KreditwürdigUnternehmensanleihen

Das Glas ist eher halbvoll als halbleer!

Trotz eher pessimistischer Konjunktursignale erscheint eine generelle Untergewichtung von Unternehmensanleihen nicht gerechtfertigt.

Das Glas ist eher halbvoll als halbleer!

Kreditwürdig

Unternehmensanleihen: Das Glas ist eher halbvoll als halbleer!

Von Michael Klawitter*)

Nach der deutlichen Spreadausweitung – ausgehend vom US-Bankenbeben – sind Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen in den letzten Monaten wieder deutlich geschrumpft. Der aufgrund der guten Liquidität häufig als Messlatte für Spreads herangezogene iTraxx Europe Index (CDS-Spread 125 europäischer Unternehmen mit Investment-Grade-Rating) ging von seinem Hoch bei ca. 105 BP am 20. März auf ca. 80 BP zurück und handelt damit am unteren Ende der Spanne der letzten zwölf Monate. Aufgrund einer Fülle an Neuemissionen während der letzten acht Wochen fielen die Spreadrückgänge bei Cash-Positionen etwas geringer aus und der Spreadaufschlag über Swaps für in Euro denominierte Investment-Grade-Unternehmensanleihen liegt derzeit leicht über 90 BP. Dies entspricht für fünfjährige Papiere einer absoluten Rendite von etwa 4,3%.  Damit notieren die Renditen am oberen Rand der seit September 2022 bestehenden Handelsspanne (3,65% bis 4,50%).

Risikopuffer

Trotz der eingeengten Spreads bieten hohe Renditen und damit hohe Kupons bei Neuemissionen gegen Kursschwankungen einen Risikopuffer, wie sie seit 2008 kaum mehr erhältlich waren. Die von weiteren Zinserhöhungen der EZB ausgehenden Marktrisiken und die sich abzeichnende konjunkturelle Abschwächung in der Eurozone sollten damit nicht zu hoch bewertet werden, nicht zuletzt, weil die Markttechnik von Neuemissionen einerseits und saisonalen Kursmustern von Unternehmensanleihen Unterstützung bieten.  

Störfeuer von der Konjunktur

Dass die konjunkturelle Unsicherheit in der Eurozone eher zunimmt, zeigten die Einbrüche der Einkaufsmanagerindizes genauso wie die Schwäche des Ifo-Geschäftsklimaindex im Juni. Der Economic Surprise Index für die Eurozone der Citigroup stürzte auf Minus 132 ab, das niedrigste Niveau seit Juni 2020. Entsprechend dürften die Wachstumsprognosen für die Eurozone nicht nur von den Analysten, sondern auch von der EZB nach unten angepasst werden. Die starke Zinskurveninversion zwischen zwei und zehn Jahren ist zudem traditionell ein verlässliches Warnsignal für Rezessionsrisiken.

Trotz dieser eher pessimistischen Signale erscheint eine generelle Untergewichtung von Unternehmensanleihen nicht gerechtfertigt. Denn die Wahrscheinlichkeit einer tiefen Rezession mit entsprechend hohen Ausfallrisiken bleibt überschaubar und ist bereits eingepreist.  Insbesondere die Arbeitsmärkte dürften trotz der steilen Zinsanstiege aufgrund der demografischen Entwicklung in fast allen Euro-Staaten sehr robust bleiben und der Konjunktur Unterstützung bieten. Gleiches gilt für die weiterhin expansive Fiskalpolitik sowie positive Impulse vom Anstieg der Nominallöhne. Damit erscheinen vor allem Unternehmen aus defensiven Sektoren gut vor Konjunkturschwankungen geschützt. Eine sich abschwächende Konjunktur wird zudem Rückkopplungen auf die Geldpolitik der EZB haben und gegen Ende des dritten Quartals sollte die Wirtschaft in der Eurozone ausreichend schwach sein, um im Herbst die EZB von weiteren Zinsanhebungen abzubringen. Die EZB dürfte bei den Zinserhöhungen pausieren. Die aktuell in den Euro-Short-Term-Rate-Forwards enthaltenen Risikoprämien für einen Anstieg des Einlagensatzes der EZB auf über 3,75% erscheinen damit ausreichend hoch, und zusätzliches Störfeuer von der Zinspolitik ist schwer auszumachen.

