„Die Tech-Welle mit Amazon & Co. ist ausgereizt“
Wolf Brandes.
Herr Fischer, die meisten Investoren stehen vor der Situation, dass Geld anlegen müssen. Angesichts der Nullzinsen scheinen Aktien alternativlos. Welche Regionen sind noch attraktiv?
Zum Aktienmarkt fällt mir das Sprichwort „Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht“ ein. Solange die Zentralbanken alles kaufen, wo Zins draufsteht, bleibt als Alternative nur die Aktie. Irgendwann kann das nicht mehr gutgehen. Das Beruhigende derzeit ist, dass an den Aktienmärkten im Allgemeinen keine Überhitzung vorherrscht, die Blase sehe ich an den Anleihemärkten. Aktien sind verglichen mit Anleihen nicht teuer. Wenn man voraussetzt, dass die Anleihen ihr Niveau halten, dann ist das aktuelle KGV für S&P 500 fast günstig.
Zurück zu der Frage: Wo soll der Anleger investieren? In den USA, Europa oder China?
Bei chinesischen Aktien investiert man in einem Markt, bei dem nicht klar ist, nach welchen Regeln gespielt wird. Das muss für mich als Anleger das nicht schlecht sein, denn China ist der große Gewinner von zwei Krisen. Das Land hat die Finanzkrise 2008 bravourös überstanden und ist ökonomischer Weltmeister der Coronakrise. Trotzdem sollte man mit seinen Investments den Schwerpunkt außerhalb Chinas setzen.
Eher USA oder Europa?
In den vergangenen Jahren haben die manipulative Geldpolitik der Zentralbanken und der Trend zu Technologie die Kurse getrieben. Letzteres erklärt die Outperformance des S&P 500. Leider gibt es im Dax kaum echte Techwerte. Und dann stellt sich noch einer der wenigen als kriminell heraus. Für mich ist das weniger einer Frage von europäischen oder amerikanischen Aktien, sondern ob ich Wachstums- oder Substanzwerte kaufe.
Geht die Rally der Wachstumswerte weiter?
Ich glaube, die Tech-Welle mit Amazon, Google, Facebook & Co. ist ausgereizt. Diese Monopole werden künftig von den Staaten reguliert, denn es gibt eine Schwelle für die gesellschaftliche Akzeptanz von monopolistischen Strukturen. Das Geldverdienen wird dann schwerer. Neue Technologien dagegen, die wirkliche Probleme lösen, werden gerade künftig Chancen an den Börsen haben wie beispielsweise Biotechnologie.
Ist Tesla nach Ihrer Definition eine alte oder neue Technologie?
Mir ist unbegreiflich, dass ein einziges Unternehmen mehr wert sein kann als alle anderen Autofirmen der Welt zusammen. Das Argument, Tesla sei ein Software-Unternehmen, ist umstritten. Tesla ist die Show eines Marketinggenies. Wie viel Substanz dahintersteckt, weiß ich nicht. Ich würde die Aktie nicht kaufen.
Würden Sie VW kaufen?
Der Zeitpunkt ist gekommen, sich die deutschen Autowerte wieder genauer anzuschauen. Die Unternehmen haben das Thema E-Mobilität verschlafen, aber sie werden aufholen.
Vermutlich zählen Banken nicht zu Ihren Favoriten, oder?
Viele glauben, das Problem der Banken seien die Fintechs. Das ist ein Irrtum, denn die Hauptkonkurrenten der Banken sind die Zentralbanken. Deren Bilanzwachstum erklärt den schrumpfenden Markt der Geschäftsbanken. Insbesondere in der Eurozone leiden die Banken darunter. Der einzige Ausweg ist eine massive Konsolidierung der Branche und deshalb sind die Banken in den USA einigermaßen profitabel. In der Eurozone gibt es aber keinen einheitlichen Bankenraum. Mir tun die Banken leid, weil nur noch die EZB den Ton angibt. Und wenn die Zentralbank auch noch gezielt in Green Bonds investieren sollte, dann ist das nichts anderes als Industriepolitik.
Sie sprachen davon, dass Substanzwerte stärker in den Fokus rücken werden. Meinen Sie damit beispielsweise BASF oder Bayer?
BASF ist ein sehr interessantes Unternehmen. Als klassische Multi-Produkt-Chemieunternehmen vielleicht nicht mehr ganz modern, aber in einer Phase einer zu erwartenden Reflationierung ist das nichts Schlechtes.
Was macht Sie so sicher, dass die Inflation zurückkommt?
Derzeit sparen die privaten Haushalte zu viel. Es wird aber ein Punkt kommen, an dem das angesparte Vermögen sich in Nachfrage umwandeln wird. Die Menschen wollen nach der Krise raus und sie werden konsumieren. Das wird zu höheren Preisen führen.
Gibt es noch weitere Argumente?
