„Mit Faktorstrategien können wir für Anleger dauerhaft Mehrwert schaffen“
Im Gespräch: Erhard Radatz
„Mit Faktorstrategien können wir Mehrwert schaffen“
Der Global Head of Portfolio Management von Invesco Quantitative Strategies über systematisches Investieren, ETFs und warum der Buchwert wenig aussagt
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Invesco Quantitative Strategies setzt seit vielen Jahren auf Faktorstrategien und hat diese auch in einem aktiven ETF abgebildet. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert Erhard Radatz die Vorteile von Multi-Faktor-Ansätzen, die Bedeutung der Portfoliokonstruktion und warum sich Faktoren der Assetmanager unterscheiden.
Invesco ist ein führender internationaler Assetmanager, der weltweit 1,9 Bill. Dollar verwaltet. Dabei notiert die Invesco-Aktie an der New York Stock Exchange und gehört dem marktbreiten US-Aktienindex S&P 500 an. Kaum jemand weiß aber, dass das internationale Team „Invesco Quantitative Strategies“ von Frankfurt aus gesteuert wird, mit Teammitgliedern in New York, Melbourne und Tokio. Dabei geht es um quantitatives, also systematisches und faktorbasiertes Investieren.
Dieses Team wurde viele Jahre lang von Bernhard Langer geleitet. Nun ist Erhard Radatz als Global Head of Portfolio Management für die Umsetzung und Kommunikation von Aktienfaktor- und systematischen Multi-Asset-Strategien weltweit verantwortlich. „Bei Invesco Quantitative Strategies verwalten wir aus Frankfurt heraus weltweit etwa 30 Mrd. Dollar", erläutert der studierte Physiker im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. "Davon entfallen etwa zwei Drittel auf institutionelle Mandate und ein Drittel auf Publikumsfonds inklusive ETFs.“
Öffnung durch aktive ETFs
Im Fokus der quantitativen Strategien sind bisher vor allem institutionelle Investoren gestanden. Diese haben denn auch ein besonders großes Interesse an Strategien, die zugleich Risiken begrenzen und Mehrwert schaffen. „Dabei öffnen wir unsere Strategien für Endanleger über aktive ETFs. Diese sind bestens geeignet, um Aktienstrategien abzubilden“, sagt Radatz. „Der ETF-Mantel ist zunehmend gefragt, es gibt immer mehr Selbstentscheider, vor allem kauft auch die junge, digitale Generation in erster Linie ETFs.“
Dabei würden ja ETFs in Europa genauso behandelt wie herkömmliche Fonds, denn die Regulierung sei die gleiche. „Ucits-Fonds sind ein Qualitätsprodukt, auf das Europa stolz sein kann", erklärt der Investmentprofi. "International sind Ucits-Fonds ein großer Exportschlager, zum Beispiel auch in Südamerika.“ Dort würden sich insbesondere auch Institutionelle für diese nach europäischen Standards regulierten ETFs interessieren.
Diversifiziert durch Multi-Faktor
Quantitative Vermögensverwalter bestimmen Aktienfaktoren, die langfristig besser als der Gesamtmarkt abschneiden. Solche Faktorstrategien sind neben Invesco auch bei anderen großen Assetmanagern wie zum Beispiel beim norwegischen Staatsfonds oder auch bei Blackrock im Einsatz. In der Investmentindustrie oft angewandte Faktoren sind Value, Growth, Qualität, Momentum, aber auch Größe (Size) oder Minimum Volatility.
„Mit Faktorstrategien können wir für Anleger dauerhaft Mehrwert schaffen", erklärt Radatz. "Dabei wollen wir aber nicht einen bestimmten Faktor timen. Vielmehr legen wir mit einer Multi-Faktor-Strategie breit diversifiziert an und begrenzen so auch Risiken.“
In den vergangenen Jahren hat es auch Kritik an Faktorinvestments gegeben. Dies dürfte wohl mit darauf zurückzuführen sein, dass der Faktor Value (Bewertung) über viele Jahre eine Schwächephase durchgemacht hat und dass doch einige Investoren allein auf diesen einen Faktor gesetzt haben. „Auch einzelne Aktienfaktoren unterliegen gewissen Zyklen, so dass die Gefahr besteht, dass Investoren zu einem ungünstigen Zeitpunkt in einen einzelnen Faktor einsteigen“, erläutert Radatz. Dies habe dann auch mehr mit Behavioral Finance zu tun. Manche Anleger würden gerade dann in eine Assetklasse oder einen bestimmten Aktienfaktor einsteigen, wenn dieser zuvor gut gelaufen seien. Dieses Verhalten habe aber nichts mit einem quantitativen systematischen Investmentansatz zu tun.
