BVB-Aktie soll Wettschein-Image abschütteln
Geld oder Brief
BVB will Wettschein-Image abschütteln
Von Alex Wehnert, New York
Serhou Guirassy beschert Borussia Dortmund einen Geldregen. Der Stürmer aus Guinea schießt den BVB mit seinen zwei Treffern im Achtelfinale der Klub-Weltmeisterschaft gegen den mexikanischen Vertreter Monterrey zum Sieg, durch den Einzug ins Viertelfinale gegen Real Madrid fließen zusätzliche 13,125 Mill. Dollar in die Kassen der Schwarz-Gelben. Überhaupt hat Guirassy mit seinen Treffern in den vergangenen Monaten entscheidenden Anteil daran, dass der Borussia nach einer schwierigen Saison als Bundesliga-Vierter noch der Einzug in die Champions League, den großen Geldbringer im europäischen Vereinsfußball, geschafft hat.
Aktie auf Einjahreshoch
Infolge des starken Schlussspurts der vergangenen Saison liegt die Aktie des BVB seit Anfang April steil im Aufwind und hat zuletzt den höchsten Stand seit Mai 2024 markiert – damals gelang Dortmund überraschend der Einzug ins Champions-League-Finale, das wiederum gegen Real Madrid verloren ging. Sportliche Erfolge und Misserfolge sind schließlich der entscheidende kurzfristige Faktor für den Anteilsschein der seit 2000 börsennotierten Borussia. „Anleger müssen sich natürlich gewahr sein, dass unser Unternehmenszweck der professionelle Vereinsfußball ist und Resultate auf dem Platz Einfluss auf den Aktienkurs haben“, sagt Robin Steden, beim BVB für Recht und Investor Relations verantwortlich, gegenüber der Börsen-Zeitung.

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Allerdings will die Geschäftsleitung darauf hinwirken, dass sich der Blick des Kapitalmarkts auf den Titel verändert. „Unsere Aktie ist kein Fanartikel mehr und auch kein Sportwettschein, sondern ein ernstzunehmendes Wertpapier“, sagt Steden. Schließlich seien inzwischen mehr als 100 Millionen Anteilsscheine von Borussia Dortmund im Umlauf. Zwar sei es aufgrund der noch immer hohen Zinsen für viele Nebenwerte noch immer nicht einfach, Investoren anzuziehen, die nach Liquidität der täglich gehandelten Aktienvolumina strebten. Doch hielten institutionelle Investoren aus den USA oder Großbritannien inzwischen durchaus bedeutende Positionen beim BVB, unter anderem auch ein großer US-Pensionsfonds.
„Es ist angesichts des wachsenden Interesses an Fußball kein Zufall, dass es in den USA ein großes Interesse von Finanzinvestoren gibt“, sagt Steden. „Durch die 50+1-Regel kann allerdings niemand einen deutschen Profi-Fußballclub ganz übernehmen, unsere Mitglieder halten immer die Mehrheit.“ Deshalb gelte es das Interesse großer Investmentgesellschaften sorgfältig zu filtern. „Wir sehen Modelle, bei denen ein Investor mit großen Positionen bei mehreren Fußball-Clubs beteiligt ist, im Gegensatz zu einigen europäischen Wettbewerbern ja eher kritisch“, betont auch Carsten Cramer, Mitgeschäftsführer von Borussia Dortmund, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Wachstumsmarkt Amerika
Der Managing Director hat Amerika zum Wachstumsmarkt erklärt, da der BVB hinsichtlich der kommerziellen Möglichkeiten innerhalb Deutschlands bereits am Limit sei. Bei allem Potenzial der USA mit ihrem Publikum von bis zu 340 Millionen Menschen dürfe die Bundesliga die starke Fankultur in der Heimat aber nicht vernachlässigen – diese sei ein Alleinstellungsmerkmal, über das sich deutsche Vereine von der starken ausländischen Konkurrenz abheben könnten. „Die gelbe Wand im Signal Iduna Park darf nie zum Mäuerchen verkommen", sagt Cramer.
