Ausblick Aktienmärkte

Auf welche Aktien Experten jetzt setzen

Die haussierenden Aktienmärkte haben im ersten Halbjahr 2023 manchen Experten positiv überrascht. Mit Blick auf die Zukunft sind die meisten Häuser skeptischer.

Auf welche Aktien Experten jetzt setzen

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Nach dem starken ersten Halbjahr werden Analysten vorsichtiger – Einigkeit bei Emerging Markets

Die haussierenden Aktienmärkte haben im ersten Halbjahr 2023 manchen Experten positiv überrascht. Mit Blick auf die Zukunft sind die meisten Häuser skeptischer. Während bei der Einschätzung der meisten Emerging Markets große Einigkeit herrscht, scheiden sich am Reich der Mitte die Geister.

Von Tobias Möllers, Frankfurt

Im ersten Halbjahr 2023 sind die meisten Aktienmärkte unerwartet stark gelaufen. Der Nasdaq 100 hat in nur sechs Monaten über 30% zugelegt, der Dax seit seinem September-Tief ebenfalls, und auch japanische Aktien waren zuletzt auf der Überholspur unterwegs. Dass dies nun immer so weitergeht, erwarten mit Blick auf das zweite Halbjahr 2023 nur die wenigsten Experten.

Die meisten Analysten raten zur Vorsicht und warnen vor Rückschlagpotenzial, gerade bei den zuletzt heiß gelaufenen Titeln. Überraschende Einigkeit herrscht bei der Einschätzung der Emerging Markets. An China scheiden sich dagegen die Geister.

Die Ruhe vor dem Sturm?

Die aktuelle, schwierig einzuschätzende Situation umschreibt die UBS mit der Fragestellung: „Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Oder das Ende der schwersten Rezession, die niemals stattfand?“ Sein Geld mit Aktien zu vermehren, schätzt die Großbank in näherer Zukunft als schwierige Gratwanderung mit Risiken ein. Den Schweizern erscheint die Bewertung der performancestärksten Aktien inzwischen überzogen zu sein.

Wer dennoch nicht von Anteilscheinen lassen möchte, dem rät die UBS zu defensiven Titeln und Substanzwerten aus den Sektoren Basiskonsum, Versorger und Industrie. Daneben seien besonders Schwellenländer-Papiere attraktiv. Auch nachhaltige Aktien wie ESG-Leader, Titel aus dem Bereich erneuerbare Energien und solche, die sich mit dem Problem der Wasserknappheit beschäftigen, halten die Schweizer für interessant. Ausgewählte Chancen gäbe es eher in Europa als in den USA.

Schutzstrategien wichtig

Skeptisch blickt inzwischen auch Berenberg auf die Bullenrally. Die Hamburger Privatbank schreibt: „Wir haben den Eindruck, dass sich die Rally dem Ende zuneigt, und bleiben bei dem Ansatz ‚Rally verkaufen, Dips kaufen‘.“ Für die kommenden Monate seien „aktive Schutzstrategien“ wichtig. Die Hamburger vergleichen dazu Sektorenpaare.

Berenberg rät von Technologie-Titeln eher ab, deren Bewertung sehe überzogen aus. Im Vergleich zu defensiven Bereichen wie Gesundheit und Nahrungsmitteln hätten Tech-Aktien momentan einen KGV-Aufschlag von fast 50. In Europa sieht Berenberg auch Chancen in den Sektoren Energie und Telekommunikation als „Crash-Schutz-Absicherung“. Gegenüber Energie-Aktien werde Tech sogar mit einem KGV-Aufschlag von 125% gehandelt. Auch mit Blick auf die Dividendenrendite seien Energiewerte wie Shell aktuell „historisch attraktiv“.

Risiken abbauen

Für Andrew McCaffery von Fidelity bleibt mit Blick auf die Zukunft eine Rezession das wahrscheinlichste Szenario. Diese sei die vielleicht „am meisten antizipierte Rezession der Geschichte“, die zwar (außer in Deutschland) immer noch nicht da sei, aber kommen werde. Für McCaffery ist eine sanfte Landung der Wirtschaft eher unwahrscheinlich. Zudem hätten Europa und die USA in den vergangenen Monaten bereits starke Kurszuwächse verzeichnet. Anleger sollten deswegen Risiken abbauen und gleichzeitig „Chancen in unterbewerteten Bereichen, etwa in Schwellenländern, suchen“.

