Vettels alter Arbeitgeber, in dessen Cockpit er schon seit der vergangenen Saison keine glückliche Figur mehr macht, bei den Analysten deutlich beliebter. Während laut Bloomberg nur 7,7 % zum Kauf des Papiers der Dachholding Aston Martin Lagonda raten, sind es bei der in New York gelisteten Ferrari-Aktie 69,6 %. Das an der Börse Mailand notierte Papier des italienischen Herstellers kommt sogar auf einen Anteil der Kaufempfehlungen von 70,8 %.Zwar war der Gewinn von Ferrari im zweiten Quartal infolge coronabedingter Produktionsstopps massiv eingebrochen – dennoch rechnet die Geschäftsführung damit, noch den unteren Rand ihrer Prognose für das Gesamtjahr zu erreichen. Die Italiener verweisen auf ihr prall gefülltes Orderbuch – und finden aufgrund ihrer defensiven Qualitäten bei den Anlegern Beifall. Seit Jahresbeginn liegt die Mailänder Aktie mit 8,6 % im Plus – gegenüber anderen Autobauern ein durchaus ordentlicher Wert. Der US-Fahrzeugriese Ford zum Beispiel, den Ferrari nach Marktkapitalisierung schon längst abgehängt hat, kommt zwischen Anfang Januar und gestern Abend auf ein Kursminus von 21,4 %. Bei Aston Martin sieht die Lage noch düsterer aus, bisher hat die Aktie der Briten im laufenden Jahr 64,5 % ihres Wertes verloren. Kaum trösten dürfte die Anleger dabei, dass Racing Point, dessen Lizenz Aston Martin ab der kommenden Saison übernimmt, in der Formel-1-Konstrukteursweltmeisterschaft derzeit deutlich vor Ferrari liegt. Stroll krempelt Konzern umAllerdings wird der motorsportliche Ehrgeiz des Autobauers mit Sitz in Gaydon durch den gleichen Mann befeuert, der auch die strategische Neuausrichtung im Kerngeschäft vorantreibt: Großaktionär und Verwaltungsratspräsident Lawrence Stroll. Er hat mit Tobias Moers, dem ehemaligen Leiter der Daimler-Tochter Mercedes-AMG, einen neuen CEO an Bord geholt und mit dem ehemaligen CFO von Jaguar Land Rover, Kenneth Gregor, auch einen neuen Finanzchef installiert.Sie sollen eine Strategie umsetzen, die an jene von Ferrari erinnert – dazu zählt auch eine Kürzung des Produktionsvolumens um 30 % auf ungefähr 10 000 Einheiten pro Jahr. Gerade bei den Modellen DB11 und Vantage will Aston Martin den Bestand abbauen. Zusammen mit dem Engagement in der Formel 1 erhofft sich der in London börsennotierte Autobauer somit ein exklusiveres Image. Die Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs sehen die Briten infolge des Inventar-Abbaus in der Lage, die Preise in den kommenden Jahren wieder anzuheben. Dies werde sich vermutlich positiv auf den Umsatz und die Margen auswirken.Zudem soll der Oberklasse-SUV DBX Aston Martin aus der Krise führen. Tatsächlich stößt der britische Autobauer mit dem Modell in das am schnellsten wachsende Segment des Luxusmarktes vor: Auch Bentley, Rolls-Royce, Lamborghini, Porsche und Maserati produzieren bereits SUVs, 2022 soll ein Modell von Ferrari auf den Markt kommen. Der Anfang August erfolgte Start des DBX gilt als bedeutsam für die Aktie von Aston Martin. Nach Ansicht der Goldman-Analysten ist dem Luxuswagenhersteller damit der pünktliche Start eines wettbewerbsfähigen Produkts gelungen, das im ersten Jahr durchaus die gewünschten Absatzzahlen erreichen könne. Die breite mediale Rezeption des DBX könne zu einem erhöhten Interesse an der Marke Aston Martin führen. Cash-flow unter DruckAllerdings sei fraglich, ob die angestrebten Verkaufszahlen von 4 000 bis 5 000 Einheiten pro Jahr tatsächlich nachhaltig erreichbar seien – die Entwicklung bei Konkurrenzmodellen wie dem Bentley Bentayga oder dem Maserati Levante lasse jedenfalls nicht darauf schließen. Zudem liege der Preis des DBX höher als der des Bentayga, obwohl Aston Martin und Bentley bei ihren SUVs ähnliche Absatzzahlen anstrebten. Während der Bentayga und der Lamborghini Urus relativ zu anderen Baureihen ihrer Hersteller günstiger seien und daher Einstiegsmodelle für Käufer der Marken darstellten, sei dies beim DBX nicht der Fall. Trotz der neuen Verkaufsstrategie und ambitionierter Absatzziele bleibe es für Aston Martin somit äußerst schwierig, kurz- bis mittelfristig einen bedeutenden Cash-flow zu generieren – die Goldman-Analysten empfehlen die Aktie daher mit einem Kursziel von 50 Pence (aktuell: 59,20 Pence) weiterhin zum Verkauf.Bei Ferrari wecken ebenfalls neue Modelle die Sehnsüchte vieler Luxuswagenkäufer. Der in dieser Woche neu vorgestellte Portofino M kommt mit mehr PS, Gängen und Fahrmodi daher als der reguläre Portofino und wird nach Ansicht der Goldman-Analysten ab 2022 die Verkaufszahlen der Italiener ankurbeln. Mit dem Plug-in-Hybriden SF90 Stradale hat Ferrari zudem einen Wandel hin zur Elektrifizierung begonnen – laut Bloomberg Intelligence ist ab dem übernächsten Jahr mit einem Hybrid-Anteil von 60 % der produzierten Fahrzeuge zu rechnen. Über alle Modelle hinweg erwartet Goldman Sachs für das kommende Jahr deutlich anziehende Auslieferungen, zudem bestehe durchaus Raum, die Gewinnerwartungen für 2021 nach oben anzupassen. Daher empfehlen die Analysten beide Ferrari-Aktien zum Kauf – das Mailänder Papier mit einem Kursziel von 189 Euro (aktuell: 160,50 Euro) und sein New Yorker Gegenstück mit einem Kursziel von 212 Dollar (gestern Abend: 189,92 Dollar). Es scheint also offenbar noch ein weiter Weg zu sein, bis Aston Martin Ferrari nicht nur in der Formel 1, sondern auch an der Börse überholt hat.