BP auf tiefstem Stand seit 1995
Die Coronakrise und die Energiewende machen der BP-Aktie schwer zu schaffen. Mit einem Verlust in diesem Jahr von rund 55 % notiert sie auf dem niedrigsten Niveau seit rund 25 Jahren. Auf dem extrem gedrückten Kursniveau hat sich das Chance-Risiko-Verhältnis mittlerweile erheblich verbessert.Von Christopher Kalbhenn, Frankfurt Der Kurs der BP-Aktie fällt und fällt. Bei nur noch 214 Pence liegt die Notierung des britischen Ölkonzerns. Damit hat sie mittlerweile das im Corona-Crash Mitte März erreichte Tief unterschritten und seit dem Jahresbeginn rund 55 % eingebüßt. Mehr noch: Der Kurs liegt sogar deutlich unter den Tiefstständen, die nach dem Lehman-Kollaps (rund 375 Pence) im Jahr 2008 und nach der Deepwater-Horizon-Katastrophe im Jahr 2010 (300 Pence) erreicht wurden. So niedrig wie zurzeit notierte der Titel zuletzt im Jahr 1995.Für den britischen Finanzmarkt ist das ein Schock. Denn BP gehört zu den Ikonen des Marktes, nicht zuletzt von Pensionsfonds wegen hoher Dividenden geschätzt. Im August teilte das Unternehmen jedoch mit, dass es seine Dividende halbieren muss, und Analysten gehen davon aus, dass die Ausschüttung noch weiter senken wird. Die Coronakrise hat den Konzern im ersten Halbjahr in die Verlustzone gedrückt. Durch den Lockdown und die damit ausgelöste Rezession ist die globale Ölnachfrage eingebrochen, was die Preise für den Energieträger hat absacken lassen, nachdem sie bereits im zurückliegenden Jahr deutlich nachgegeben hatten.Wie andere Ölkonzerne auch hat BP zusätzlich eine weitere, langfristige Herausforderung zu bewältigen: die Energiewende. Durch den Klimawandel und die weltweiten Anstrengungen zu seiner Bekämpfung wird sich die Nachfrage in den kommenden Jahrzehnten deutlich weiter weg von fossilen Energieträgern hinzu nachhaltigen Energiequellen verschieben. Wie BP selbst in ihrem “Energieausblick” 2020 im September erklärte: “Die Struktur des Energiebedarfs wird sich wahrscheinlich im Laufe der Zeit ändern: Die abnehmende Rolle fossiler Brennstoffe wird durch einen zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien und einer wachsenden Rolle der Elektrizität ausgeglichen.” Einstieg in saubere EnergienDas Unternehmen hat sich unter die Branchenriesen eingereiht, die auf die Energiewende mit einem Umbau reagieren. Laut der im August vorgestellten Strategie sollen die Investitionen in saubere Energiequellen innerhalb von zehn Jahren auf dann rund 5 Mrd. Dollar verzehnfacht und eine Kapazität von 50 Gigawatt erreicht werden. Gleichzeitig soll die Öl- und Gasförderung in diesem Zeitraum um mindestens 1 Mill. Barrel Öläquivalent pro Tag gesenkt werden, eine Reduzierung um rund 40 %. Der Ankündigung folgten einen Monat später Taten: Im September gab BP bekannt, künftig gemeinsam mit der norwegischen Equinor Offshore-Windkraftparks in den USA zu entwickeln. Komplexer UmbauFür Investoren stellt sich nun die Frage, ob BP auf dem extrem gedrückten Kursniveau eine günstige Einstiegsgelegenheit bietet. Die DZ Bank (Halteempfehlung mit Fair Value von 280 Pence) und die Berenberg Bank (“Hold”, 260 Pence) verweisen darauf, dass der angestoßene Konzernumbau hochkomplex und mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist, etwa weil sich Verkäufe von Aktivitäten schwierig gestalten, Umsetzungsrisiken bestehen und das angestrebte Wachstum im Bereich erneuerbare Energien zu Lasten der Margen gehen könnten.Mittelfristig könnte BP jedoch interessant werden. Öl und Gas werden auch in den kommenden Jahren als Energieträger unverzichtbar sein, die Energiewende noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Entscheidend für die geschäftliche Entwicklung der Ölkonzerne wird daher zunächst die Bewältigung der Pandemie und damit eine Rückkehr der Weltwirtschaft zur Normalität sein. Darin liegt ein großer Hebel für die Aktie, denn damit würden sich die Öl- und Gaspreise deutlich erholen.Auch wenn weitere Kurstiefen nicht ausgeschlossen werden können – angesichts der Unwägbarkeiten durch die Pandemie ist ein Einstieg in BP eine Timing-Frage – steht fest, dass sich das Abwärtspotenzial mittlerweile in recht engen Grenzen hält, d. h. sich das Chance-Risiko-Potenzial verbessert hat. Nicht zuletzt die Bewertung könnte die Aktie wieder interessant machen. So errechnet die Berenberg Bank für das Jahr 2022, einen Brent-Ölpreis von 65 Dollar (derzeit 42,37 Dollar) unterstellend, ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 5. Trotz der Kürzung der Ausschüttung kann sich zudem die Dividendenrendite sehen lassen. So kommt Berenberg eine weitere Kürzung der Dividende im kommenden Jahr von 26 auf 21 Pence unterstellend auf eine Rendite von immerhin 7,3 %.