Geld oder BriefOMV

Ein defensiver Wert sorgt ungewollt für Aufsehen

Beim österreichischen Öl-, Gas- und Chemiekonzerns OMV gab es in letzter Zeit viel Unruhe. Im Gegensatz dazu hat sich die OMV-Aktie, ein Börsen-Schwergewicht in der Alpenrepublik, in den vergangenen drei Jahren als defensiver Wert mit überschaubaren Schwankungen erwiesen.

Ein defensiver Wert sorgt ungewollt für Aufsehen

Geld oder Brief

OMV sorgt ungewollt für Aufsehen

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

Der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV hat an den vergangenen Tagen mehrfach für Aufsehen gesorgt – teils unfreiwillig und nicht zur Freude des Managements. So kam es am Dienstag in der Hauptversammlung zu lautstarken Protesten von Klimaaktivisten. Sie unterbrachen immer wieder die Präsentation von Vorstandschef Alfred Stern durch lautstarke Zwischenrufe und das Hochhalten von Transparenten. Die Proteste richteten sich gegen die fossilen Geschäftsaktivitäten und sorgten im Saal für erhebliche Unruhe. Aufsichtsratschef Lutz Feldmann bemühte sich erfolglos um Deeskalation. Schließlich wurden die Demonstrierenden vom Sicherheitspersonal aus dem Saal begleitet, einige mussten hinausgetragen werden.

Es war eine Erfahrung, auf die CEO Stern hätte verzichten können. Vor zehn Tagen hatte der 60-Jährige selbst Unruhe in das Umfeld von OMV gebracht. Der Konzern hatte mitgeteilt, dass der Vorstandschef nach dem planmäßigen Auslaufen seines Vertrags Ende August 2026 nicht länger zur Verfügung steht. Der Rückzug sei eine persönliche Entscheidung, hieß es. Chefkontrolleur Feldmann bedauerte die Entscheidung. „Stern hat als CEO die größte Transformation in der Unternehmensgeschichte der OMV eingeleitet“, sagte er. Diese sei „auf Kurs“.

Von Öl und Gas hin zur Chemie

Stern steht für den langfristigen Wandel des teilstaatlichen Unternehmens: weg von fossilen Rohstoffen, hin zu nachhaltigen Kraftstoffen, Chemikalien und Kreislaufwirtschaft. Ein Meilenstein seiner Amtszeit war die im März erzielte Einigung mit dem Kernaktionär Adnoc über die Fusion der Petrochemie-Töchter Borealis und Borouge. Die Verhandlungen hatten sich über zwei Jahre hingezogen. Mit der Gründung der Borouge Group International entsteht ein globaler Petrochemieriese mit Sitz in Österreich und einem Unternehmenswert von rund 60 Mrd. Dollar. Der Abschluss der Transaktion wird für das erste Quartal 2026 erwartet.

Mit der geplanten Fusion dürfte OMV vor einer strategischen Neupositionierung stehen. Kritiker sehen in dem Zusammenschluss zwar einen industriellen Erfolg, befürchten aber, dass damit die von Stern verfolgte Chemiestrategie an Bedeutung verliert. Der Fokus könnte sich von einem nachhaltigen Chemieunternehmen wieder stärker zu einem renditeorientierten Energie- und Beteiligungskonzern verschieben – mit deutlich stärkerem Einfluss von Adnoc.

Stabil in bewegten Zeiten

Im Gegensatz zu den jüngsten Turbulenzen steht die Kursentwicklung der OMV-Aktie in den vergangenen drei Jahren. Dabei gab es in dieser Zeit keinen Mangel an Krisen: Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022, weltweit hohe Inflation infolge stark steigender Preise vor allem für Energie und Rohstoffe, Störung von Lieferketten, die Eskalation des Nahost-Konflikts und zuletzt die sich zuspitzenden Handelskonflikte zwischen den USA, China und Europa, ausgelöst durch die Zollmanie von US-Präsident Donald Trump. Investoren suchen in solch bewegten Zeiten oft nach defensiven Werten, die eine im Vergleich zum Gesamtmarkt deutlich geringere Volatilität aufweisen. Rückblickend wären sie mit OMV gut gefahren.

Nur 43 Prozent im Streubesitz

Seit Mitte 2022 hat sich die OMV-Aktie in der relativ engen Spanne zwischen 36 und 50 Euro bewegt. Und das, obwohl die Preise für Energie in dieser Zeit großen Schwankungen unterlagen und die Nachfrageschätzungen ebenfalls unbeständig waren. Halt geben der Aktie die beiden Ankeraktionäre: zum einen die Österreichische Beteiligungs AG, kurz Öbag (31,5%), die die Beteiligungen der Republik Österreich an einigen börsennotierten Unternehmen verwaltet; zum anderen die Abu Dhabi National Oil Company, kurz Adnoc (24,9%), ein staatlich kontrollierter Ölkonzern mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. 

