Kapitalmarktausblick

Beim Dax ist die Stimmung schlechter als die Lage

Eine Renaissance bei Anleihen ist für die DWS 2024 ausgemacht. Für die Perspektiven bei Aktien stelle sich die Frage, "können" oder "müssen" die Zentralbanken die Zinsen wieder senken. Obwohl der Dax und europäische Aktien derzeit deutlich günstiger bewertet sind als US-Titel, brauche es positive Nachrichten, um die Nachfrage der Investoren zu motivieren.

Beim Dax ist die Stimmung schlechter als die Lage

„Beim Dax ist die Stimmung schlechter als die Lage“

DWS erwartet Rezession in den USA – Zinssenkungen, global schwaches Wachstum und niedrige Inflation ideales Umfeld für Anleihen

Eine Renaissance bei Anleihen ist für die DWS 2024 ausgemacht. Für die Perspektiven bei Aktien stelle sich die Frage, "können" oder "müssen" die Zentralbanken die Zinsen wieder senken. Obwohl der Dax und europäische Aktien derzeit deutlich günstiger bewertet sind als US-Titel, brauche es positive Nachrichten, um die Nachfrage der Investoren zu motivieren.

hei Frankfurt

Das mit dem Etikett „higher for longer“ versehene aktuelle Zinsumfeld wird aus Sicht der DWS auch im kommenden Jahr das zentrale Leitmotiv für alle Assetklassen bleiben, auch wenn die Kapitalmarktstrategen der Deutsche-Bank-Tochter davon ausgehen, dass sowohl die Fed als auch die EZB den Zinsgipfel erreicht haben und beide „Mitte kommenden Jahres“ beginnen, die Leitzinsen wieder zu senken. „Wir gehen aktuell von einer leichten Rezession in den USA und einem geringen Wirtschaftswachstum in Europa aus, umreißt Björn Jesch, Chief Investment Officer (CIO) der DWS, im Pressegespräch das ökonomische Gesamtbild für 2024.

Renaissance für Fixed Income

Er rechnet wie Experten in anderen Häusern auch mit einer „Renaissance bei Fixed Income“. Drei Zinsschritte sollten aus seiner Sicht drin sein, so dass die Yields auf breiter Front sinken dürften und sich allmählich eine „Normalisierung“ der Kurve einstellen dürfte. Während bei Staatsanleihen 10-jährige US-Treasuries und Emerging-Markets-Staatsanleihen einen attraktiven Total Return von 8,1% bzw. 10,5% abwerfen dürften, sind die Ertragsperspektiven bei Aktien aus Sicht der DWS erstmals schwächer mit einem erwarteten Total Return von 6% global.

Oliver Eichmann, Head of Rates, Fixed Income EMEA, erläutert die positive Sicht auf die Rentenmärkte aufgrund von drei Faktoren, die „in der Regel ein sehr gutes Umfeld bilden“: der Start eines Zinssenkungszyklus, schwaches Wirtschaftswachstum und eine sinkende Inflation. Den Investmentfokus legt die DWS dabei auf kurze bis mittlere Laufzeiten, wobei die 2-jährigen und 10-jährigen US-Titel mit 3,95% bzw. 4,2% mehr abwerfen dürften als die entsprechenden Bundesanleihen mit 2,5% bzw. 2,7%. Jenseits staatlicher Titel sollten die Anleger bei Corporates einen Blick auf den High-Yields-Markt werfen. Denn insgesamt hat der Unternehmenssektor sich im Angesicht der Zinswende und konjunktureller Schwäche als wetterfest erwiesen. Entsprechend gut sei die Ratingqualität und das Ausfallrisiko moderat. Ein wachsender Mittelzustrom stütze die Spreads.

