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EDF befindet sich in der Warteschleife

Von Rodger Rinke *) Börsen-Zeitung, 19.2.2015 Das absolute Schwergewicht auf dem europäischen Versorgermarkt mit Blick auf die ausstehenden Bondvolumina und einem Indexanteil von 15 % des iBoxx ist die französische EDF. Allein das ist schon Grund...

EDF befindet sich in der Warteschleife

Von Rodger Rinke *)Das absolute Schwergewicht auf dem europäischen Versorgermarkt mit Blick auf die ausstehenden Bondvolumina und einem Indexanteil von 15 % des iBoxx ist die französische EDF. Allein das ist schon Grund genug, einen Blick auf den Konzern zu werfen, der zudem noch der größte Stromerzeuger in Europa ist und mit seiner breiten Aufstellung außerhalb des Heimatmarktes, insbesondere in Großbritannien und in Italien, vielen verschiedenen Marktentwicklungen unterworfen ist. Ferner war EDF dieses Jahr der erste große Spieler unter den Versorgern, der mit Zahlen für das Jahr 2014 aufwartete und damit die Messlatte für den Rest der Branche setzt.Geprägt waren die Jahreszahlen von einer guten Verfügbarkeit der Kernkraftwerke, die selbst die Erwartungen von EDF übertraf. Zudem sorgten Tarifaufholungen für vergangene Jahre für Zusatzerträge, die jedoch einmaligen Charakter haben. Negativ wirkten sich die milden Witterungsbedingungen im vergangenen Jahr aus. So verbuchte der Konzern einen organischen Umsatzrückgang, gleichzeitig konnte das Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) gegenüber dem Vorjahr um 6,5 % auf 17,3 Mrd. Euro zulegen. Die Markterwartungen konnten damit leicht übertroffen werden. Auf Verschuldungsseite war hingegen ein leichter Anstieg von 2 % zu verzeichnen. Treiber war der Dauerzustand bei EDF, der keine Finanzierung von Investitionen und Dividenden aus dem Cash-flow zulässt. EDF konnte jedoch die Auswirkungen durch erneute umfangreiche Emissionen von Hybridkapital auffangen, die nicht als Verschuldung bilanziert werden. Mehrere Faktoren relevantStrategisch gesehen befindet sich das Unternehmen momentan in der Warteschleife. Dies ist mehreren Faktoren geschuldet. Zum einen übernahm der neue CEO Jean-Bernard Levy den Posten erst im November vorigen Jahres; zu wenig Zeit, um drei Monate später schon eigene Akzente zu setzen. Deutlich wurde aber, wo aus seiner Sicht die größten Themen sind. Wesentlich ist die Umsetzung der Strategie im Bereich Atomkraft, kaum überraschend bei EDF, deren Hauptexpertise im Betrieb von Kernkraftwerken liegt und die über 70 % der gesamten Stromerzeugung liefert. Ferner spielt die Strategie der Internationalisierung eine wesentliche Rolle für den Konzern, der immer noch rund 55 % des Umsatzes auf dem Heimatmarkt generiert, außerhalb davon aber oftmals mit ertragsseitigen Problemen zu kämpfen hat. Mit welchen konkreten Maßnahmen EDF in diesen beiden Bereichen vorankommen will, war verständlicherweise aber noch nicht zu erfahren.Zum anderen befindet sich das Unternehmen momentan in der Warteposition, weil wesentliche Fragen zur “Transition Energetique”, der französischen Energiewende, momentan noch ungeklärt sind. Das Gesetz hierzu ist vom Parlament noch nicht final verabschiedet und befindet sich zwischen den beiden Kammern in Abstimmung. Es scheint durchaus denkbar, dass dieser Prozess noch zu Änderungen der Ziele führt, insbesondere was die Zeitachse bei der Umsetzung betrifft. Kernziel war die Reduktion des Atomstromanteils auf 50 % der Stromproduktion im Jahr 2025. Aktuell liegt der Anteil bei 75 %. Verbindlich sollte ein Cap für die nuklearen Kapazitäten von 63,2 GW eingezogen