Die Coronakrise hat gezeigt, dass die arbeitsteilige Wirtschaft mit verwundbaren Lieferketten ihre Grenzen hat. Damit wird man künftig stärker abwägen zwischen Kosteneffizienz und der Sicherheit des Systems. Die lange Phase der durch die Globalisierung bedingten Kostensenkungseffekte geht zu Ende.
Mit welcher Inflation rechnen Sie?
Gelingt es, diesen Teufel zu beherrschen, läuft das auf rund 3% hinaus. Die Preissteigerung wird sich auf einem etwas höheren Niveau als zurzeit beruhigen. Beim Aktienmarkt wird es starke Rückschläge geben, aber die Inflation wird nicht so stark steigen, dass sie die Börse abwürgt. In jedem Fall werden die Zentralbanken alles dafür tun, dass der Realzins negativ bleibt. Damit muss jedem Anleger klar sein, dass die Börsenentwicklung nun in erster Linie eine Frage der Geldpolitik ist.
Was könnte man als sicheren Hafen für unruhige Zeiten nutzen? Sie haben im Zukunftsfonds in Gold investiert.
Idealerweise kombiniert man Aktien mit langfristigen Anleihen. Das funktioniert heute nicht mehr. Als Absicherung kann man jetzt nur noch Assets einsetzen, die bei einer Inflation an Wert gewinnen, also Gold, aber auch Industriemetalle oder Minenwerte. Ein anderer Hedge besteht darin, bei langlaufenden Anleihen short zu gehen.
In dem Fonds finden sich dennoch Anleihen. Warum?
Irgendwo müssen wir Liquidität anlegen. Dagegen kaufen wir Puts auf langlaufende Bonds, falls am Anleihenmarkt etwas passiert.
Viel diskutiert wird die Frage, ob Krypto-Assets eine neue eigene Anlageklasse ist. Was meinen Sie?
Man könnte fast sagen, aus Respekt vor der Jugend haben wir 2020 eine kleine Position Bitcoin als Hedge gekauft. Wie bei Gold weiß ich eigentlich nicht, wofür man Bitcoin braucht. Außer vielleicht für illegale Geschäfte, da hat es einen hohen Wert als organisiertes Nummernkonto. Aber man darf Krypto-Assets aus ideologischen Gründen nicht verteufeln und insofern gehen wir da pragmatisch ran. Ich bin zwar kein Bitcoin-Fan, aber ich bin ein Geschäftsmann.
Ein Blick auf die alternativen Anlagen wie Immobilien, Private Equity und Hedgefonds. Was ist davon im Moment zu halten?
Hedgefonds sind im Allgemeinen für Privatanleger nicht geeignet, weil sie nicht die einzelnen Fonds kaufen können. Zurzeit werden den Hedgefonds durch die Robin Hoods der Anleger auch neue Grenzen gesetzt. Private Equity lebt besonders stark von niedrigen Zinsen und ist letztlich ein gehebeltes Investment auf den Aktienmarkt. Immobilien hängen ebenfalls an den manipulierten Null- und Negativzinsen. Meiner Meinung nach sollte es Venture-Capital-Fonds geben, zu denen private Anleger Zugang haben, aber so etwas gibt es nicht. Bei Venture Capital sehe ich echte Wertschöpfung, das zeigt sich in Amerika.
Wie sollte Risikomanagement unter den veränderten Rahmenbedingungen aussehen? Taugt das Modell Value at Risk noch?
Ich war früher ein Anhänger der Value-at-Risk-Methode. Aber sie beruht auf Annahmen über funktionierende Kapitalmärkte, die angesichts der manipulierten Zinsen nicht mehr gelten. Das Modell funktioniert daher nicht mehr und ich bin überrascht, dass die Finanzbranche weiterhin ein untaugliches Instrument für das Risikomanagement einsetzt. Es gibt sogar Robo-Advisor, die sich ganz auf Value-at-Risk verlassen.
Was halten Sie von ESG und Nachhaltigkeit bei Investments?
Nachhaltigkeit ist eigentlich nichts Neues, jeder vernünftige Unternehmer sollte nachhaltig arbeiten. Eines ist aber klar: Durch den Klimawandel stehen wir vor einem tiefgreifenden Umbau der Wirtschaft. Ein großer Teil des alten Kapitalstocks wird substituiert werden. Mein Geheimtipp: Da es keine CO2-freie Zukunft ohne Kernkraft geben kann, sind Investments in dem Bereich meiner Meinung nach interessant. Was ich aber schlimm finde, sind Nachhaltigkeitskriterien, die man sich in Brüssel ausdenkt. Ich hoffe aber, dass diese Aufgabe aber am Ende vom Markt entschieden wird.
ESG ist ein großes Thema, auch in der Fondsbranche.
Das ist viel Marketing. Wenn ich Fondsbranche und Nachhaltigkeit schon höre. Die Branche sollte erst mal über die Nachhaltigkeit der Kosten nachdenken, die sie von den Anlegern verlangt, ehe sie neue nachhaltige Produkte auflegt.
Das Interview führte