Deutschland: Ein Weg aus der Krise
Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (337)
Deutschland: Ein Weg aus der Krise
*) Von Carsten Klude
Deutschland befindet sich in einer schwierigen Situation. Zu hohe Energiepreise, zu hohe Steuern und Abgaben, ein großes Digitalisierungsdefizit in der öffentlichen Verwaltung, überbordende Bürokratie und Regulierung sowie eine dramatische Verschlechterung des allgemeinen Bildungsniveaus sind nur einige Komponenten der deutschen Misere. Hinzu kommt die starke Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom Wohl und Wehe der Industrie einerseits und vom Export im Allgemeinen und von China im Besonderen andererseits. Das ist alles gut und richtig analysiert. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem, wie wir diese Probleme lösen können.
Ein neutraler Blick auf die makroökonomischen Kennziffern zeigt aber auch, dass bei uns nicht alles schlecht ist. Allen Unkenrufen zum Trotz befindet sich die deutsche Wirtschaft nicht in einer Rezession, und die Inflationsrate liegt inzwischen wieder nahe bei 2%. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist niedrig, auch beim Pro-Kopf-Einkommen liegt Deutschland im internationalen Vergleich unter den Top 20. Dennoch ist die Stimmung sowohl bei den privaten Haushalten als auch bei den Unternehmen schlecht. Dies äußert sich in Streiks, hohen Krankenständen und Protestaktionen verschiedenster Interessengruppen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex dümpelt seit geraumer Zeit auf Rezessionsniveau. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer warnte jüngst, Deutschland drohe die schwerste Wirtschaftskrise seit 20 Jahren. Dass wir beim Wirtschaftswachstum im internationalen Vergleich hinterherhinken, ist keine neue Erkenntnis. Unser Potenzialwachstum, das bei normaler Auslastung der Produktionsfaktoren im langfristigen Durchschnitt zu erwarten wäre, liegt nur noch bei 0,5 bis 1%. Die Gründe dafür liegen in der demografischen Entwicklung und in der geringen Produktivität.
Wird Deutschland bald nur noch ein Industriemuseum sein? So weit wird es hoffentlich nicht kommen. Aber die Politik kann und muss mehr tun, um Deutschland zu mehr Wachstum zu verhelfen. Die Agenda 2010 war die letzte große Reform einer Bundesregierung. Auch damals war Deutschland das Wachstumsschlusslicht unter den großen Wirtschaftsnationen. Alle nachfolgenden Regierungen haben sich auf den wirtschaftlichen Erfolgen der Agenda 2010 ausgeruht. Ein Wachstumshemmschuh ist die Schuldenbremse. Deutschland hatte in den letzten Jahren im internationalen Vergleich die niedrigsten Haushaltsdefizite und für die nächsten Jahre rechnet der IWF mit Defiziten zwischen 0,5 und 1,5% pro Jahr. Unsere Schuldenstandsquote wird damit auf unter 60% der Wirtschaftsleistung sinken. Die Grundidee der Schuldenbremse war, dass eine geringe Staatsverschuldung die Grundlage dafür ist, die Zinslast im Staatshaushalt niedrig zu halten und damit mehr Spielraum für andere Ausgaben zu haben. Zudem würden Länder mit einer geringeren Verschuldung bzw. einer Schuldenregel auch ein höheres Wirtschaftswachstum aufweisen. Die empirischen Beobachtungen der letzten Jahre widerlegen dieses Argument jedoch. Welche Länder waren in den letzten Jahren Wachstumsspitzenreiter? Unter anderem die USA und Spanien. Und welche Länder haben die höchsten Haushaltsdefizite? Unter anderem die USA und Spanien. Mehr Wachstum ist also auch mit mehr Schulden möglich, eine Reform der Schuldenbremse und eine Steuerreform, die diesen Namen auch verdienen, könnten uns wieder auf den richtigen Weg bringen. Dazu müssen aber die vielen Bedenkenträger in diesem Land über ihren Schatten springen. Wie hieß es doch schon im „7. Sinn“, der beliebten Verkehrserziehungssendung, die von 1965 bis 2005 in der ARD ausgestrahlt wurde: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. In diesem Sinne: Nicht nur reden, sondern endlich handeln!