werden, was den aktuellen Kernkraftkapazitäten entspricht. Das würde im Umkehrschluss bedeuten: Wenn das Neubauprojekt Flamanville mit erheblichem Zeitverzug ans Netz geht, muss ein altes Kernkraftwerk vom Netz genommen werden. Ferner wird die Reduktion des Energieverbrauchs um 20 % bis 2030 angestrebt. Bisher ist unklar, welche konkreten Implikationen das für EDF hat und mit welcher Strategie das Unternehmen darauf reagieren wird. Noch im weiteren Verlauf des Frühjahrs ist jedoch das finale Gesetz zu erwarten. Auch was die regulierten Stromtarife auf dem Heimatmarkt angeht, sind wichtige Fragen noch nicht geklärt. Mit Blick auf den Weiterbetrieb von alten Kernkraftwerken und die erforderlichen Nachrüstungen konnten nun grobe Eckpunkte verabschiedet werden. Bis zu 55 Mrd. Euro könnte das Programm kosten. Genaue Kostenpläne, welche Laufzeitverlängerung damit verbunden ist und welche Kraftwerke wann betroffen sind; all dies ist momentan noch unklar. Rückläufige ErträgeFür Bondinvestoren heißt es also: Warten auf die Details in Frankreich. Klar ist momentan nur, was für das Jahr 2015 zu erwarten ist. Dies kann aber nicht vollständig überzeugen. Für 2015 erwartet EDF einen leichten Anstieg des Ebitda zwischen 0 % und 3 % auf organischer Basis, jedoch ohne Berücksichtigung der 2014 verbuchten Tarifaufholungen. De facto bedeutet das einen Ertragsrückgang und lässt sich in ein Ebitda von 16,5 bis 17 Mrd. Euro übersetzen. Das lag allerdings unter den Erwartungen der von Bloomberg befragten Analysten. Wichtig für die Bondseite ist jedoch die Einhaltung der Finanzkennzahlen. Hier gibt es keine Veränderung. Aktuell befindet man sich jedoch am unteren Ende der kommunizierten Bandbreite bei der Kennzahl Net Debt/Ebitda von 2 bis 2,5-fach. Das impliziert, dass dem weiteren Abbau der Nettoverschuldung eine untergeordnete Rolle zukommt. Auch die Auszahlungen für Dividenden sollen sich im unveränderten Rahmen bewegen. Kürzungen gibt es hingegen mit Blick auf die Investitionen. Diese sollen sich 2015 auf “nur noch” 13 Mrd. Euro belaufen, während man bisher von 14 Mrd. Euro ausgegangen war.Überhaupt sollen die Investitionen nach dem Peak im Jahr 2015 gegen Ende der Dekade (2018) auf maximal 11 Mrd. Euro pro Jahr sinken. Dann soll auch erstmalig wieder ein positiver Free Cash-flow nach Investitionen und Dividenden erzielt werden. Dazu sollen Maßnahmen zur Cash-flow-Optimierung (zum Beispiel im Working Capital) beitragen. Außerdem wurde der Verkauf von weiteren nicht-strategischen Assets genannt, eine konkrete Zahl wurde aber nicht vermeldet. Viele UnsicherheitenZusammenfassend besteht das Umfeld von EDF aus einer Vielzahl von Unsicherheiten und noch nicht definierten Vorgaben, unter anderem aus der Politik. Aufgrund der breiten regionalen Diversifikation, der umfangreichen Cash-flow-Generierung und des Staatsanteils Frankreichs sehen wir EDF aber als gut aufgestellt an, um diesen Unsicherheiten zu trotzen. Der Staatsanteil, der auch positive Wirkung auf das Rating des Konzerns entfaltet, sollte auch für Stabilität mit Blick auf die Energiewende in Frankreich sorgen. Längere Laufzeiten bei den Senioranleihen bieten immer noch einen leichten Aufschlag zur Peer, den wir für nicht gerechtfertigt halten. Außerdem sehen wir weiterhin die Hybridemissionen von EDF als interessant an, bevorzugen jedoch in diesem Feld die älteren Emissionen. Neuemissionen im Hybridbereich sind ebenfalls denkbar. Mit Blick auf 2015 sollten sich daher Gelegenheiten für Bondinvestoren ergeben.—-*) Rodger Rinke ist Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.