Der Rubel verblüfft mit seiner plötzlichen Stärke
Rubel verblüfft mit seiner Stärke
Russische Währung erstarkt gegenüber dem Dollar – Kriegsbudget wird deutlich erhöht
Seit Anfang Oktober ist der zuletzt geschwächte Rubel so stark gestiegen wie keine andere Währung. Die Behörden mussten aktiv werden, weil Putin angesichts der Wahlen 2024 stabile Zahlen braucht. Steigende Budgetausgaben und der heiß gelaufene Kreditmarkt könnten den Anstieg ausbremsen.
Von Eduard Steiner, Moskau
Es passt so gar nicht in das Bild eines Landes, das infolge seines Angriffskrieges gegen die Ukraine mit einer beispiellosen Fülle an Sanktionen konfrontiert ist und dessen Budget eben nicht nur die Kriegsmaschinerie üppig am Laufen halten, sondern angesichts der bevorstehenden Präsidentenwahlen auch die sozialen Aus-
schüttungen auf hohem Niveau belassen muss. Und doch kann Russland demonstrieren, dass es nicht nur wirtschaftlich weitaus resilienter ist als erwartet, sondern dass es nun auch die zwischenzeitliche Schwäche seiner Währung wieder überwunden hat. Mehr noch: Der Rubel zeigt eine Stärke, die man seit Monaten nicht mehr gesehen hat.
Verluste wettgemacht
Am Dienstag überwand er zum US-Dollar sogar die Marke von 88 Rubel je Dollar, wie Daten der Moskauer Börse zeigen. Zuletzt wurde er Ende Juni auf diesem Niveau gehandelt. Damit hat er immerhin einen Teil der Verluste wettgemacht, die ihn dieses Jahr aufgrund sinkender Exporterlöse und höherer Staatsausgaben von anfänglich 68 Rubel auf letztlich sogar über 101 Rubel zum Dollar Anfang Oktober hatten absacken lassen, weshalb auch jetzt noch ein prozentual zweistelliger Jahresverlust zu Buche steht.
Das Wiedererstarken gegenüber dem Dollar liegt natürlich auch an dessen Schwächung, weil der Markt inzwischen eine schnellere Zinssenkung in den USA einpreist. Doch das allein kann nicht erklären, warum der Rubel seit Oktober zum Dollar nun schneller gestiegen ist als andere Währungen.
Zinssatz verdoppelt
Was also ist der Grund? In Wirklichkeit haben die russische Regierung und die Zentralbank die entscheidenden Maßnahmen gesetzt. Allen voran die Zentralbank, die schon nach Kriegsbeginn im Vorjahr mit ihrer entschlossenen Geldpolitik – sie erhöhte damals den Schlüsselzinssatz von 9,5 auf kurzzeitig 20% – das Finanzsystem gerettet und die auch in den vergangenen Monaten wieder hart eingegriffen hat: Seit Ende Juli hat sie den Zinssatz von 7,5 auf 15% verdoppelt.
Die Regierung musste freilich mithelfen, indem sie im November die Kapitalkontrollen für wichtige Exporteure wieder einführte, nachdem sie genau diese Kontrolle ab Mitte 2022 erst aufgegeben hatte, weil sie den Unternehmen damals erlaubte, Devisen im Ausland zu belassen. Und schon vor gut einem Monat hat Kremlchef Wladimir Putin die Exporteure wieder gezwungen, wie auch schon nach Kriegsbeginn einen Teil der Exporterlöse in Rubel umzutauschen, um „den Wechselkurs zu stabilisieren“.
Exorbitante Rohstoffpreise
In gewisser Weise erinnern die Maßnahmen also an die Krisenbekämpfung unmittelbar nach Kriegsbeginn. Die wirtschaftliche Situation ist inzwischen freilich eine ganz andere als in den ersten Monaten 2022. Damals stieg der Rubel nach einem kurzen Schocktief von 120 Rubel je Dollar bis Ende Juni auf ungeahnte 51 Rubel je Dollar, weil die exorbitanten Rohstoffpreise in Kombination mit großen Exportmengen bei gleichzeitiger Implosion des Imports zu einem Rekordüberschuss in der Leistungsbilanz geführt hatten.
Export eingebrochen
Der Rekordüberschuss in der Leistungsbilanz schrumpfte freilich ab Ende 2022 rapide, nachdem das westliche Embargo auf russisches Öl inklusive Preisdeckel die russischen Exporterlöse reduziert hatte und als gleichzeitig auch der russische Import – stimuliert durch höhere Budgetausgaben, höhere Löhne und mehr Kredite – angefacht worden war.
In den ersten neun Monaten 2023 ging der Export um 30% zurück, während der Import (auch mittels Sanktionsumgehung) um 15% hochsprang. Das zog auch den Rubel nach unten und heizte die Inflation deutlich auf eine Jahresrate von 14% im September an. Beides angesichts der Präsidentenwahlen 2024 keine Situation, die die Stimmung für Putin begünstigen würde.
Doch mit den jüngsten Maßnahmen von Regierung und Zentralbank in Moskau ist die Kurve wieder gekriegt, die Inflation ist auf 7% gesunken. Und die Maßnahmen könnten ausreichen, um den Wechselkurs stabil zu halten, schreibt die Zentralbank in ihrem Bericht über die Geld- und Kreditpolitik: Allerdings nur dann, wenn bei den Budgetausgaben Zurückhaltung geübt werde und wenn der heiß gelaufene Kreditmarkt abkühle.
Budgetausgaben steigen
Beides zeichnet sich aber nicht ab. Für 2024 ist ein Anstieg der Budgetausgaben um 20% veranschlagt, wobei am meisten Geld dafür aufgewendet werde, im Ukraine-Krieg „den Sieg sicherzustellen“, wie Finanzminister Anton Siluanov kürzlich erklärte. Und der Staat unterstützt vergünstigte Kredite unabhängig vom Zentralbankzins weiter. Das werde sich bis zu den Wahlen wohl nicht ändern, heißt es in einer Analyse der Medienplattform Re:Russia. Und auch die großen Staatskonzerne werden solche Kredite wohl durchsetzen. Das Handelsministerium habe bereits Hilfe versprochen.