GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (330)

Die "Glorreichen Sieben" oder: Ist der Small-Cap-Effekt tot?

Aktuell sind die Bewertungen der Tech-Giganten stark nach oben gelaufen. Doch mittelfristig sind die Aussichten für Nebenwerte auch nicht schlecht.

Die "Glorreichen Sieben" oder: Ist der Small-Cap-Effekt tot?

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (330)

Die "Glorreichen Sieben" oder:
Ist der Small-Cap-Effekt tot?

Eines der herausragenden Gesprächsthemen des vergangenen Börsenjahres war die rasante Kursentwicklung und schier unglaubliche Dominanz von lediglich sieben US-amerikanischen Technologieunternehmen, den sogenannten „Magnificent 7“ (die Glorreichen 7).

Nach einer scharfen Korrektur von Wachstumsaktien im Jahr 2022, dem sich auch diese Gruppe von marktführenden Tech-Unternehmen nicht entziehen konnte, wiesen die Kursbarometer 2023 wieder steil nach oben. Im Durchschnitt um mehr als 100% haben sich deren Aktienkurse verteuert. Und dies während der Rest des Aktienmarktes kaum vom Fleck kam – erst durch die Jahresend-Rally ab Mitte Oktober konnte der „Rest-Markt“ („S&P 493“) sich von der Nulllinie lösen und ein zweistelliges Jahresergebnis erzielen.

Qualität steht außer Frage

Die Qualität der Geschäftsmodelle und die Gewinnstärke der Glorreichen 7 stehen außer Frage – womit sich dieser Hype wohltuend von der Internet-Bubble um die Jahrtausendwende abhebt.

Aber rechtfertigt dies einen Anteil von fast 27% an der gesamten US-Marktkapitalisierung für sieben Aktien? Zumal die Gewinne lediglich für 18% der Unternehmensgewinne in den USA stehen (bei zugegebenermaßen höheren Wachstumsraten).

Gleichzeitig haben in den letzten Jahren der Megacap-Dominanz kleiner kapitalisierte Unternehmen eine deutlich schlechtere Wertentwicklung gezeigt – sogar inklusive des Korrekturjahres 2022. Dies war für viele Anleger enttäuschend, auch für Manager von thematischen Anlagestrategien, die ja eine besondere Präferenz für kleinere, innovative Spezialisten haben.

Nicht bei den Glorreichen 7 investiert zu sein, hat es fast unmöglich gemacht, den breiten Markt zu schlagen. Glaubwürdig definierte und fokussierte Themen (beispielsweise aus dem Umweltbereich) können diese Aktien schlicht nicht in ihr Portfolio aufnehmen.

In vielen Zyklen funktioniert

Die Wachstumsstärke von Small Caps (und damit das bessere Kurspotenzial) wurde im Jahr 1981 durch den Schweizer Rolf Banz erstmals wissenschaftlich herausgearbeitet. Dieser Small-Cap-Effekt hat in vielen Börsenzyklen wunderbar funktioniert – bis auf die jüngste Dominanz-Episode von Technologie-Giganten. Ist der Small-Cap-Effekt damit hinfällig geworden?

Einige Indizien sprechen dafür, denn einerseits sind Internet-Unternehmen anders als traditionelle Industriewerte von „Netzwerk-Effekten“ geprägt. Je größer eine Plattform ist, desto attraktiver ist sie für Teilnehmer und Werbetreibende. Es findet eine natürliche Konzentration auf die stärksten Player statt, ein „the winner takes it all“.

Private Equity stärker aktiv

Ein zweites Argument ist in der stärkeren Aktivität von Private-Equity-Investoren zu sehen. Während früher junge Unternehmen zügig eine Börsennotierung anstrebten, wird ein immer größerer Teil der Aufbau- und Wachstumsphase von innovativen Start-ups im Besitz von PE-Gesellschaften verbracht. Die Zahl von Börsengängen ist schon seit Jahren rückläufig. Ist dies ein Strukturbruch, der den Small-Cap-Effekt aushebelt? Wir sind nicht der Meinung.

Aktuell sind die Bewertungen der Tech-Giganten und KI-Unternehmen stark nach oben gelaufen und preisen jahrelange superiore Wachstumsraten ein. Jede Erwartungsenttäuschung (und die wird sich früher oder später einstellen) wird erfahrungsgemäß von den Anlegern hart abgestraft, die gesamte Hoffnungsrally beginnt in sich zusammenzufallen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt werden die Investoren sich nach Alternativen umschauen – und die eklatante relative Unterbewertung von Small Caps „neu“ entdecken.

Keine schlechten Aussichten

Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich auch die Euphorie bei Private-Equity-Investitionen etwas abgekühlt hat, was mittelfristig auch die Finanzierung von Unternehmen via Börsengängen wiederbeleben kann. Insgesamt keine schlechten Aussichten für Nebenwerte – und für Spezialisten, die sie in ihren Strategien berücksichtigen.

Walter Liebe

Head of Intermediaries Deutschland bei Pictet Asset Management