„Australien zieht mehr Millionäre an als jedes andere Land der Welt“
Im Interview: Jason Pidcock
„Australien zieht mehr Millionäre an als jedes andere Land der Welt“
Der fünfte Kontinent punktet nicht nur mit Rohstoffen – Zuletzt lief nur ein Aktienmarkt weltweit besser – Gefahr droht durch einen Handelsstreit
Fondsmanager Jason Pidcock von Jupiter AM setzt auf entwickelte Märkte. Besonders angetan haben es ihm Australien, Taiwan und Singapur. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt der Experte, warum Demografie und Dividenden zwei Punkte sind, bei denen Down Under besser dasteht als andere Länder.
Mr. Pidcock, Sie setzen auf entwickelte Märkte. Welche haben Sie besonders im Blick?
Wir haben eine Übergewichtung in Australien, Singapur und Taiwan. Uns gefällt die Unternehmensführung in diesen Ländern. Wir haben Vertrauen in das politische System und in die Rechtsstaatlichkeit. Und wir haben festgestellt, dass die Unternehmen in diesen Ländern im Laufe der Zeit ihre Gewinne gut steigern konnten, was sich in einem Dividendenwachstum niedergeschlagen hat. Wir sehen dort gut geführte Unternehmen, die Zugang zu attraktiven Märkten haben, ob es sich nun um Inlandsmärkte oder globale Märkte handelt. Diese entwickelten Märkte haben sich im Vergleich zu einigen der aufstrebenden Märkte in der Region als beständig und im Laufe der Zeit als besonders leistungsfähig erwiesen.
Was gefällt Ihnen an Singapur?
Wir haben vier Aktien in Singapur und sie alle erzielen einen Teil ihrer Einnahmen mit Verbrauchern in der Region Südostasien. In Singapur finden wir eine bessere Unternehmensführung als in benachbarten Märkten wie Malaysia, Thailand, Vietnam oder den Philippinen. Stärkere Bilanzen, oft eine bessere Liquidität der Aktien und höhere Dividendenrenditen.
Welche Unternehmen halten Sie dort?
Wir haben eine regionale Bank, DBS, wir haben Singapore Telecommunications, die in der ganzen Region vertreten sind. Wir haben St Engineering, ein Ingenieurskonglomerat und eines der wenigen börsennotierten Rüstungsunternehmen in der Region, die gerade erst sehr gute Gewinnzahlen vorgelegt haben, und wir haben auch einen Kasinobetreiber in Singapur, der viele seiner Kunden aus anderen Ländern der Region wie aus Indonesien anzieht.
Was reizt Sie an Taiwan?
Taiwan ist ein weiterer entwickelter Markt, der uns sehr gut gefällt. Wir sind dort übergewichtet. Drei unserer fünf größten Beteiligungen befinden sich in Taiwan. Sie sind alle im Technologiesektor angesiedelt, der in Taiwan besonders gut funktioniert, und alle drei sind Nutznießer des Anstiegs der Ausgaben für künstliche Intelligenz. Sie liefern also entweder Computerchips oder sie sind, im Falle von Hon Hai Precision, Auftragshersteller, die einen Großteil der Hardware herstellen.
Sie bezeichnen Australien als den wohl attraktivsten entwickelten Markt der Welt oder zumindest in der Region. Was macht den fünften Kontinent so besonders?
Australien ist eine funktionierende, föderale Demokratie. Das politische System ist dem der USA sehr ähnlich. Australien gefällt uns außerdem besonders gut, weil es eine wachsende Binnenwirtschaft hat. Es gibt viele Unternehmen, die dort ansässig sind und sehr erfolgreich ihre Waren, Dienstleistungen oder Produkte verkaufen.
Viele Investoren haben Australien kaum auf dem Schirm oder verbinden das Land höchstens mit Rohstoffen. Für Sie sind aber Punkte wie Demografie und Dividenden viel spannender. Können Sie uns erklären, warum?
Ich glaube, viele Investoren übersehen Australien, dabei hat das Land eine der am schnellsten wachsenden Bevölkerungen der Welt, prozentual gesehen wächst die Bevölkerung Australiens sogar schneller als die Indiens. Wenn man die Covid-Jahre herausnimmt, ist die australische Bevölkerung in den letzten 15 Jahren ungefähr 1,5% pro Jahr gewachsen und mehr als die Hälfte dieses Wachstums ist auf die Einwanderung zurückzuführen. Viele wohlhabende oder hochqualifizierte Menschen wandern nach Australien aus. Tatsächlich zieht Australien mehr Millionäre an als jedes andere Land der Welt, einschließlich der USA. Sie können vom ersten Tag ihrer Ankunft an einen Beitrag zur Wirtschaft leisten und das trägt ganz erheblich zum Wirtschaftswachstum im Land bei.
Und was gefällt Ihnen bei den Dividenden?
Eine relativ hohe Ausschüttungsquote. Im Durchschnitt werden etwa 70% des Nettogewinns in Form von Dividenden ausgeschüttet, so dass Australien eine der attraktivsten Dividendenrenditen der Welt aufweist. Da sich unser Fonds sehr stark auf Dividenden konzentriert, ist Australien für uns ein toller Investitionsstandort.
Rohstoffe sind für Sie weniger entscheidend?
