KREDITWÜRDIG

Enel setzt auf Wachstum

Von Rodger Rinke *) Börsen-Zeitung, 25.1.2018 Größe gilt im Versorgersektor als längst überholtes Motto und wird vielerorts als Hinderungsgrund gesehen, um auf dem Energiemarkt der Zukunft erfolgreich zu sein. Mittlerweile haben sich fast alle...

Enel setzt auf Wachstum

Von Rodger Rinke *)Größe gilt im Versorgersektor als längst überholtes Motto und wird vielerorts als Hinderungsgrund gesehen, um auf dem Energiemarkt der Zukunft erfolgreich zu sein. Mittlerweile haben sich fast alle Versorger von Wertschöpfungsstufen getrennt, Nichtkernbereiche veräußert oder sich gar aufgespalten. Aber ist an Größe alles schlecht? Credit-Investoren lieben normalerweise Unternehmen mit vielen Assets. Neben Diversifikationsgründen gibt dies auch gewisse Sicherheit, dass veräußerbare Assets vorhanden sind, wenn es einmal schlechter läuft. 120 Mrd. Euro langfristige Vermögenswerte hat der in Rom ansässige Versorger Enel zu bieten. Mit einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von über 15 Mrd. Euro hat sich das Unternehmen außerdem die Spitzenposition im Sektor in Europa gesichert und zählt, gemessen am Indexgewicht im iBoxx Versorger, mit rund 6 % zu den drei Schwergewichten.Doch warum ist dieser Koloss erfolgreich? Dafür sind die richtige Mischung und ein gutes Management verantwortlich. Der Ebitda-Mix von Enel ist sehr ausbalanciert und profitiert von starken Standbeinen im Netzbereich (46 %) und im Bereich erneuerbare Energien (28 %). Das Endkundengeschäft steht für 16 % der Erträge, während die thermale Erzeugung 10 % beisteuert. Zusammengenommen stammen damit rund 75 % der Erträge aus regulierten Geschäftsfeldern, ein Wert, den Credit-Investoren mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Aber nicht nur mit Blick auf die Geschäftsfelder ist Enel diversifiziert, auch geografisch kann das Unternehmen punkten, insbesondere seitdem sich die Peripherie-Staaten in Europa wieder erholen. Wachstumsmärkte wie Südamerika werden erfolgreich bespielt (26 %), während der italienische Heimatmarkt 45 % zum Ebitda beiträgt; es folgt die Iberische Halbinsel mit rund 20 %. Das restliche Europa und Nordamerika kommen zusammen auf rund 10 %. Entschuldung beendetZwar hat Enel seit mehr als zwei Jahren die Entschuldung beendet und die Hebel Richtung Wachstum umgelegt, wie auch der Ende November aktualisierte Strategieplan des Unternehmens zeigt. Für Bondholder ergeben sich daraus allerdings ebenfalls positive Effekte. Das starke Wachstum auf Ebitda-Ebene von 3 auf über 18 Mrd. Euro bis zum Jahr 2020 soll auch zu einer Verbesserung der Credit-Kennzahlen führen: Das Verhältnis Net Debt/Ebitda soll von 2,4x auf 2,1x sinken. Das Wachstum wird durch 24,6 Mrd. Euro an Investitionen befeuert, die stärker als bisher in die etablierten Märkte fließen sollen. Ferner sollen 95 % der Investitionen auf Geschäftsfelder ohne Rohstoffrisiken entfallen, was beides positiv auf das Geschäftsrisiko wirkt. Eine Reduzierung der Verschuldung ist hingegen nicht geplant. Diese soll von erwarteten 37,8 Mrd. Euro zum Jahresende 2017 auf 38,3 Mrd. Euro im Jahr 2020 steigen.Alles in allem klingt der Plan positiv und wird durch die Disziplin