ExklusivKonkurrenz für den Dax

Bloomberg greift mit neuen Indizes in Europa an

Der Datendienstleister Bloomberg lanciert neue regionale Aktienindizes für Australien, Kanada und Europa. Damit macht er nicht nur dem Dax als wichtigstem Auswahlbarometer der Deutschen Börse Konkurrenz – sondern setzt auch seine Attacke aufs globale Benchmark-Oligopol fort.

Bloomberg greift mit neuen Indizes in Europa an

Bloomberg greift mit neuen Indizes in Europa an

US-Datendienstleister lanciert Konkurrenzprodukt für Dax – Methodik auf Basis „harter Faktoren“ – Attacke auf globales Benchmark-Oligopol

Der US-Datendienstleister Bloomberg lanciert regionale Aktienindizes für Australien, Kanada und europäische Einzelmärkte. Mit seinem Germany 40 macht er nicht nur dem Dax als wichtigstem Auswahlbarometer der Deutschen Börse Konkurrenz – sondern intensiviert auch seine Attacke aufs globale Benchmark-Oligopol.

xaw New York

Der Wettbewerb im Markt für Aktienindizes nimmt Fahrt auf. So greift der Informationsdienstleister Bloomberg mit mehr als 50 neuen Benchmarks für Australien, Kanada und Europa an – und macht auch den Auswahlbarometern der Deutschen Börse Konkurrenz, wie die Börsen-Zeitung vorab erfahren hat. Denn das Unternehmen bringt unter anderem einen Bloomberg Germany 40 an den Start, der sich auf mehreren Ebenen vom Dax unterscheiden soll.

„Wir haben die Diskussion um all die Regulierungen und weichen Kriterien, die in die Zusammensetzung des Dax einfließen, natürlich verfolgt“, sagt Allison Stone, Leiterin für Multi-Asset-Indexmanagement bei Bloomberg, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung in der New Yorker Zentrale des Unternehmens. „Wir wollen unseren Index davon abheben, indem wir unsere Methodik nur auf harten Faktoren und einheitlichen Regeln basieren.“

Zahlreiche Abweichungen zwischen Barometern

Auch die Termine für die Zusammensetzung des Bloomberg Germany 40 würden von jenen des Dax abweichen: Die Deutsche Börse überprüft ihre Indizes vierteljährlich im März, Juni, September und Dezember. Bloomberg gewichtet zu diesen Quartalsenden allgemein lediglich die vorhandenen Werte in ihren Aktienbarometern neu, Aufnahmen und Abgänge werden hingegen nur im März und September beschlossen. „Diese Unterschiede stellen eine positive Entwicklung für den Markt dar, weil Teilnehmer die Indizes somit vergleichen und eine Auswahl nach ihren Bedürfnissen treffen können“, unterstreicht Stone.

Stone spielt mit ihren Äußerungen auf die große Indexreform der Deutschen Börse an, die der Marktbetreiber im Nachgang des Skandals um den Zahlungsdienstleister Wirecard anstieß, der selbst nach seiner Insolvenzanmeldung im Juni 2020 noch wochenlang im wichtigsten deutschen Aktienbarometer verblieben war. Der Dax erfuhr darauf eine Reihe einschneidender Veränderungen: Eine Ausweitung auf 40 Werte, aber auch die Einführung neuer Qualitätskriterien.

Kappungsgrenzen im Fokus

Unmittelbar nach Beschluss der Reform trat beispielsweise das Profitabilitätskriterium in Kraft. Danach müssen Unternehmen als Voraussetzung für die Aufnahme in den Dax für mindestens zwei Geschäftsjahre in Folge ein positives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen vorweisen. Bei Bloomberg ist die Profitabilität – hier gemessen an den beiden Faktoren der Rendite auf die gesamten Assets eines Unternehmens und der Nettomarge – nur für die Aufnahme in Indizes für Qualitätsaktien entscheidend.

Bei regionalen Barometern zählt hingegen die Free-Float-Marktkapitalisierung maßgeblich sowohl für die Indexaufnahme als auch für die -Gewichtung. Dabei dürfen Einzelwerte in einem Barometer maximal ein Gewicht von 15% einnehmen. Auf dieses Niveau hat auch die Deutsche Börse ihre Kappungsgrenze für den deutschen Leitindex angehoben, nachdem das alte Limit von 10% im Februar 2023 zum Delisting des bis dahin schwersten Dax-Werts Linde geführt hatte.

„Weiche Faktoren“ außen vor

Bei den Auswahlindizes der Deutschen Börse greifen unterdessen auch Regeln zur rechtzeitigen Publikation von Quartalsberichten sowie bestimmte Vorschriften aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex, darunter die Pflicht, einen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat vorweisen zu können – ein „weicher Faktor“, wie es ihn bei Bloomberg nach der Darstellung von Stone wohl nicht geben wird.

