Technische Analyse

Der Dax verteidigt seine relative Stärke

Seite Anfang 2022 ergibt sich ein neues Bild beim Dax. Die relative Stärke des deutschen Leitindex setzt sich weiter fort.

Der Dax verteidigt seine relative Stärke

Technische Analyse

Der Dax verteidigt seine relative Stärke

Von Achim Matzke*)

Während der technische Hausse-Zyklus (von Anfang 2009 bis Ende 2021) am deutschen Aktienmarkt durch eine sehr stabile relative Schwäche des Dax im Vergleich zum TecDax, MDax und SDax geprägt war, ergibt sich seit Anfang 2022 ein anderes Bild. Die seitdem vorliegende relative Stärke des Dax, die noch zusätzlich durch zwei Sonderfaktoren unterstützt wird, hat sich auch im ersten Halbjahr 2023 fortgesetzt. Jetzt deutet die technische Gesamtlage an, dass der Dax auch im zweiten Halbjahr diese relative Stärke beibehalten sollte.

Die Ausgangslage

Bei der Einordnung der technischen Lage für Dax, MDax, TecDax und SDax sowohl seit für die Zeitspanne ab 2022 als auch mit Blick auf das zweite Halbjahr 2023 lag die folgende langfristige Ausgangssituation vor. Während des Hausse-Zyklus hat der TecDax 671,2%, der MDax 527,09% und der SDax 489,1% hinzugewonnen und jeweils mit einer relativen Stärke den Dax (+230,23%) um Längen geschlagen. In dieser Zeitspanne ergaben sich viele Möglichkeiten, mit einer Positionierung im MDax, SDax und TecDax, sei es durch Einzelaktien- und/oder mit Indexinvestments, den Dax zu schlagen. Allerdings waren hierdurch beim TecDax, MDax und SDax stark überkaufte Strukturen entstanden, die im Regelfall viel Zeit (eventuell Jahre) zum Abbau benötigen.

Dax am Allzeithoch

Im Dax endete der technische Hausse-Zyklus im zweiten Halbjahr 2021 oberhalb der mehrfach getesteten Support-Zone um 14.800 und unterhalb der Resistance-Zone um 16.290 in einer Trading-Top-Formation („Broadening Top“), was zusätzlich im vierten Quartal 2021 ein Trading-Doppeltop enthielt. Nachdem es zum Jahresanfang 2022 mit der Kursetablierung unterhalb der 200-Tage-Linie bereits zu technischen Eintrübungen gekommen war, etablierte der Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 ein übergeordnetes Verkaufssignal. Begleitet von weiteren Trading-Verkaufssignalen ergab sich eine Baisse, deren Baisse-Low im September 2022 bei 11.863 lag. Damit war mit einem Verlust von „nur“ 27,2% im historischen Dax-Vergleich eine milde Baisse entstanden. Mitverantwortlich hierfür war Linde. Das Dax-Schwergewicht (damaliger Indexanteil um die 10%) war aufgrund der Fantasie des Geschäftsmodells gegen die Gesamtmarkttendenz in eine Neubewertung und auf neue Allzeithochs gestiegen. Das Dax-Baisse-Low liegt mit Blick auf die zeitliche Positionierung auch zu Beginn – des (nachträglich) festgestellten Starts – der seitdem vorliegenden „milden“ Rezessionen in Deutschland und der Eurozone. Zu Beginn des vierten Quartals 2022 ist der Dax nach oben umgeschlagen und hat mit mehreren Trading- und Investment-Kaufsignalen (z. B. im November 2022: Verlassen des Baisse-Trends; Crossen der 200-Tage-Linie) eine neue Aufwärtsbewegung etabliert, die sich in den Folgemonaten zu einer technischen Hausse ausgeweitet hat. Diese Hausse wird jetzt von dem mittelfristigen Hausse-Trend, der leicht oberhalb der steigenden 200-Tage-Linie (aktuell bei 14.780) bei 15.100 liegt, begrenzt. Diese Hausse-Bewegung wäre aus technischer Sicht noch geradliniger verlaufen, wenn nicht im März 2023 die Probleme im US-Bankensektor und im europäischen Bankensektor (Stichwort: CS Group) für Verunsicherung, erhöhte Volatilität und einen Kursrücksetzer gesorgt hätten. Im März 2023 kam es dann zu einem Sondereffekt im Dax, den MDax, SDax und TecDax nicht hatten und der für eine weitere Fortsetzung der relativen Stärke des Dax sorgt. Mit der Entnahme von Linde (KGV von über 25) wurden 10% des Index von einer absolut „hohen“ Bewertung und einer unterdurchschnittlichen (Brutto-)Dividendenrendite von 1,5% in eine absolut „niedrige“ Bewertung (KGV-Durchschnitt der anderen Dax-Titel von ungefähr 11; Brutto-Dividendenrendite von ca. 3,3%) umgeschichtet. Hierdurch wurde der defensive technische Charakter des Dax verstärkt. Mit diesem Rückenwind ist der Dax bis an die Resistance-Zone um 16.300 gelaufen. Vor dem Hintergrund der mittelfristig überkauften Lage befindet sich der Index aktuell in einer Konsolidierung (Support um 15.600; Resistance ab 16.300). Diese hat zunächst einen trendbestätigenden Charakter (nach oben). Trotzdem sollte ein Trading-Sicherungsstopp bei 15.500 liegen. Denn fällt der Dax unter dieses Niveau, würde sich eine zeitliche und räumliche Ausweitung dieser Konsolidierung in Richtung 15.000 andeuten, ohne dass aber die neue technische Hausse bereits wieder beendet wäre. Da die technische Gesamtlage aber für den Sommer 2023 im Dax weitere Versuche andeutet, die Widerstandszone um 16.300 zu überwinden, sollte der Index seine relative Stärke im Indexvergleich auch im zweiten Halbjahr 2023 beibehalten.