Freefloat-Kapitalisierung auf MDax-Niveau

Mit einer unbereinigten Marktkapitalisierung von 15,6 Mrd. Euro ist OMV einer der schwersten Werte Österreichs und im 20 Unternehmen umfassenden Austrian Traded Index, dem Leitindex der Alpenrepublik, enthalten. Auf dem deutschen Aktienmarkt wäre das Unternehmen ein Kandidat für den Dax, wäre der Streubesitzanteil mit 43,4% nicht so gering. Der Freefloat-Börsenwert beträgt lediglich 6,8 Mrd. Euro, so dass es hierzulande nur für den MDax reichen würde.

Die OMV-Aktie wird stets mit Abschlägen zum Branchendurchschnitt bewertet. Das hat vor allem zwei Ursachen: Zum einen ist der Konzern im Vergleich zu Big Oil – etwa Shell, Totalenergies und BP in Europa bzw. ExxonMobil und Chevron in den USA – ein Zwerg; zum anderen führen Österreich als Sitz und die Börse Wien als Haupthandelsplatz zu einem Abschlag im Vergleich zu Börsen wie New York, London und Paris, wo die Schwergewichte der Öl- und Gasindustrie gehandelt werden.

Repsol und Galp Energia als Benchmark

Allein wegen der vergleichbaren Größe sind Unternehmen wie die spanische Repsol (13,6 Mrd. Euro) und die portugiesische Galp Energia (9,7 Mrd. Euro) eher die Benchmark. OMV bewegt sich mit ihren Finanz-Multiples – etwa Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV) und Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) – zwischen Repsol, die günstiger bewertet wird, und Galp Energia, die spürbar höhere Vielfache aufweist.

Die erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnisse für die Jahre 2025 bis 2027, von Bloomberg auf Basis der Analystenkonsensschätzungen ermittelt, belaufen sich bei OMV auf 9,3 bzw. 8,6 und 8,2. Die Bewertung wird also – bedingt durch erwartete Gewinnsteigerungen – günstiger. Die meisten anderen Multiples werden sich nach Einschätzung der Research-Häuser in den nächsten Jahren kaum verändern.

Seitwärtsbewegung für Umsatz und operatives Ergebnis erwartet

Während Analysten für Umsatz und Ebitda eine mehrjährige Seitwärtstendenz voraussagen, kommt in andere Positionen Bewegung. So werden die Investitionen (Capex) gemäß der Konsenserwartung in den Jahren 2024 bis 2026 nah um die Marke von 3,5 Mrd. Euro pendeln, aber 2027 auf etwas über 3 Mrd. fallen. Auch deswegen dürften die Nettoschulden von geschätzten 3,5 Mrd. Euro in diesem Jahr bis 2027 auf 4,3 Mrd. steigen.

Freier Cashflow auf Achterbahnfahrt

Eine kleine Achterbahnfahrt wird, wenn die Experten Recht behalten, der Free Cashflow machen: Nach 1,94 Mrd. Euro im vergangenen Jahr werden für 2025 knapp 1,1 Mrd. vorausgesagt; nächstes Jahr soll der freie Mittelzufluss auf 0,73 Mrd. Euro sinken, bevor er sich 2027 auf 1,76 Mrd. wieder mehr als verdoppeln soll. Der freie Cashflow ist in der Öl- und Gasbranche eine der am stärksten beachteten Kennzahlen, da dieser Wert in den meisten Fällen als Grundlage für die Ermittlung der Dividendenzahlung genutzt wird. Einer der Hauptgründe für Anleger, in Öl- und Gaskonzerne zu investieren, ist der im Vergleich zu anderen Industrien hohe Return, der sich aus Ausschüttungen und Aktienrückkäufen zusammensetzt.

Analystenkonsens ist „neutral“

Mit 47,40 Euro liegen OMV nur einen Euro unter dem 52-Wochen-Hoch; das 52-Wochen-Tief steht bei 36 Euro. Seit Jahresanfang hat das Papier 27% zugelegt. Analysten halten das Kurspotenzial für weitgehend ausgereizt. Das ergibt sich aus dem von Bloomberg aus insgesamt 22 Anlageurteilen ermittelten Konsenswert von 3,45; dieser Wert zeigt eine „Halten“- oder „Neutral“-Empfehlung an. Auch das durchschnittliche Kursziel von 48 Euro signalisiert eine faire Bewertung. Die Ausreißer nach oben kommen von Santander (62,50 Euro) und der tschechischen Wood (61,70 Euro), nach unten fallen BNP Paribas Exane (38 Euro) und die polnische Pekao (39,46 Euro) aus dem Rahmen.

Hohe Dividendenrendite

Ein echtes Kaufargument für die OMV-Aktie ist aber die hohe Dividendenrendite. Zwar zahlt das Unternehmen für 2024 eine im Vergleich zur rekordhohen Ausschüttung im Vorjahr von 5,05 Euro je Anteilsschein nur noch 4,75 Euro – die sich aus einer regulären Dividende von 3,05 (i.V. 2,95) Euro und einem variablen Anteil von 1,70 (2,10) Euro zusammensetzt –, doch bei einem Aktienkurs von 46,80 Euro (Donnerstag, kurz vor Handelsschluss), ergibt sich auf Basis dieser Dividendenhöhe immer noch eine Rendite von 10,1%.

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