Verglichen mit einem insgesamt sehr attraktiven Fixed-Income-Markt sind Aktien erstmals seit Jahren für Anleger nicht mehr erste oder gar einzige Wahl. Mit einer erwarteten Gesamtrendite von 6% zeigt sich die DWS für Aktien global pessimistischer als die aktuellen Konsensschätzungen, betont Markus Poppe, Co-Head European Equities. Er geht davon aus, dass das Ergebniswachstum bei den Unternehmen vom Markt durch die Bank zu optimistisch eingeschätzt wird. Insbesondere in Europa und Deutschland rechnet die DWS nur mit einem Ergebnisplus je Aktie von 4%, während der Konsens von 6% bzw. für den Dax sogar von 8% ausgeht.

Echte Impulse nötig

Zwar räumt Poppe ein, dass bei den Investoren gegenüber dem Dax die Stimmung schlechter ist als die Lage, allerdings braucht es für echte Kursimpulse nach seiner Meinung deutlich positive Nachrichten bei der operativen Entwicklung, und die dürften sich nicht überall einstellen. So sei insbesondere bei indexschweren Automobilwerten sowie auch bei Zulieferern wie Continental mit erheblichem Ergebnisdruck zu rechnen. Dagegen dürfte sich in anderen Industrien, namentlich in der Chemie, die dieses Jahr deutliche Ergebniseinbrüche hinnehmen musste, ein vorteilhafter Basiseffekt bemerkbar machen. Allerdings dürfte es in einem konjunkturell schwierigen Umfeld vielen Unternehmen insgesamt schwerfallen, ihre Ergebnisentwicklung mit Preiserhöhungen zu stützen. Der Nachholeffekt aus der Pandemie ist verpufft und die Inflation dämpft die Zahlungsbereitschaft. Als interessant betrachtet die DWS in Deutschland und Europa eher das Small- und Mid-Cap-Segment, hier seien die Bewertungen ebenfalls günstig. Außerdem gebe ein Engagement den Investoren die Möglichkeit, „günstig an Innovation teilzuhaben“, betont Jesch.

„Proxy“ für China

Sehr gute Investmentgelegenheiten sehen die Experten in japanischen Aktien. Hier kommen mehrere Vorteile zusammen: positive Währungseffekte aufgrund der Yen-Schwäche, ein gutes Momentum bei den Unternehmensergebnissen und außerdem die Chance, mittelbar von der Erholung Chinas zu profitieren. Für die chinesische Wirtschaft, die sich 2023 enttäuschend entwickelte, rechnet die DWS nun mit einem Wachstum von 4,7%. Japanische Unternehmen hätten aufgrund auch geografischer Nähe in der Regel einen Umsatzanteil von 20% in China und wären daher „ein Proxy“ für den dortigen Aktienmarkt.

Ergebnisse entscheidend

Generell werde die Entwicklung bei Aktien im kommenden Jahr ausschließlich durch die Ergebnisentwicklung getrieben, so Poppe. „Multiples werden nicht steigen“, glaubt er. Das gilt natürlich besonders für US-Aktien, denn das Kurs-Gewinn-Verhältnis im S&P 500 liegt bereits deutlich höher als in Stoxx, Euro Stoxx und Dax. Triebfeder ist hier natürlich vor allem Big Tech. Die „Magnificent 7“ dürften allerdings auch 2024 ihre vergleichsweise extrem hohe Gewinndynamik beibehalten. Sie winken im kommenden Jahr mit Gewinnsprüngen von 24% je Aktie.

Die Rally ernährt sich hier aus Sicht der Experten sozusagen selbst, denn die Anleger neigen dabei zum Motto „Bleibe bei Gewinnern“. Die großen US-Technologieunternehmen zeichnen sich durch äußerst robuste Geschäftsmodelle und eine hohen Anpassungsfähigkeit aus, so die Einschätzung der DWS. Das zieht gerade auch 2024, in dem wachsende geopolitische Spannungen und die US-Wahl in den Blick der Investoren geraten – auch wenn politische Einflussfaktoren nicht überschätzt werden sollten. Insbesondere was die US-Wahl betrifft, rechnet die DWS nicht mit einem „major impact“ auf die Märkte.

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