Staatsanleihen

Der US-Staatsanleihemarkt verliert seinen Prellbock

Das Vertrauen in die fiskalische Stabilität der USA hat in den vergangenen Monaten schwer unter Haushalts- und Schuldenstreitigkeiten gelitten. Nun bricht auch noch die Beteiligung an einem Übernachtprogramm ein, das als wichtiger Dämpfer für Schocks im 26 Bill. Dollar schweren Treasury-Markt gilt.

Der US-Staatsanleihemarkt verliert seinen Prellbock

Treasury-Markt verliert Prellbock

Beteiligung an Reverse-Repo-Fazilität der Fed sackt ab – Analysten befürchten höhere Finanzierungskosten Washingtons

xaw New York

In einer herausfordernden Phase für das US-Finanzsystem droht einer der wichtigsten Prellböcke des 26 Bill. Dollar schweren Treasury-Markts wegzubrechen. So ist die Beteiligung an der Overnight Reverse Repurchase Facility (ON RRP) der Federal Reserve eingebrochen. Beliefen sich die täglichen Transaktionsvolumina in dem Programm, das dem amerikanischen Staat eine Begrenzung seiner Finanzierungskosten ermöglicht, Mitte des vergangenen Jahres noch auf mehr als 2 Bill. Dollar, sind sie zuletzt auf deutlich unter 500 Mrd. Dollar abgesackt. Analysten fürchten deshalb höhere Zinsen und eine steigende Volatilität bei US-Staatsanleihen – mit Folgeeffekten auf die globalen Finanzmärkte.

Die Übernachttransaktionen stellen einen wichtigen Teil der Offenmarktgeschäfte der Notenbank dar und sollen dazu beitragen, die Geldmenge effektiv zu managen. In ihrem Rahmen kaufen Marktteilnehmer Wertpapiere, zum Beispiel US-Schatzwechsel, von der Fed, die diese am nächsten Tag für einen höheren Preis zurückerwirbt. Die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis streichen an der ON RRP beteiligte Banken und Geldmarktfonds als Zinserträge ein.

Attraktive Zinssätze

Infolge der restriktiven Geldpolitik in den Vereinigten Staaten und hoher Marktvolatilität war die 2014 dauerhaft eingeführte, als hochsicher geltende Reverse-Repo-Fazilität für Investoren deutlich attraktiver geworden. Derzeit erhalten sie im Rahmen des Programms einen Zinssatz von 5,3%, vor der Fed-Kontraktion ab dem Frühjahr 2022 waren es 0,05%.

Der Boom der Übernachtgeschäfte weckte zunächst Sorgen vor einer Renditeexplosion bei US-Staatsanleihen. Das von vielen Analysten gezeichnete Szenario lautete dabei so: Weil die Staatskassen nach dem Streit um die Schuldenobergrenze in Washington im ersten Halbjahr 2023 leergefegt seien, müsse das Finanzministerium den Markt mit Treasuries fluten. Da die Liquiditätssituation unter den eigentlich als Primärhändlern eingespannten Banken aber angespannt sei, würden vor allem Geldmarktfonds als Abnehmer benötigt, die auf rekordhohen Mitteln im Volumen von heute über 6 Bill. Dollar säßen. Doch um die Cash-Vehikel anlocken zu können, müsse die Treasury bei T-Bill-Auktionen also wohl wesentlich höhere Verzinsungen bieten als die Fed im Rahmen ihrer Offenmarktgeschäfte.

Gewaltige Emissionsflut

Die Emissionsflut brach tatsächlich über die Märkte herein: Allein das Volumen ausstehender T-Bills – mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr – ist laut dem Kapitalmarktverband SIFMA auf über 6 Bill. Dollar angeschwollen. Vor einem Jahr war das Segment noch 4 Bill. Dollar schwer, vor zehn Jahren weniger als 1,5 Bill. Dollar. Auch die Vorhersage von T-Bill-Renditesprüngen über die im Rahmen der ON RRP gezahlten Niveaus sollte sich bewahrheiten – die befürchteten Marktverwerfungen blieben aber zunächst aus.