Doch. Australien ist auch ein Land, das mit vielen Rohstoffen gesegnet ist. Viele verschiedene Arten von Rohstoffen, also unedle Metalle, Edelmetalle, weiche Rohstoffe und verschiedene Formen von Energie. Und da die Bevölkerung mit etwa 26 Millionen Menschen im Verhältnis zur Größe der Landmasse sehr klein ist, sind wir zuversichtlich, dass Australien noch viele, viele Jahrzehnte lang Netto-Exporteur fast aller Arten von Rohstoffen sein wird, die man sich vorstellen kann. Nur bei Erdöl ist Australien ein Netto-Importeur. Bei allen anderen wichtigen Energiearten – Kohle, Gas, Lithium und Uran – exportiert das Land.
Und worauf setzen Sie?
Wir glauben, dass der Kupferpreis noch viel Potenzial hat. Wir investieren gerne in Gold. Wir investieren aber auch gerne in Gas. Und Flüssiggas ist etwas, wovon Australien mit einer großen Menge gesegnet ist.
Was gefällt Ihnen noch an Australien?
Uns gefällt die Tatsache, dass die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP in Australien nur etwa 50% beträgt, was viel niedriger als in den meisten entwickelten Märkten der Welt ist. Sicherlich viel niedriger als in Japan, den USA und den meisten europäischen Ländern. In diesem Finanzjahr, das in Australien Ende Juni endet, ist es wahrscheinlich, dass das Land das zweite Jahr in Folge einen Haushaltsüberschuss erzielen wird. Diese starke Haushaltsposition ermöglicht es der Regierung, die Steuern zu senken oder mehr für die Infrastruktur auszugeben, wenn sie der Meinung ist, dass die Binnenwirtschaft angekurbelt werden muss. Und wir sind der Meinung, dass Australien geopolitisch gut aufgestellt ist, da es sehr enge Verbindungen zu den USA und Europa hat.
Auf welche Unternehmen setzten Sie denn down under?
Wir haben insgesamt 30 Beteiligungen in der Region und davon neun allein in Australien. Die sind zum Teil auf die Binnenwirtschaft ausgerichtet. Wir haben eine Versicherungsgesellschaft Suncorp, einen Mautstraßenbetreiber Transurban, eine Immobiliengesellschaft Dexus und wir haben Amcor, ein globales Verpackungsunternehmen. Amcor war ursprünglich im australischen Geschäft tätig, aber es ist so stark gewachsen, dass es inzwischen eines der größten Verpackungsunternehmen der Welt ist.
Keine Exporteure?
Wir haben auch Exporteure. Woodside Energy, einen Öl- und Gasproduzenten, zwei Bergbauunternehmen, darunter BHP, das größte Bergbauunternehmen der Welt. Die Macquarie Group, die allerdings auch Bankgeschäfte in Australien betreibt. Aber die Macquarie Group ist der größte Verwalter von Infrastrukturanlagen auf globaler Basis, sodass ein größerer Teil ihrer Einnahmen außerhalb Australiens erzielt wird. Und dann haben wir noch einen Goldminenbetreiber: Newmont ist eigentlich ein amerikanisches Unternehmen, aber es ist in Australien notiert, weil Australien das größte Land in Bezug auf seine Vermögenswerte ist. Der CEO ist ebenfalls Australier. Obwohl es also offiziell ein amerikanisches Unternehmen ist, ist es eher australisch als amerikanisch. Alle diese Unternehmen haben attraktive Dividendenrenditen und wir sind zuversichtlich, dass die Dividenden wachsen werden. Die Aktien, die wir in Australien besitzen, weisen eine höhere Rendite auf als die Rendite der 10-jährigen australischen Staatsanleihen.
Welche Risiken sehen Sie für Australien?
Da Australien so viele Rohstoffe exportiert, würde sich eine weltweite Rezession natürlich negativ auswirken. Wenn China im Besonderen eine viel geringere Nachfrage nach Rohstoffen hätte, würde das Australiens Wirtschaft schaden.
Die Beziehungen zu China waren in den letzten Jahren ziemlich kompliziert. Sehen Sie da irgendwelche Risiken?
Sie haben Recht. Australien war eines der Länder, die eine sehr offene Untersuchung über die Ursprünge von Covid forderten, was den Chinesen nicht gefiel. Sie erhöhten daraufhin die Zölle auf eine Reihe von australischen Importen. Inzwischen hat sich die politische Situation verbessert, aber Australien ist ein enger US-Verbündeter und die Spannungen zwischen den USA und China betreffen damit auch Australien. Nun hat Biden Zölle erhöht und es würde uns nicht überraschen, wenn es zu einer Eskalation käme. Daher haben wir derzeit keine Beteiligungen auf dem chinesischen Festland.
Aktienmärkte wie der in Indien haben zuletzt einen Rekord nach dem anderen aufgestellt. Wie sieht es mit dem australischen Aktienmarkt aus?
Der australische Aktienmarkt ist nicht weit von seinem Allzeithoch entfernt. Der einzige Aktienmarkt der Welt, der sich zuletzt besser entwickelt hat, sind die USA, und das auch nur sehr, sehr knapp. Der australische Aktienmarkt hat den chinesischen Hang Seng China Enterprises Index um weit über 1.000% übertroffen. In den letzten 30 Jahren hat Australien also massiv besser abgeschnitten als China.
Zur Person: Jason Pidcock ist Fondsmanager und Head of Strategy im Asian Income Team von Jupiter Asset Management. Vor seinem Eintritt in das Unternehmen war Pidcock bei Newton tätig, wo er von 2005 bis 2015 einen asiatischen Dividendenaktienfonds managte.
Das Interview führte Tobias Möllers.Das Interview führte Tobias Möllers.