Schanghai

Chinas Zentralbank pfeift Leverage Trader zurück

An Chinas Finanzmärkten macht sich wachsende Nervosität über einen unerwarteten Kurswechsel der Zentralbank breit, die sich mit einer dezidierten Liquiditätsverknappung am Geldmarkt restriktiver positioniert. Die Maßnahmen der People’s Bank of...

Chinas Zentralbank pfeift Leverage Trader zurück

Von Norbert Hellmann, Schanghai

An Chinas Finanzmärkten macht sich wachsende Nervosität über einen unerwarteten Kurswechsel der Zentralbank breit, die sich mit einer dezidierten Liquiditätsverknappung am Geldmarkt restriktiver positioniert. Die Maßnahmen der People’s Bank of China (PBOC) scheinen immer offensichtlicher darauf gemünzt zu sein, sogenannte Leverage Trades, sprich kreditfinanzierte Wertpapierengagements am Aktien- wie auch Bondmarkt zu unterbinden, um einer Blasenbildung entgegenzuwirken.

Drastischer Mittelentzug

Am Donnerstag kam es zur Überraschung der Marktteilnehmer in Schanghai zu einem happigen Mittelentzug am Geldmarkt via Offenmarktgeschäfte, der sich auf netto rund 150 Mrd. Yuan (18,9 Mrd. Euro) beläuft. Am Dienstag hatte die PBOC ein ähnliches Zeichen gesetzt und etwa 30 Mrd. Yuan aus dem Markt genommen. Bereits zum zweiten Mal im Verlauf dieser Woche ist es damit zu einem heftigen Rückschlag an Chinas Festlandmärkten in Schanghai und Shenzhen sowie an der Hongkonger Börse gekommen.

Am Donnerstag rutschte der Blue- Chip-Index CSI 300, der die größten Werte in Schanghai und Shenzhen abdeckt, um 2,7% auf 5377 Punkte ab. Das bedeutet den kräftigsten Tagesverlust seit Ende Juli vergangenen Jahres. Der marktbreite Shanghai Composite Index büßte zwar nur 1,9% auf 3505 Punkte ein, ist damit aber wieder auf das Niveau vom 4. Januar, dem ersten Handelstag im neuen Jahr, zurückgefallen. Am Chinext genannten Wachstums- und Technologiesegment der Börse Shenzhen, dessen Handelsaktivität typischerweise besonders stark von Leverage Trades geprägt ist, sah man einen Kursrückgang um 3,6%.

Hongkong leidet mit

Auch an der Hongkonger Börse kommt das in den letzten Wochen stark von chinesischen Kapitalzuflüssen geprägte Aktienmarktgeschäft immer mehr unter die Räder. Der Leitindex Hang Seng büßte 2,6% auf 28551 Punkte ein und erlitt damit den höchsten Tagesverlust seit acht Monaten. Nachdem der Hongkonger Markt in den ersten Januarwochen die weltweit beste Performance unter führenden Börsenplätzen hingelegt hatte, scheint die Hausse von den Dispositionen der Währungshüter auf dem Festland vorerst abgewürgt worden zu sein.

Die Versteifungsmaßnahmen am Geldmarkt unterliegen insofern einem ungewöhnlichen Timing, als das chinesische Neujahrsfest (11. Februar) bald ins Haus steht. Üblicherweise wird dem daraus erwachsenden Spitzenliquiditätsbedarf seitens der Zentralbank mit großzügigen Geldmarktinjektionen Rechnung getragen. In diesem Jahr könnte sich insbesondere der Barmittelbedarf der Verbraucher allerdings geringer darstellen, weil die chinesische Regierung wegen neu aufgekeimter Corona-Ansteckungsgefahren die übliche chinesische Reise- und Besuchswelle zum Neujahrsfest stark einzugrenzen versucht.

Marktteilnehmern zufolge zielen die Maßnahmen der PBOC nicht nur darauf ab, das Spekulationsfieber an den Aktienmärkten abzukühlen, sondern auch Bondmarkthändler zu disziplinieren, die sich in den vorangegangenen Wochen mit sogenannten Carry Trades richtig austoben konnten. Im Dezember war der Reposatz für Tagesgeld angesichts üppiger Geldmarktliquidität auf ein Rekordtief bei 0,6% gegangen und hatte die Bondmarktprofis dazu animiert, sich zu extrem günstigen Zinsen am kurzen Ende zu verschulden, um in Long-Positionen bei chinesischen Regierungsanleihen zu gehen.

Spread weggeschmolzen

Dabei war der Spread zwischen den Renditen am ultrakurzen und langen Ende auf bis zu 260 Basispunkte angewachsen und hatte die Carry Trader auf Hochtouren gebracht. Nun allerdings sind die Tagesgeldsätze auf gut 3% hochgeschnellt, was den höchsten Stand seit Sommer 2015 bedeutet und die kurzfristige Refinanzierung dramatisch verteuert. Es verbleibt ein nur noch winziger Renditevorsprung der zehnjährigen Regierungsanleihen, die gegenwärtig 3,19% hergeben.

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