Gastbeitrag

Der Zins ist gekommen, um zu bleiben

Nach Meinung von Shamik Dhar, Chefvolkswirt bei BNY Mellon Investment Management, und Adam Whiteley, Portfoliomanager des BNY Mellon Global Credit Fund, ist der Zins gekommen, um zu bleiben.

Der Zins ist gekommen, um zu bleiben

Gastbeitrag

Der Zins ist gekommen, um zu bleiben

Von Shamik Dhar und Adam Whiteley *)

Das aktuelle Marktumfeld spricht dafür, dass die Zinsen auf lange Sicht zurück sind. Damit werden Anleihen erneut zu einem attraktiven Portfoliobaustein.

Eine Generation von Arbeitnehmern wird sich an ein globales Zinsumfeld gewöhnen müssen, das bis zu fünfmal höher ist als das, was sie bisher gewohnt waren. So waren die Jahre zwischen 2008 und 2019 im historischen Vergleich äußerst ungewöhnlich. Laut der Bank of England gab es in den 300 Jahren ihrer Aufzeichnungen noch nie einen Zeitraum, in dem die Zinssätze so lange so niedrig waren. Langfristig werden sich die Zinsen wahrscheinlich zwischen 4,5% und 5,5% einpendeln – eine Spanne, die es seit 2008 nicht mehr gegeben hat und die sicherlich eher an die 1980er und 1990er Jahre erinnert.

Langanhaltend höhere Zinssätze

Viele Thinktanks sind der Meinung, dass die Zinsen wieder sinken werden, sobald sich die Auswirkungen von Covid-19 auf das globale Finanzsystem bemerkbar machen. Die heutige Situation ist jedoch nicht nur eine Folge der jahrelangen quantitativen Lockerungsprogramme nach der Finanzkrise und auch nicht allein auf die Auswirkungen der globalen Pandemie zurückzuführen. Obwohl jeder Versuch einer Punktschätzung für die Zinssätze im kommenden Jahrzehnt mit Unsicherheit behaftet ist, sehen wir eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Weltwirtschaft in ein Umfeld höherer Zinssätze übergeht.

Ursache hierfür sind eine Vielzahl von Faktoren, zu denen nicht zuletzt die anhaltenden Auswirkungen der Inflation, das höhere Produktivitätswachstum und die Kosten des klimaneutralen Umbaus der Wirtschaft gehören. Zu diesen Faktoren kommen die schwierige demografische Situation und die hohe Staatsverschuldung in der westlichen Welt hinzu. In Summe werden diese Aspekte wahrscheinlich dazu führen, dass die Zinsen für einen längeren Zeitraum erhöht sein werden.

Dies wird sich entsprechend auf die Investitionschancen und -risiken auswirken. Inflationsschocks könnten in Zukunft häufiger auftreten als in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Infolgedessen könnte auch der zur Gewährleistung der Preisstabilität erforderliche Nominalzins höher ausfallen.

Inflationsziele auf dem Prüfstand

Generell müssen die Inflationsziele möglicherweise überprüft und in Zukunft sogar angehoben werden. Denn die Zentralbanken könnten bereit sein, Abweichungen vom Inflationsziel länger zu tolerieren, insbesondere wenn die wirtschaftlichen Kosten für dessen Erreichung steigen.

Ein schneller und starker Anstieg der Inflationsraten könnte in Zukunft auch häufiger auftreten, wenn die Deglobalisierung und die Unterbrechung der globalen Lieferketten negative Angebotsschocks häufiger werden lassen. Anders ausgedrückt: Die Globalisierung hat in der Vergangenheit lange Zeit den zugrunde liegenden Inflationsdruck verringert. Damit war es für die Zentralbanken einfacher, ihre Inflationsziele bei relativ niedrigen Zinssätzen zu erreichen. Im Umkehrschluss ist folglich anzunehmen, dass die Deglobalisierung die gegenteilige Wirkung haben wird.

Attraktives Marktumfeld

Durch den Anstieg der Anleiherenditen auf ein Niveau, das seit einiger Zeit nicht mehr erreicht wurde, wird der Ertragspuffer wahrscheinlich den Rückgang der Anleihekurse ausgleichen, der bei hohen Zinsen typischerweise auftritt. So hat der starke Anstieg der Renditen, der bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2023 zu beobachten war, zu einer attraktiven Rendite geführt. Der Bloomberg US Agg Index konnte beispielsweise Ende August 2023 eine Rendite von knapp unter 5% bei einer Laufzeit von etwas mehr als sechs Jahren erzielen. Am 3. Oktober 2023 erreichten 30-jährige US-Staatsanleihen laut Berichten von Bloomberg die höchste Rendite seit 2007.

Gesundes Einkommensniveau

Wenn sich die Zinsen über ihr neutrales Niveau hinausbewegt haben und die Renditen in den kommenden Jahren auf diesem Stand bleiben, ist es daher möglich, ein gesundes Einkommensniveau zu erzielen, das am unteren Ende der normalerweise für langfristige Aktienrenditen verwendeten Bandbreiten liegt.

Sollten die Märkte beginnen, einen noch höheren neutralen Zinssatz einzupreisen, und die Renditen ansteigen, dann reichen die erzielten Erträge aus, um einen Anstieg um 80 Basispunkte aufzufangen, bevor Verluste entstehen. Selbst ein Anstieg der Renditen um 100 Basispunkte würde immer noch nur einen geringen Verlust verursachen.

Die prognostizierten höheren Zinssätze haben also eine wichtige Folge: Sie läuten eine erneute Phase ein, in der festverzinsliche Wertpapiere eine attraktive Quelle für langfristige Renditen sind.