Die Fanbindung hat auch starken Einfluss auf die Aktie. Wie Steden betont, kann der Club Investoren halten, da er die Aussicht auf Wertsteigerungen mit emotionaler Verbundenheit kombiniere. Auch Cramer bekräftigt, die „Shareholder- und Stakeholder-Struktur“ des BVB seien „praktisch deckungsgleich“. Der BVB zähle sowohl den Dauerkarteninhaber auf der Südtribüne als auch Sponsoren aus dem Dax zu seinen Aktionären. Cramer sagt: „Dies ist sinnbildlich für das, was Borussia Dortmund auszeichnet, und stiftet vermutlich auch mehr Identifikation mit dem Unternehmen als bei anderen Nebenwerten üblich.“
Mitgliedschaft im SDax als Stütze
Der BVB erzielt inzwischen 15% der Erlöse – die sich exklusive Transfereinnahmen im Geschäftsjahr 2023/24 auf 509,11 Mill. Euro summierten – außerhalb Deutschlands. „Wir können diesen Umsatzbeitrag natürlich nicht vollständig in die internationale Expansion reinvestieren, da wir als Fußballverein auf einen hohen kurzfristigen Cashflow angewiesen sind“, sagt der Dortmunder Managing Director. Steden unterstreicht indes: „Unsere Fundamentaldaten können sich auch ungeachtet erfolgsabhängiger Mehreinnahmen sehen lassen.“ Dabei hebt der Investor-Relations-Leiter auch die Bedeutung der Mitgliedschaft im SDax hervor. Die Aufnahme in einen Auswahlindizes habe Borussia Dortmund dabei anderen gelisteten europäischen Clubs voraus, auch wenn sich die Schwarzgelben hinsichtlich der Dividende nicht mit Dax-Titeln messen könnten.

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Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des BVB auf Basis des Überschusses in den vergangenen zwölf Monaten liegt mit über 30 in Sphären, in denen sich Big Tech tummelt. Fußball-Aktien stehen selten unter regelmäßiger Beobachtung durch Investmentbanken. Für Borussia Dortmund finden sich in der Datenbank von Refinitiv zwei Empfehlungen, die beide auf „Kaufen“ lauten. Das gemittelte Kursziel von 5 Euro liegt dabei deutlich über dem Niveau von 3,92 Euro, zu dem der Titel am Mittwoch aus dem Handel ging.
Wichtiger Treiber der Fundamentaldaten sind dabei Sponsoring-Vereinbarungen wie die gerade verkündete Ausweitung der Partnerschaft mit Ausrüster Puma, die bis 2034 läuft und bis zu 400 Mill. Euro in die Dortmunder Kassen spielen soll. Zudem orientieren sich Anleger an Transfererlösen, wenngleich der BVB diese aus der Umsatzentwicklung herausrechnen und gesondert offenlegen muss.
Günstig einkaufen, teuer verkaufen
Obwohl die Borussia im Gegensatz zu Vereinen wie Benfica Lissabon – der portugiesische Rekordmeister hat seit 2014 einen Transferüberschuss von nahezu 800 Mill. Euro erzielt – keine Durchgangsstation für Talente sein will, ist die Devise „günstig einkaufen, teuer verkaufen“ zentraler Bestandteil des Dortmunder Geschäftsmodells. Durch den Verkauf des französischen Nationalspieler Ousmane Dembélé an den FC Barcelona realisierte die Borussia 2017 einen Transfergewinn von über 130 Mill. Euro, Mittelfeldstar Jude Bellingham kam 2020 für rund 30 Mill. Euro aus Birmingham und zog 2023 für 113 Mill. Euro zu Real Madrid weiter.
Mit Jobe Bellingham, dem jüngeren Bruder von Jude Bellingham, haben die Schwarzgelben das nächste Talent unter Vertrag genommen, dem Experten Superstar-Potenzial bescheinigen. Bei der Klub-WM hat er dieses bereits aufblitzen lassen, doch im Viertelfinale gegen Real Madrid fehlt er gelbgesperrt. Nun ruht die Hoffnung darauf, dass Guirassy den nächsten Geldregen für den BVB herausschießt.