Vorteil negative Korrelation
Mit dem Global Active ESG Equity Ucits ETF habe Invesco Quantitative Strategies ihren Faktoransatz seit Ende 2019 in einem aktiven ETF abgebildet. Der nachhaltige ETF ist aktuell 1,2 Mrd. Dollar schwer und weist laufende Kosten von 30 Basispunkten pro Jahr aus. Von Scope wird der ETF mit der Höchstnote A bewertet. Seit Auflage ist es nach Angaben von Scope dem Fonds gelungen, die Peergroup mit deutlichem Abstand zu schlagen.
„Die für uns relevanten Faktoren in unserem IQSA-ETF sind vor allem Qualität, Bewertung – Value – und Momentum", erläutert der Quant-Pofi. "Dabei sind die Faktoren Momentum und Bewertung negativ, korreliert, ein Umstand, den institutionelle Investoren bewusst ausnützen.“ Denn diese Korrelation reduziere das Risiko eines Portfolios merklich. Hingegen habe das vielfach zur Risikoreduzierung angewandte traditionelle Aktien-Renten-Portfolio im Jahr 2022 nicht funktioniert. Da habe sich die negative Korrelation zwischen Momentum und Bewertung als stabiler erwiesen als die zwischen Aktien und Renten.
„Für uns ist aber nicht allein die Faktorallokation, sondern auch die Portfoliokonstruktion wichtig", erklärt Radatz. Dieser Aspekt werde allerdings häufig übersehen. "Insgesamt erfolgt unsere Optimierung so, dass wir ein robustes Portfolio erhalten.“
Doch ist eine nachhaltige Ausrichtung eines Fonds in den vergangenen Monaten nicht weniger wichtig geworden? „Die Bedeutung von Nachhaltigkeit ist regional unterschiedlich. Vor allem in Europa ist für viele institutionelle Kunden eine nachhaltige Ausrichtung der Aktienanlage wichtig“, betont der Invesco-Fondslenker. „Aber es gibt auch Investoren, für die Nachhaltigkeit nicht an erster Stelle steht, und die einen geringeren Tracking Error zum MSCI World bevorzugen. Diesen Investorenwunsch haben wir jetzt in einem neuen ETF ohne speziellen Nachhaltigkeitsfilter berücksichtigt.“ Der Global Enhanced Equity Ucits ETF wurde im Mai aufgelegt und weist laufende Kosten von 24 Basispunkten pro Jahr auf.
„Den IQSA ETF haben wir zwar erst im Juli 2019 aufgelegt", erläutert Radatz. "Doch setzen wir die entsprechenden Faktormodelle bereits seit 40 Jahren bei institutionellen Kunden ein. Dabei ist es uns in den vergangenen 20 Jahren gelungen, den MSCI World um einen Prozentpunkt im Jahr zu schlagen.“
Faktor nicht gleich Faktor
Quantitative Investmentansätze seien durchaus komplex und von Laien nicht immer einfach nachzuvollziehen. „Zu berücksichtigen ist, dass Faktor nicht gleich Faktor ist. Verschiedene Assetmanager berechnen bestimmte Faktoren nicht gleich“, sagt Radatz. „Wir haben unsere Berechnung von bestimmten Aktienfaktoren über die Jahre optimiert. So betrachten wir beim Faktor Bewertung nicht den Buchwert, da dieser durch Rechnungslegung verzerrt wird. Hier schauen wir uns vor allem den Cash-Flow und den Preis zu Cash-Flow an.“
Der Cash-Flow könne weniger manipuliert werden als der Gewinn, und die Dividende müsse auch aus dem Cash-Flow gezahlt werden. Hingegen komme beim Buchwert zum Ausdruck, ob ein Unternehmen organisch oder anorganisch gewachsen sei. Daher habe dieser kaum eine Aussagekraft.
„Insgesamt fließen in unsere Faktoranalyse zahlreiche Daten ein, die wir über die Jahre entwickelt und optimiert haben“, erklärt Radatz. Dazu zählten auch Kreditkartendaten oder Natural Language Processing (NLP). Diese Komplexität sei auch der Grund dafür, dass die Invesco Quantitative Strategies über ein „starkes Team“ von 50 Personen verfügten.