Energieversorgung

Deutschland hat voraussichtlich genügend Erdgas für den Winter

Die Analysten der Commerzbank gehen davon aus, dass Deutschland im kommenden Winter das Erdgas nicht ausgehen werde. Allerdings bestünden nach wie vor erhebliche Risiken.

Deutschland hat voraussichtlich genügend Erdgas für den Winter

Deutschland hat genügend Erdgas

Commerzbank für den Winter zuversichtlich – Aber Risiken bestehen

ku Frankfurt

Der Preis für Erdgas am europäischen Spotmarkt ist am Freitag leicht gestiegen. Am virtuellen niederländischen Übergabepunkt TTF kletterte der Monatskontakt um 1,8% auf 39,81 Euro
je Megawattstunde. Anfang September hatte Erdgas zeitweilig zu 31 Euro notiert. Händler verwiesen auf wartungsbedingten Ausfall norwegischer Anlagen zur Verarbeitung von Erdgas. Allerdings gab am Freitag schon wieder höre Lieferungen aus dem norwegischen Erdgasfeld Troll.

Wie ein Damoklesschwert hängt indes die Frage über dem Markt, ob in diesem Winter in der EU das gespeicherte und kontinuierlich per Tankschiff gelieferte Erdgas ausreichen wird, ohne das Versorgungslücken entstehen. Nach Einschätzung von den Analysten Ralph Solveen und Bernd Weidensteiner von der Commerzbank geht Deutschland mit weitgehend gefüllten Gasspeichern in die Heizperiode, was die Chancen erhöhe, dass Deutschland auch im kommenden Winter trotz des Ausfalls der russischen Lieferungen Erdgas nicht rationieren muss. Allerdings gebe es zahlreiche Risikofaktoren, für eine Entwarnung sei es zu früh.

Vor einem Jahr habe die Regierung auf eine Doppelstrategie gesetzt. So sollte der Gasverbrauch verringert werden, gleichzeitig sollten aber neue Bezugsquellen erschlossen werden, um den weitgehenden Ausfall der russischen Lieferungen auszugleichen. Die Ziele bei der Verringerung des Verbrauchs seien allerdings knapp verfehlt worden. Angepeilt worden sei eine Verringerung der Gasnutzung um 20%. Die Industrie sei dem in den ersten acht Monaten mit einer Reduzierung gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 bis 2020 von 17% recht nahe gekommen. Erschwert worden seien die Einsparungen der Industrie dadurch, dass wohl auch wegen des Abschaltens der letzten drei Atomkraftwerke deutlich mehr Gas für die Stromerzeugung verbraucht worden sei. Die privaten Haushalte hätten hingegen nur eine Einsparung von etwa 10% geschafft, so dass sich das gesamte Minus auf lediglich 15% belaufen habe.

Speicher gut gefüllt

Ein Blick auf die Angebotsseite zeige, dass die Bemühungen um den Ersatz Russlands als Gaslieferant zumindest insoweit erfolgreich gewesen sein, als das die Gasspeicher in Deutschland aktuell mit einem Füllstand von gut 94% sogar etwas besser gefüllt seien als vor einem Jahr. Die Chancen stünden gut, dass die Speicher im November praktisch voll sein würden. Diese würden dann immerhin fast 40% des Verbrauchs zwischen Oktober und April abdecken, erläutern die beiden Analysten. „Eigentlich müsste dies ausreichen, um über die nächste Heizperiode zu kommen“, erwarten sie. So sei im vergangenen Winter zwischen Oktober und April nur ein Viertel das gespeicherten Gas gebraucht worden. Der größte Teil der Nachfrage sei durch Nettoimporte gedeckt worden. In dem Winter hätte der Verbrauch sogar noch deutlich höher werden können, ohne dass es Probleme gegeben hätte.

Allerdings könnten die vorhandenen Puffer angesichts zahlreicher Risikofaktoren durchaus gebraucht werden. Als erstes sei die Witterung zu nennen. Die letzte Heizperiode sei eine der wärmsten seit dem Jahr 2000 gewesen, mit einer durchschnittlich um ein Grad Celsius höheren Durchschnittstemperatur als in den vergangenen 23 Jahren. Zudem befürchtet die Commerzbank, dass der Wille zu Einsparungen erlahmt. So sei der Anstieg der Durchschnittspreise auch dank staatlicher Maßnahmen wie der Gaspreisbremse zum Stehen gekommen und für die kommenden Monate sei eher mit einem allmählichen Rückgang der Preise zu rechnen. Außerdem sei das Thema in der Öffentlichkeit nicht mehr so präsent wie vor einem Jahr. Ein weiterer Risikofaktor sei, wie viel Gas für die Stromerzeugung verwendet wird. Zwar habe sich die Gefahr einer stärkeren chinesischen Nachfrage nach LNG-Flüssiggas nicht realisiert. Es bestehe aber die Gefahr eines möglichen Ausfalls eines oder mehrerer Lieferanten. So habe es in den vergangenen Monaten immer wieder Lieferausfälle wegen Unfällen oder Streiks gegeben. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die EU nach wie vor 8% ihres importierten Erdgases aus Russland bezieht, was andere EU-Länder betreffe. Bei einem Ausfall dieser Lieferungen müsse Deutschland möglicherweise einspringen.

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