Devisenanalyse

Bleibt die Gemeinschaftswährung robust?

Nach Meinung von Eugen Keller, dem Leiter der Devisen- und Rentenmarktstrategie beim Bankhaus Metzler in Frankfurt, zeigt sich die übergeordnete Gemengelage für den Euro derzeit noch relativ ausgeglichen bis leicht Euro-positiv.

Bleibt die Gemeinschaftswährung robust?

Devisenanalyse

Bleibt die Gemeinschaftswährung robust?

Die Gemengelage für den Euro zeigt sich noch relativ ausgeglichen

Die Gemeinschaftswährung präsentierte sich seit Ende des dritten Quartals 2022 von ihrer starken Seite, auf breiter Front ging es gegen die wichtigsten Valuten der Welt bis Mitte Juli 2023 nach oben. Danach setzte eine kleinere Korrektur bzw. im Nachgang eine längere Seitwärtskonsolidierung ein, zumindest gegenüber dem US-Dollar. In der Liste der Haupthandelswährungen liegt seit dem 28. September 2022 – dem Zeitpunkt, an dem der Euro zur Kehrtwende ansetzte – nur das britische Pfund (+4,9%) gegenüber dem Euro im Plus. Hauptverlierer waren in dieser Zeit die Emerging-Markets-Valuten, bei denen sich das Minus bis in den zweistelligen Bereich hochschaukelte. Von den großen Verlierern, dem russischen Rubel (−19,1%) und der türkischen Lira (−44,6%), ganz zu schweigen.

Die deutlich gestiegenen EWU-Renditen waren wohl der Hauptauslöser für die Euro-Erholung – immerhin standen wir im zehnjährigen Bund-Bereich noch Anfang März 2022  im Minus. Aktuell rentieren zehnjährige Bunds bei 2,47%, zehnjährige italienische Staatsanleihen bei 3,77%. Sie rangieren damit gut 45 Basispunkte unter den zehnjährigen US-Renditen; vorbei also die Zeit, in der Staatsanleihen der Eurozone am langen Ende einen Renditevorsprung hatten. Nachdem die Fed ihren Zinserhöhungszyklus im Juni 2023 unterbrochen hatte und der Markt für den 18. September nun die erste Senkung der Fed Funds Target Rate anvisiert, hat der Greenback am Devisenmarkt Gegenwind bekommen. Denn neben einem weiteren Zinsschritt im Dezember preisen die Futures-Märkte bereits vier weitere Leitzinssenkungen für 2025 ein.

Positive Inflationsdaten

Unseres Erachtens gibt es allerdings mehrere Gründe dafür, dass die US-Dollar-Schwäche nicht von langer Dauer sein dürfte: Einerseits gilt der Greenback vielen Anlegern noch immer als die beste Versicherung gegen globale Rezessionsrisiken. Und die Gefahren sind nach den extrem schwachen PMIs im Juni wieder größer geworden. Andererseits ziehen die US-amerikanischen Aktienmärkte, die über Jahre ihre Bastion der relativen Stärke im internationalen Kontext verteidigen konnten, noch immer Kapital an. Nicht zuletzt, da das Wachstum weiterhin relativ robust ist, auch wenn es sich über die vergangenen beiden Quartale abgeschwächt hat. Zudem lässt das Thema KI weiterhin grüßen und die „glorreichen sieben“ Tech-Aktien (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) magnetisch erscheinen. Positiv ist sicherlich auch, dass sich die amerikanische Headline-Inflation auf 3% zurückgebildet hat und nach wie vor Vollbeschäftigung herrscht, was den Konsum stützt.

Allerdings geht dem wichtigsten BIP-Treiber mehr und mehr die Puste aus, da gerade die unteren Einkommensgruppen ihre hohen Ersparnisse aus der Pandemie aufgebraucht haben und die in den vergangenen drei Jahren stark gestiegenen Preise oft kaum noch bezahlen können. Die robuste Nachfrage nach Dienstleistungen konnte bisher eine stärkere Abschwächung der US-Wirtschaft jedoch verhindern. So gibt es unter anderem ein Rekordvolumen an Reisebuchungen in diesem Sommer.

Kein Ausbruch

Ungeachtet der Dollar-positiven Einflussfaktoren ist es EUR/USD nicht gelungen, aus der intakten Seitwärtsrange (1,05–1,11) nach unten auszubrechen. Treiber dieser Dollar-positiven Bewegung waren lange Zeit hawkishe Kommentare von Fed-Gouverneuren, die angesichts der (zu) hohen (Kern-)Inflation und der Robustheit der US-Wirtschaft einer restriktiven Geldpolitik lange Zeit das Wort redeten. Dies ist nach den jüngsten Wirtschaftsdaten nun allerdings vorüber. Mit Blick auf die vom Markt eingepreisten Zinssenkungen werden per Jahresende nun 61 Basispunkte Senkung für die Fed Funds Target Rate, gegenüber lediglich 44 Basispunkten für den EZB-Refinanzierungssatz, eingepreist.

US-Konjunkturpessimisten gehen davon aus, dass sich das Zins- und Wachstumsdifferential kurz- bis mittelfristig wieder etwas zugunsten der Eurozone bzw. des Euro verschiebt. Belastend für die Gemeinschaftswährung muss jedoch eingeräumt werden, dass die „französischen Risiken“ keinesfalls vom Tisch sind. Vom amerikanischen Immobilienmarkt – einem konjunkturellen Frühindikator – wurden zuletzt sehr schwache Daten veröffentlicht. Die hohen Immobilienpreise, gekoppelt mit hohen Hypothekenzinsen, machen derzeit Wohnimmobilien sogar weniger erschwinglich als zum Hochpunkt der Immobilienblase in den USA im Jahr 2007.

Ausufernde Verschuldung in den USA

Den US-Dollar weiter schwächen könnte zudem die ausufernde Verschuldung der USA, die der Devisenmarkt als belastendes Thema bislang nur temporär zugelassen hat. Die Staatsverschuldung beträgt inzwischen knapp 35 Billionen US-Dollar und damit bereits ca. 122% (!) der Wirtschaftsleistung. Im Zusammenspiel mit den hohen US-Handels- und Leistungsbilanzdefiziten sollten die derzeit unterstützenden Faktoren für den Greenback deshalb auch nicht überbewertet werden.

Ein Punkt, der kurzfristig den Euro weiter unterstützen könnte, ist die starke Reduzierung der Euro-long-Positionierung der spekulativen Anleger. Aus dieser Konstellation könnte sich für EUR/USD durchaus noch etwas Aufwärtspotenzial ergeben. Auch der bereits seit knapp zweieinhalb Jahren wütende Ukraine-Krieg und die Hoffnung auf einen Waffenstillstand bzw. eine friedliche Lösung würden der Gemeinschaftswährung Rückenwind verleihen. Saisonal steht EUR/USD ab Mitte August zudem eine historisch starke Periode ins Haus.

Insgesamt zeigt sich die übergeordnete Gemengelage unseres Erachtens derzeit noch relativ ausgeglichen bis leicht Euro-positiv. Anleger, die Euro-long positioniert sind, sollten allerdings die Augen offenhalten. Mit Blick auf unsere EUR/USD-Währungsprognose (1,10 per Jahresende) hält sich die Fantasie für eine weitere nachhaltige Euro-Erholung in engen Grenzen. Wenn überhaupt, halten wir bestenfalls ein erneutes, kurzfristiges Überschießen in Richtung 1,13 für möglich.

Von Eugen Keller *)

*) Der Autor arbeitet als Leiter der Devisen- und Rentenmarktstrategie beim Bankhaus Metzler in Frankfurt.