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Die russische Währung fällt und fällt und fällt …

Der russische Rubel hat am Devisenmarkt einen schweren Stand. Seit Jahresbeginn hat die Währung rund ein Viertel ihres Werts eingebüßt. Russland hat die Ukraine in einen Abgrund gestürzt und leidet selbst immens.

Die russische Währung fällt und fällt und fällt …

Devisenwoche

Der russische Rubel fällt und fällt und fällt …

Von Thomas Meißner *)

Der russische Rubel hat am Devisenmarkt dieser Tage einen schweren Stand. Seit Jahresbeginn hat die russische Landeswährung gegenüber dem Euro rund ein Viertel ihres Wertes verloren. Gerechnet für die Zeit zurück seit der Jahresmitte 2022 hat sich der Wert des Rubel gegenüber Euro bis heute glatt halbiert.

Aktuell haben viele Währungen am Devisenmarkt zu kämpfen. Währungen von Ländern, die einen beträchtlichen Teil ihrer Ausfuhrerlöse mit Rohstoffen bestreiten, leiden unter am Weltmarkt im Trend rückläufigen Rohstoffpreisen. Derweil haben in den vergangenen drei Jahren viele Notenbanken, namentlich in den Industriestaaten, ihre Leitzinsen gehörig angehoben, um für Preisniveaustabilität zu sorgen. Speziell in bestimmten Schwellenländern, aber nicht nur dort, macht sich dies durch einen Abfluss von Devisen und durch Währungsabwertungen bemerkbar.

All dies mag erklären, warum der russische Rubel dieser Tage am Devisenmarkt verliert. Eine Entschuldigung für die zu beobachtende desaströse Entwicklung bei dessen Außenwert ergibt sich so nicht. Denn: Es geht auch anders. So wartet der brasilianische Real im laufenden Jahr mit einer nominalen Aufwertung gegenüber dem Euro von sechs Prozent auf.

Große Schwankungen

Den Außenwert des russischen Rubel prägt eine gehörige Schwankungsanfälligkeit, speziell seit Russlands unmenschlichem Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar 2022. Welche Währung neben dem russischen Rubel schaffte es in der jüngeren Vergangenheit, innerhalb von anderthalb Jahren nominal zunächst um knapp die Hälfte abzuwerten, nur um anschließend um 225% aufzuwerten, bevor dann der jüngste neuerliche Abwertungstrend einsetzte?

Moskau hat sich mit seinem nunmehr 18 Monate währenden Angriffskrieg endgültig außerhalb der zivilisierten Welt gestellt. Die Folgen wird Russland lange spüren. Die Exporteinnahmen des größten Flächenlandes der Welt schrumpfen zusehends. Zwischen März 2022, dem jüngsten zyklischen Hoch, und April dieses Jahres gingen die Ausfuhren, in US-Dollar gerechnet, um sage und schreibe zwei Drittel zurück. Dass die Handelsbilanz überhaupt noch positiv blieb, wenngleich knapp, lag an den Importen. Diese evaporisierten im selben Zeitraum um mehr als 85%.

Russland sieht sich gezwungen, seine Außenwirtschaftsbeziehungen zur Gänze neu aufzustellen. Die Phalanx der Staaten des Westens steht. Die Reihen werden mehr und mehr geschlossen, auch was die betroffenen Produkte angeht. Auf EU-Ebene ist das elfte Sanktionspaket in Kraft. Moskau handelt nunmehr verstärkt mit Ländern wie China, Indien, Türkei, Südafrika, Kasachstan oder Brasilien. Die gehandelten Mengen sind erheblich kleiner als in früheren Zeiten. Außerdem macht Russland enorme Preiszugeständnisse. Kurioser Effekt: Für die Volksrepublik China werden, fälschlicherweise, aktuell Deflationsgefahren diskutiert. Wichtigster Grund: China nutzt Russlands Zwangslage schamlos aus und bezieht speziell Energieträger von seinem nördlichen Nachbarn, zu allermickrigsten Preisen.

Stark zurückgegangene Erlöse, speziell aus dem Öl- und Gasgeschäft, bringen Moskaus Finanzen durcheinander. Die Budgetplanung der Regierung basiert auf einem Rohölpreis von 70 Dollar je Fass. Für das russische Ural-Öl wird diese Größenordnung am aktuellen Rand zwar tatsächlich erzielt, aber zum ersten Mal im laufenden Jahr. Über lange Phasen des Jahres 2023 lagen die Notierungen zwischen 50 und 60 Dollar.

Der Staatshaushalt kämpft mit dümpelnden Einnahmen und mit hohen Ausgaben. Für die ersten vier Monate des Jahres lagen die Ausgaben, speziell für das Militär, mehr als 25% über dem Vorjahr; die Einnahmen brachen um mehr als 20% ein. Das Ziel der Regierung, das Staatsdefizit 2023 auf 2% der Wirtschaftsleistung zu begrenzen, ist kaum zu erreichen.