Vielmehr wurden die Cash-Reserven, die Investoren in der Übernachtfazilität parkten, in den Folgemonaten zum beruhigenden Polster für die Märkte. Denn somit waren kurzfristig liquide Mittel verfügbar, die Geldmarktfonds wie von Beratern der Treasury erhofft in Auktionen kurzfristiger Papiere pumpten. Dass sich das Finanzministerium in der Lage zeigte, große Volumina an Schatzwechseln am Markt zu platzieren, dämpfte die Sorgen vor einer allgemein abnehmenden Nachfrage nach Treasuries – und ermöglichte es, Emissionen von T-Notes und T-Bonds in geringerem Umfang auszuweiten.

Größere Auktionen erwartet

Da das Angebot an zwei- bis zehnjährigen bzw. 20- bis 30-jährigen Staatsanleihen also weniger stark wuchs als befürchtet, hielten sich die Renditen in diesen Laufzeiten auf vergleichsweise niedrigen Niveaus. Im laufenden Jahr verdaute der Markt einzelne T-Note- und T-Bond-Auktionen in rekordhohen Volumina noch ohne größere Schwierigkeiten. Allerdings gehen Broker-Dealer wie LPL Financial davon aus, dass diese Erfolge das Finanzministerium dazu ermutigen werden, noch größere Einzelauktionen anzustreben. Im zweiten Quartal seien Emissionen fünfjähriger Titel im Umfang von jeweils 70 Mrd. Dollar zu erwarten.

In diesem Umfeld kreisen die Diskussionen in den Bankentürmen Manhattans nun verstärkt um den rapiden Mittelabfluss aus der ON RRP. So fasst die New Yorker Vertretung der DZ Bank zumindest die Möglichkeit ins Auge, dass die im Übernachtprogramm gehaltenen Reserven schon im Mai gegen null tendieren. Die Analysten der ING schlugen bereits im vergangenen Jahr in die gleiche Kerbe, rechnen damit, dass die überschüssige Liquidität im Programm erst im dritten Quartal zur Neige gehen dürfte. Die Fed selbst führt die Rückgänge auch darauf zurück, dass die Teilnehmer der ON RRP inzwischen attraktivere Gelegenheiten in anderen Marktsegmenten finden.

Vertrauen in Washington erodiert

Allerdings muss sich die Treasury nun der Frage stellen, wie sie das hohe Volumen an Schatzwechseln ablösen will, die schon in kurzer Zeit wieder fällig werden. Die Finanzierung über länger laufende Anleihen wird dadurch erschwert, dass die politische Spaltung in Washington und die wiederholten Schuldenstreitigkeiten zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress das Vertrauen in die fiskalische Stabilität untergraben.

Fitch senkte die Kreditwürdigkeit der USA im August daher von der Top-Note "AAA" auf "AA+", Moody’s senkte ihren Ausblick im November von "stabil" auf "negativ". "Ohne einen Wechsel in der Haushaltspolitik wird die Schuldenbelastung sehr dramatisch steigen, was schließlich auch zum Problem für die Gesamtwirtschaft wird", sagte Moody’s-Chefökonom Mark Zandi Ende Februar in New York. Auf die Treasury rollen nach Erwartungen von Analysten indes selbst bei den erhofften Fed-Zinssenkungen ab Juni langfristig höhere Finanzierungskosten zu – ohne dass sie diese durch den ON-RRP-Prellbock abfedern könne.

Das Vertrauen in die fiskalische Stabilität der Vereinigten Staaten hat in den vergangenen Monaten schwer unter Haushalts- und Schuldenstreitigkeiten gelitten. Nun bricht auch noch die Beteiligung an einem Übernachtprogramm ein, das als wichtiger Dämpfer für Schocks im 26 Bill. Dollar schweren Treasury-Markt gilt.

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