Kontroverser Blick auf China

Ausführlich äußert sich der Fidelity-Mann auch zum Reich der Mitte. China-Anleger bräuchten Geduld: „Die Diskrepanz zwischen den Markterwartungen und der tatsächlichen Marktentwicklung hat dazu geführt, dass chinesische Aktien mit einem erheblichen Abschlag gehandelt werden.“ Das eröffne Chancen. Seiner „etwas kontroversen Marktsicht“ nach sei der Einstiegspunkt attraktiv. Zudem gebe es auch eine leichte Verbesserung der Beziehungen zwischen China und den USA. Neben China ist für McCaffery auch Japan „interessanter als in den letzten Jahrzehnten“ – auch wenn der Markt in diesem Jahr schon sehr gut gelaufen sei.

Auch die Analysten von J.P. Morgan halten es mit Blick auf China für „verfrüht, das ganze Jahr abzuschreiben“. Für den Standort spreche eine moderate Staatsverschuldung und die niedrige Inflation. Grundsätzlich hält J.P. Morgan eine Rezession für wahrscheinlich und setzt darum bei Aktien auf qualitativ hochwertige Titel. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass in Zeiten einer schwachen Konjunktur eine qualitätsorientierte Ausrichtung am besten funktioniere. Daneben setzt die amerikanische Bank auf starke Dividendenzahler aus defensiven Branchen wie Gesundheit und Versorgung. Auch eine regionale Diversifizierung sei nun wichtig, wobei auch J.P. Morgan Schwellenländer für besonders attraktiv hält.

Qualität als Kompass

Auch die Experten von Amundi setzen mit Blick auf die Wachstumsvorteile auf Schwellenländer – mit einem Fokus auf Asien. Bei den Emerging Markets seien die wirtschaftlichen Bedingungen zwar insgesamt fragil, „aber die Wachstumstrends dürften sich als widerstandsfähiger erweisen als in Industrieländern“. Und auch bei einem zweiten Punkt sind sich die Franzosen von Amundi mit den Amerikanern von J.P. Morgan einig: „Qualität ist der Kompass, mit dem man sich in dieser unsicheren Phase orientieren kann“, ist Amundi-Mann Vincent Mortier überzeugt. Der niedrige Verschuldungsgrad, gesicherte Dividenden und stabile Erträge sprächen für Quality-Titel. Grundsätzlich bleibt Amundi bei Aktien zurückhaltend, da sich das globale Wachstum weiter verlangsamen werde. Einen Tiefpunkt erwarten die Franzosen in der zweiten Jahreshälfte, bevor dann in der ersten Jahreshälfte 2024 eine Erholung einsetzen dürfte. Bis sich die Kerninflation dem Ziel der Zentralbanken von 2% annähere, dürfte es sogar bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2024 dauern.

Tech-Trend intakt?

Beim Thema Inflation und Leitzinsen ist die HSBC optimistischer: Gegen Ende 2023 dürfte der Zinserhöhungszyklus beendet sein. Die Fed könne bereits dann mit ersten Lockerungen beginnen, bei der EZB dürfte es 2024 so weit sein. „Dann dürften sich neue Perspektiven ergeben“, glaubt CIO Axel Cron. Bis dahin könne es allerdings noch „gelegentlich etwas ruckelig werden“. Ein China-Fan ist Cron aktuell nicht: „Die binnenwirtschaftlichen Koordinaten Chinas können die Anleger derzeit nicht überzeugen. Da sind andere Assets derzeit deutlich interessanter.“ Dagegen böten Emerging Markets wie Thailand Potenzial. Das Land erhole sich weiter von der Pandemie und sei zudem ein beliebtes Reiseziel. Als einer von wenigen Experten sieht Cron auch den Trend zu Investitionen in Tech-Aktien weiterhin intakt. Deren ganzes Potenzial „wird sich aber erst in den kommenden Jahren zeigen“.

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