GELD ODER BRIEF

Die Vergangenheit lässt K+S nicht los

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 27.9.2019 41 Euro pro Aktie. So viel hatte die Potash Corporation of Saskatchewan im Juni 2015 für den deutschen Düngemittel- und Salzproduzenten K+S geboten. "Die vorgeschlagene Transaktion...

Die Vergangenheit lässt K+S nicht los

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt41 Euro pro Aktie. So viel hatte die Potash Corporation of Saskatchewan im Juni 2015 für den deutschen Düngemittel- und Salzproduzenten K+S geboten. “Die vorgeschlagene Transaktion reflektiert nicht den fundamentalen Wert von K+S”, erklärten Vorstand und Aufsichtsrat seinerzeit in einer gemeinsamen Erklärung und lehnten das “unaufgeforderte” Gebot ab. Norbert Steiner, damals Vorstandschef von K+S, wies jedes Gesprächsangebot von Potash Corp zurück. Nun sind vier Jahre vergangen, und der Kurs der K+S-Aktie, der seit Anfang Oktober 2015 – als die Kanadier ihre informelle Offerte zurückzogen – nie mehr über 28 Euro hinauskam, ist am vergangenen Mittwoch mit 12 Euro auf den tiefsten Stand seit 2005 gesunken ist. Tiefster Kurs seit 2005 Kam hier Hochmut vor dem Fall? Für Langzeitaktionäre klingt es aus heutiger Sicht jedenfalls bitter, was Steiner im Juli 2015 prognostizierte: “Ein Gutes hat der Vorschlag von Potash Corp: Er ist der Auslöser für eine fundamentale Neubewertung unseres Unternehmens.” Dass der ehemalige Dax-Konzern, der von Potash Corp mit 7,6 Mrd. Euro bewertet worden war, gut vier Jahre später an der Börse nur noch 2,4 Mrd. Euro schwer sein würde, hat Steiner vermutlich nicht gemeint.Anlass des jüngsten Kurssturzes – allein am Montag ging es zeitweise um 10 % bergab – war die Mitteilung, dass K+S auf die aktuell schwache Kalinachfrage reagiere und bis Ende des Jahres die Düngemittelproduktion für Kaliumchlorid (KCl) um bis zu 300 000 Tonnen reduzieren werde. Wichtig für den Kursrückschlag war auch der Nachsatz: “Der mit der Produktionsanpassung verbundene Effekt auf das Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) wird in einer Größenordnung von bis zu 80 Mill. Euro erwartet.”Die Probleme der Düngemittelbranche und von K+S gehen zu einem großen Teil zurück auf die Rohstoff-Hausse in der ersten Dekade des Jahrtausends. Damals stiegen auch die Preise für Agrarprodukte. 2007 und im ersten Quartal 2008 gingen die Kali- bzw. Düngerpreise regelrecht durch die Decke – ebenso der Kurs von K+S (damals: Kali und Salz), der im Juni 2008 auf über 90 Euro kletterte. Dann folgte eine scharfe Korrektur: Während der Preis für eine Tonne KCl von 870 Dollar im März 2008 bis auf 312 Dollar im März 2010 fiel, halbierte sich der K+S-Kurs in der gleichen Zeit. Nicht nur die Übertreibung wurde neutralisiert, die Preisrückgänge waren auch Folge eines starken Kapazitätsaufbaus, der bis heute einen kräftigen Aufschwung verhindert.Hinzu kam, dass Mitte 2013 der Kaliproduzent Uralkali aus Russland ein Exportbündnis mit der weißrussischen Belaruskali aufkündigte. Uralkali erklärte zudem, mit einer Maximierung der Absatzmenge die bis dato verfolgte Hochpreispolitik zu beenden. Daraufhin brachen die Kalipreise erneut ein. Von diesen Tiefschlägen hat sich die Düngemittelbranche nie wirklich erholt. Nach der Zurückweisung der Potash-Offerte durch K+S und den nachfolgenden enttäuschenden Ergebnissen war das Anlegervertrauen endgültig dahin.Eine Wende schien mit der Ablösung an der Konzernspitze zu kommen, denn der seit Mai 2017 amtierende Vorstandschef Burkhard Lohr erzeugte Aufbruchstimmung. Er sorgte für die Beilegung diverser jahrelanger Streitigkeiten mit verschiedenen Umweltorganisationen und krempelte die Struktur der Gruppe um. War K+S früher in die Bereiche Kali- und Magnesiumprodukte einerseits sowie Salz andererseits unterteilt, gilt heute die Ausrichtung auf die vier Kundensegmente Landwirtschaft, Industrie, Verbraucher und Gemeinden. Der CEO will damit die Kundenorientierung und das vernetzte Denken stärken.Die von Lohr 2017 initiierte Strategie “Shaping 2030” beinhaltet auch quantitative Ziele. So soll dieses Jahr ein positiver freier Cash-flow generiert werden. Der Verschuldungsgrad soll stark reduziert und durch Hebung von Synergien ein positiver Ergebniseffekt von mindestens 150 Mill. Euro pro Jahr von Ende 2020 an erzielt werden.2023, so die Vorgabe, soll K+S wieder im Investment Grade liegen. Zurzeit stufen Standard & Poor’s und Moody’s das Unternehmen mit “BB” bzw. “Ba 2” (jeweils zwei Stufen unter Anlagequalität) ein. Als Fernziel für 2030 wird ein Ebitda von 3 Mrd. Euro anvisiert. Davon ist der Konzern freilich noch weit entfernt. Für 2019 wurde zuletzt eine Zielspanne von 730 bis 830 (i. V. 606) Mill. Euro genannt. Allerdings dürfte diese Bandbreite am 14. November bei der Vorlage der Neunmonatszahlen nach unten revidiert werden, denn die Belastung von 80 Mill. durch die Senkung der KCl-Produktion war in der Prognose noch nicht enthalten. Analysten senken DaumenIn dieser Woche äußerten sich rund 20 Research-Häuser zu K+S. Meist wurden die Kursziele gesenkt, in einigen Fällen auch das Anlageurteil nach unten revidiert.Von 28 Research-Häusern, deren Urteile Bloomberg erfasst hat, raten allerdings nur drei zum “Verkauf”. 14 empfehlen “Halten”, elf sogar “Kaufen”. Der errechnete Durchschnitts-Zielkurs der Analysten liegt bei 17,06 Euro. Gemessen am Schlusskurs vom Donnerstag von 12,36 Euro entspricht dies einem Aufwärtspotenzial von 38 %. Und noch etwas ist für die Chance-Risiko-Einschätzung wichtig: Nur J.P. Morgan (“Untergewichten”) und das Bankhaus Lampe (“Halten”) haben in dieser Woche mit 11 bzw. 12 Euro Kursziele genannt, die unter dem aktuellen Kurs liegen, wohingegen Scotiabank 21 Euro und Kepler Cheuvreux sowie UBS 20 Euro in Aussicht stellen.Auf Basis der Analystenschätzungen sind K+S derzeit fair, mit Blick auf 2020 und vor allem 2021 günstig bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Konsenswerte liegt für dieses Jahr bei 12,9; in den nächsten Jahren soll das KGV auf 9,6 und 7,8 fallen. Zwischen 2019 und 2021 liegt das erwartete Kurs-Buchwert-Verhältnis laut Bloomberg etwas über 0,5. Auch die Quoten des Unternehmenswertes zum Ebitda, die von 7,5 (2019) über 6,6 auf 6,0 (2021) sinken sollen, legen eine Unterbewertung nahe.