Bei allen Vergleichen zwischen dem neuen Bloomberg Germany 40 und dem Dax fliegt die Ambition bei Bloomberg aber noch höher. Der Datendienst arbeitet darauf hin, die Dominanz der global führenden Indexanbieter S&P Dow Jones, MSCI und FTSE Russell aufzubrechen, deren Barometer die Aktienmärkte prägen. Im Jahr 2014 übernahm Bloomberg die Verwaltung ihres Rohstoffindex, der zuvor unter dem Banner von Dow Jones und der UBS firmierte. Darauf folgte die Übernahme der Fixed-Income-Indizes von Barclays 2016, bevor das Unternehmen ab 2019 sein Aktienindex-Angebot aufbaute.

„Wir wollen zum One-Stop-Shop für unsere Kunden werden“, betont Stone. Damit wolle Bloomberg den aktuellen Markt, in dem ETF-Anbieter eine Vielzahl an Kontrakten mit verschiedenen Indexfirmen wie FTSE und S&P Dow Jones bräuchten, aufrollen. „Eine Konsolidierung und eine Ablösung dieser alten Kontrakte bedeutet für uns und die ETF-Branche eine hohe Wertschöpfung und bietet große Skalierungsmöglichkeiten“, sagt die Indexspezialistin.

Wettbewerb zieht an

Insgesamt sieht Stone im Aktienindex-Geschäft nach einer langen Dominanz einiger weniger Adressen einen verstärkten Wettbewerb. „Bloomberg war die erste große Marke mit einem etablierten Netzwerk und weitreichenden Datenzugängen seit zwei Jahrzehnten, die in den Markt eingetreten ist“, unterstreicht die Managerin. Ansonsten sei lediglich eine gewisse Zahl an Niedrigkostenanbietern ins Segment vorgedrungen, die aber keine breite Produktsuite anbieten könnten.

Ein härterer Wettbewerb bedeute natürlich, dass es Diskussionen um die Bepreisung der Indizes geben werde. In den vorangegangenen Jahren hat die allgemeine Verschiebung vom aktiven ins passive Assetmanagement an den globalen Märkten stark zum Vorteil der Benchmark-Anbieter gewirkt, wie Morningstar betont. Eine Konsolidierung in der Indexbranche habe die dominanten Spieler befähigt, ihre Profitabilität stark auszuweiten, indem sie Lizenzgebühren im Vergleich zur Inflation überproportional angehoben hätten. Bei S&P und MSCI belief sich die operative Marge im Indexgeschäft im vierten Quartal 2023 trotz härterer Konkurrenz auf 66 bzw. über 76%.

Hoffnung auf Preiskampf

Laut Studien von Forschern der US-Renommieruniversität Johns Hopkins, der University of California at Berkeley und der University of Washington ist der Anteil an der Gesamtkostenquote, den amerikanische ETF-Anbieter für Lizenzgebühren an Indexfirmen abführen, zwischen 2010 und 2019 von bereits hohen 31,4% auf 35,7% geklettert. Der ehemalige Chef des französischen Vermögensverwalters Amundi, Yves Perrier, bezeichnete das Oligopol unter den Anbietern und die Kosten für die Nutzung der Benchmarks bereits 2021 im Gespräch mit der „Financial Times“ als „echtes Problem“. Denn letztlich begrenzen die Gebührenanstiege auch die Möglichkeiten der Assetmanager, Kunden über eine noch niedrigere Bepreisung von Passivvehikeln zu locken.

Bloomberg wolle sich aber nicht vorrangig durch die Kosten, sondern „durch die Dienstleistungen von der Konkurrenz abheben, die wir über die bloße Bereitstellung des Index hinaus anbieten“, sagt Stone. Dazu zählten Analysen und Beratung auf Basis von Daten aus dem Bloomberg Terminal und die Schulung von Fondsvertrieblern zu den Vorzügen bestimmter Marktbarometer.

Bloomberg bringt neben Indizes für Deutschland, Kanada und Australien nun auch Benchmarks in Preis-, Total- und Net-Return-Ausführungen für Länder wie das Vereinigte Königreich, die Schweiz, Frankreich und Italien an den Start. Mario Romano, CEO des Investmentmanagers Sella SGR, bezeichnet die neuen Barometer als „willkommene Alternative für das Benchmarking des italienischen Marktes“.

Potenzial für Expansion

Bloomberg sieht indes bereits Potenzial für eine weitere Expansion des Angebots in Regionen wie Asien-Pazifik oder andere Teile Nord- und Südamerikas. „Wenn es in bestimmten Märkten außerdem eine Nachfrage nach Indizes für kleinere Werte gibt, wären wir auf jeden Fall in der Lage, unsere Produktpalette in diese Richtung auszubauen“, fügt Stone hinzu. Durch das Angebot in Europa und anderen neuen Märkten will Bloomberg sich zudem auch in Stellung bringen, um die eigene Wettbewerbsposition im Heimatmarkt USA zu stärken – auf dem auch der Fokus der anderen global führenden Indexanbieter um S&P Dow Jones ganz besonders liegt.