Lageeinschätzung schwierig

Die realwirtschaftliche Entwicklung Russlands einzuschätzen, wird zunehmend erschwert durch eine Geheimniskrämerei der offiziellen Statistik. Berichtet wird nur noch sehr punktuell und bruchstückhaft. Die Einzelhandelsumsätze sind, in einer Jahresbetrachtung, im laufenden Jahr zurück in positivem Terrain. Zu beachten ist, dass hier ein immenser Basiseffekt gewirkt hat. Vor Jahresfrist verunsicherten der Beginn des Ukrainekriegs und eine hohe Inflation die Privaten Haushalte. Die Arbeitslosenquote ist derweil auf ein Rekordtief von 3,1% gefallen. Es herrscht Arbeitskräftemangel. Kein Wunder angesichts einer, konservativ geschätzt, halben Million junger Leute, die allein in den zurückliegenden zwölf Monaten außer Landes gegangen sind, in Reaktion auf eine um sich greifende Rekrutierung für das Militär. Dabei war der Aderlass Russlands an jungen, gut ausgebildeten Menschen bereits zuvor sprichwörtlich. Auf den Schlachtfeldern der Ukraine verlor Russland bislang nach vorsichtigen Schätzungen rund 50 Tsd. junge Männer. Ein Mehrfaches wurde verwundet.

Im Plus ist 2023 zweifelsohne die Industrieproduktion Russlands, angeheizt nicht zuletzt durch eine immer stärker um sich greifende Kriegswirtschaft. Ein Zusammenbruch der russischen Wirtschaft ist in den vergangenen 18 Monaten definitiv ausgeblieben. Dies einer mangelhaften Effektivität der Sanktionen gegen Moskau anzulasten, verkennt die Schlagkraft derartiger Maßnahmen. Mit Sanktionen einen Regimewechsel herbeiführen zu wollen, ist Phantasterei. Trotzdem müssen alle gegen Moskau erlassenen Sanktionen solange in Kraft bleiben, bis deren Anlass entfallen ist – bis sich Russland vollständig aus sämtlichen ukrainischen Territorien zurückgezogen hat.

Eine Handelsumlenkung in Richtung Sanktionsbrecherländer hat das Schlimmste für Russlands Volkswirtschaft verhindert. Auch hat Russland gelernt, auf Importsubstitution zu setzen: den Ersatz westlicher Einfuhren durch heimische Produkte. Indes: Was bei Fensterrahmen funktioniert, ist bei Computerchips nur unvollkommen möglich. Das Wachstumspotential Russlands liegt danieder. Dabei war Wachstum in Russland spätestens seit Annexion der Krim 2014 nur noch eine Schimäre.

Leitzinsen erhöht

Die russische Notenbank erhöhte im vergangenen Monat ihren Leitzins um 100 Basispunkte auf 8,5%. Notenbankchefin Nabiullina und ihre Getreuen im Notenbankrat wollen einem drohenden Wiederaufleben der Inflation begegnen. Der Zinsschritt wird nach Lesart des LBBW Research nicht verhindern, dass der Rubel weiter fällt. Wir sehen die 110 Rubel je Euro per Jahresende. Weiter steigenden Zinsen im Land werden die Wirtschaft bei alledem hart treffen. Die Devisenreserven werden nicht mehr eingesetzt zur Verteidigung des Rubelkurses. Zu frisch ist den Verantwortlichen in Moskau die Erinnerung, dass die Staaten des Westens denjenigen Teil von Russlands Devisen beschlagnahmt haben, der in Frankfurt, London oder New York lagert. Gut die Hälfte der rund 600 Mrd. Dollar umfassenden Devisenreserven ist dem Zugriff Moskaus entzogen.

Ventiliert wird derzeit die Schaffung einer gemeinsamen Währung durch eine Ländergruppe, zu der u. a. Brasilien, Südafrika, China und Russland zählen. Es wird kaum ein Gemeinschafsprojekt à la Euro werden, eher ein Konstrukt à la Sonderziehungsrechte des IWF. Die Idee erscheint als Ausdruck des Bemühens der betreffenden Staaten, Souveränität zu demonstrieren, nicht als Blaupause für Prosperität. Speziell für Putin standen Wohlfahrt und ökonomischer Fortschritt nie auf der Prioritätenliste. Russland hat die Ukraine in einen Abgrund gestürzt und leidet selbst immens.

*) Thomas Meißner leitet in der der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Abteilung für Makro- und Strategy-Research.

*) Thomas Meißner leitet in der der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Abteilung für Makro- und Strategy-Research.

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