DevisenfokusGeldpolitik

Devisenmärkte in Zinssenkungszyklen

Viele Notenbanken in den Industrieländern bereiten derzeit den Schwenk in Richtung einer weniger restriktiven Geldpolitik vor. Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Devisenmärkte in früheren Leitzinssenkungszyklen.

Devisenmärkte in Zinssenkungszyklen

Devisenfokus

Devisenmärkte in Zinssenkungszyklen

Von Martin Hochstein *)

Viele Notenbanken in den Industrieländern bereiten derzeit den Schwenk in Richtung einer weniger restriktiven Geldpolitik vor. Zwar dämpfte US-Notenbankchef Jerome Powell nach der jüngsten Fed-Sitzung Markterwartungen auf eine unmittelbare Leitzinssenkung. Gleichzeitig betonte er jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit eines solchen Schrittes im weiteren Jahresverlauf. Damit befindet sich die Fed in guter Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Devisenmärkte in früheren Leitzinssenkungszyklen. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die Wechsel­wirkungen zwischen Zinsniveau, Zinsdifferenzen und Wechselkursen komplex sind. Für den G10-Währungsraum lässt sich feststellen, dass die Korrelation zwischen den Veränderungen der erwarteten kurzfristigen Zinsdifferenzen und den jeweiligen Wechselkursveränderungen über die letzten 25 Jahre im Schnitt moderat positiv ausfiel. Ergo: Ein verschlechtertes relatives Zinsumfeld führte tendenziell zu Währungsabwertungen und vice versa.

Begrenzt man die Analyse in diesem Zeitraum auf Phasen geldpolitischer Lockerungen, so ergibt sich ein differenziertes Bild. Entscheidender Faktor war hierbei die internationale Reichweite des jeweili­gen Zinssenkungszyklus. Unilaterale Zyklen mit Leitzinssenkungen nur im Inland wirkten tendenziell negativ auf die jeweilige Währung. Demgegenüber ist das Ergebnis bei multilateralen Zyklen mit gleichzeitigen Lockerungen im In- und Ausland zweigeteilt. Prozyklische Währungen wie das britische Pfund, die norwegische und schwedische Krone sowie der kanadische, australische und neuseeländi­sche Dollar neigten in diesen Episoden zur Schwäche. Antizyklische Währungen wie der japanische Yen, der Schweizer Franken und der Dollar zeigten sich demgegenüber fester.

Sichere Häfen gesucht

Dieses Phänomen ist vor allem dadurch erklärbar, dass parallele Leitzinssenkungen in den Industrie­ländern zumeist mit Rezessionen oder Finanzkrisen einhergingen. Der korrespondierende Anstieg der Risikoaversion begünstigte tendenziell Reserve- und antizyklische Überschusswährungen und damit die „sicheren Häfen“ in den Devisenmärkten. Dieses Muster bleibt auch bei einer Ausweitung der Analyse auf den gesamten Zeitraum seit Ende des Bretton-Woods-Systems 1973 und einer Einbeziehung der quantitativen Lockerungsmaßnahmen seit 2008 weit­gehend stabil.

Welche Rückschlüsse lässt dies für das aktuelle Marktumfeld zu? Der Analystenkonsens erwartet ab Mitte 2024 den Beginn synchroner Leitzinssenkungen in den Industrieländern. Bei einem Abgleiten der Weltwirtschaft in die Rezession würde die histori­sche Analyse für die G10-Währungen damit eine realistische Blaupause liefern. Im Gegensatz zu den meisten früheren multilateralen Zyklen werden aktuell aber vor allem rückläufige Inflationsraten und nicht eine drohende Rezession als dominanter Treiber gesehen. Eine korrespondierende „sanfte Landung“ der Weltwirtschaft würde grundsätzlich auf defensi­ven Währungen wie dem Schweizer Franken lasten. Die Performance der prozyklischen Währungen und des Euro dürfte neben Geschwindigkeit und Ausmaß der geldpolitischen Lockerungen vor allem von der konjunkturellen Dynamik und dem jeweiligen Wachstums-Inflations-Mix beeinflusst werden.

Der Dollar bliebe nicht zuletzt durch die weiterhin positiven Zinsdifferenzen gut unterstützt, könnte aber im Falle eines stärkeren globalen Wirtschaftswachstums und zunehmender Risikoneigung in den Finanzmärkten unter Druck geraten. Eine Sonderrolle kommt dem japanischen Yen zu. Sollte die Bank of Japan gegen den internationalen Trend einen restriktiveren Kurs einschlagen und aus ihrer Negativzinspolitik aussteigen, ergäbe sich nicht zuletzt aufgrund einer deutlichen fundamentalen Unterbewertung Aufwertungspotenzial.

*) Martin Hochstein ist Senior Economist bei Allianz Global Investors.

*) Martin Hochstein ist Senior Economist bei Allianz Global Investors.

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