MDax fehlen die Zugpferde

Der zweite Sondereffekt, der die aktuelle relative Stärke des Dax unterstützt, sind die mittelfristigen Folgen der Index-Reform im September 2021 (Ausweitung des Dax von 30 auf 40 Titel; Verkleinerung des MDax von 60 auf 50 Titel). Hierbei hat der MDax nicht nur seine zehn größten Titel, sondern auch ca. 45% seiner Free-Float-Marktkapitalisierung abgegeben. Als Konsequenz sind aber auch die „technischen Zugpferde“, die mit ihrer hohen Gewichtung und ihren technischen Neubewertungen zur jahrelangen MDax-Outperformance beigetragen haben, verloren gegangen. Der MDax hat aktuell eher „technische Krisenbranchen“ (z. B. Immobilienwerte). Auch haben sich knapp zwei Jahre nach der Index-Reform im MDax 50 bisher keine guten neuen technischen Zugpferde herausgebildet. Zwar war auch der MDax im vierten Quartal 2022 aus seiner vorherigen Baisse-Bewegung (Start im Jahr 2021 bei 36.429 am All-Time-High; Baisse-Low bei 21.457; Baisse-Verlust ca. 41,1%) mit Trading-Kaufsignalen und einem Investment-Kaufsignal (Crossen der 200-Tage-Linie zum Jahreswechsel 2022/2023) aus der Baisse herausgekommen, jedoch endete der erste, mittelfristige Aufwärtstrend bereits im Februar 2023 bei 29.815 weit unterhalb der All-Time-Highs. Seitdem ist der Index bereits wieder in eine mittelfristige Seitwärts-/Abwärtskorrektur (Korrekturtrendlinie bei 27.600) hineingelaufen. Zuletzt ist es im Umfeld der waagerecht verlaufenden 200-Tage-Line bei 25.400 zu einer Stabilisierung gekommen. Gute technische Hinweise, dass der MDax im zweiten Halbjahr 2023 zu alter technischer Stärke zurückfindet, fehlen. Damit sollte sich im MDax, der sich damit im Status eines „extremen“ Stock-Picker-Segments befindet, die relative Schwäche fortsetzen.

*) Achim Matzke ist Chefstratege von Matzke Research.

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