Geringere Primärmarktaktivität

Eine Belastung für Unternehmensanleihen könnte eher vom Ende der Reinvestitionen der Fälligkeiten bei Unternehmensanleihen im Asset-Purchase-Programm-Portfolio der EZB Ende Juni ausgehen. In den ersten sechs Monaten des Jahres lagen die Käufe der EZB bei Unternehmensanleihen noch bei schätzungsweise 13,5 Mrd. Euro (Fälligkeiten 17,1 Mrd. Euro) und in der zweiten Jahreshälfte stehen Fälligkeiten in Höhe von 13,7 Mrd. Euro an. Absolut gesehen ist dies eine überschaubare Größe, doch könnte vor allem bei zyklischen Werten die Volatilität zeitweise ansteigen.  Allerdings steht diesen möglichen Belastungen auch Unterstützendes gegenüber. So lagen die Neuemissionen bei Unternehmensanleihen während der vergangenen zwei Monate auf hohen Niveaus. Zum Teil dürfte es sich dabei schon um Pre-Funding für das zweite Halbjahr gehandelt haben und entsprechend deutlich sollte sich die Primärmarktaktivität zu Beginn des neuen Halbjahres abschwächen. Auch die im Juli beginnende Quartalsberichtserstattung und die schon zwei bis drei Wochen vorher beginnende „Blackout-Period“ lastet auf der Primärmarktaktivität. Denn in dieser Phase kommunizieren die Investor-Relation-Abteilungen der Unternehmen nur eingeschränkt, was Neuemissionen erschwert. Bei gleichzeitig weiterhin hohen Fälligkeiten sollte damit die Nettoemissionstätigkeit bei Euro-Unternehmensanleihen im Juli und August niedrig sein oder aber sogar ins Minus rutschen. Das Umfeld für den Sekundärmarkt sollte damit jenseits zyklischer Emittenten, die angesichts von Rezessionssorgen underperformen dürften, konstruktiv bleiben.   

Dafür sprechen auch die Impulse, die von Seiten der Zinsvolatilität kommen. Die gehandelte Volatilität sollte angesichts der Erwartungen, dass der Zinsgipfel der EZB nah ist, weiter zurückgehen, was die Attraktivität von Carry-/ Spreadpositionen verbessert. In den vergangenen Monaten lag die Korrelation zwischen der am Swaptions-Markt gemessenen Zinsvolatilität (1-Jahresvolatilität 10-jähriger Swapsätze) und dem iTraxx Europe Index über Swaps mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,65 äußerst hoch. 

Zusätzlicher Rückenwind könnte in den nächsten Wochen von der Markttechnik kommen. So weist der Juli das mit Abstand stärkste saisonale Muster des ganzen Jahres auf. Während der letzten 15 Jahre verzeichnete ein breiter Index aus Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen (Financials und Non-Financials) im Juli mit einem durchschnittlichen Anstieg um 1,29% den mit Abstand stärksten Monatsertrag des gesamten Jahres. Die Performance liegt um mehr als das Doppelte über dem nächststärksten Monat (Januar, +0,53%). Dabei setzt sich die Performance sowohl aus der Zins- als auch der Spreadbewegung zusammen. Bei allen konjunkturellen und geldpolitischen Unsicherheiten ist damit ein verhalten konstruktiver Ausblick für Unternehmensanleihen gerechtfertigt. Zwar wird die erhöhte konjunkturelle Unsicherheit zeitweise auf die Spreadmärkte durchschlagen, doch sollten die hohen absoluten Renditen und Kupons einen ausreichenden Risikopuffer bieten. Die Gesamtperformance sollte damit auf Sicht der kommenden sechs Monate positiv sein.

*) Michael Klawitter arbeitet im Floor Research der DekaBank.

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