des Unternehmens bei der Erreichung gesetzter Finanzziele in der Vergangenheit untermauert. Ausgerechnet der Staat sorgt aber für Fragezeichen, was dämpfend auf die Performance der Bonds wirken könnte. Neben der Bedeutung des Heimatmarktes für Enel ist der Staat mit einem Anteil von 23,6 % größter Aktionär. Anfang März stehen in Italien Parlamentswahlen an. Die aktuellen Umfragen führt die europaskeptische Fünf-Sterne-Bewegung an. Stabile Mehrheitsverhältnisse zeichnen sich dabei bisher nicht ab. Am CDS lässt sich eine gewisse Ruhe ablesen. Von über 100 Basispunkten (BP) Ende Februar 2017 engte sich der CDS-Spread auf aktuell rund 56 BP ein. Vielleicht haben sich der Markt und Enel an unsichere Regierungsverhältnisse in Italien gewöhnt.Enel (Ratings: “Baa 2″/”BBB+”) ist ein regelmäßiger Kandidat am Euro-Bondmarkt und nutzte bereits den Jahresauftakt zur Emission eines Green Bond mit 8,7 Jahren Laufzeit und einem Volumen von 1,25 Mrd. Euro. Die Anleihe wurde zunächst mit rund 65 BP angeboten. Der darin enthaltene Aufschlag zur Marktkurve wurde schlussendlich auf nur noch 2 BP zusammengestrichen. Der finale Spread lag bei 47 BP, was in einem Kupon von 1,125 % resultierte. Unter den Käufern von Enel-Bonds spielt die EZB mit ihrem Anleihekaufprogramm CSPP eine wichtige Rolle. Zuletzt waren Bonds aus zwölf Emissionen in Händen der EZB, was dem Unternehmen eine der Top-10-Platzierungen im Versorgersektor sicherte und positiv auf die Bond-Spreads wirkte. Emissionen sind denkbarNeben den in Euro denominierten Bonds hat das Unternehmen auch Fremdwährungsanleihen vor allem in Schweizer Franken, Pfund und Dollar begeben. Insgesamt hat der Versorger aktuell einen Betrag von über 38 Mrd. Euro ausstehen. Entsprechend der hohen Summe kommt es im Fälligkeitenprofil auch zu einigen Spitzen: 2018 stehen über 5 Mrd. Euro zur Tilgung oder Refinanzierung an, so dass im Jahresverlauf weitere Emissionen denkbar sind. Allerdings hat Enel schon Vorarbeit geleistet: 2017 standen 3,3 Mrd. Euro Fälligkeiten an, gleichzeitig emittierte Enel umgerechnet über 8 Mrd. Euro, vor allem über Dollar-Bonds. In den folgenden Jahren sinken die Fälligkeiten auf jährlich rund 1 Mrd. Euro, bis 2022 wieder 4 Mrd. Euro auf dem Plan stehen.Auch für den Versorger-Primus gilt, was bei vielen Unternehmensanleihen zu beobachten ist: Attraktive Verzinsungen sind nur bei längeren Laufzeiten zu bekommen. Erst Fälligkeiten ab dem zweiten Halbjahr 2023 überschreiten bei der Rendite die 0,5-%-Marke. Hinzu kommt bei Enel noch eine Besonderheit: Die Bondkurve des Unternehmens ist vergleichsweise steil, was bedeutet, dass eine Investition in längere Laufzeiten besonders positive Renditewirkung entfaltet. Deutlich wird dies auch im Peer-Vergleich mit dem Konkurrenten Iberdrola (“Baa 1″/”BBB+”): Während kurze Laufzeiten von Enel bis zum Jahr 2023 unterhalb des Konkurrenten preisen, wird für lange Laufzeiten ein Aufschlag von bis zu 10 BP bezahlt. Diese Konstellation halten wir für attraktiv, weswegen wir bei Enel insbesondere die Laufzeit 1/2025 zu unseren Favoriten zählen. Grundsätzlich halten wir die Seniorbonds von Enel für attraktive Beimischungsgelegenheiten; ihnen sollte eine positive fundamentale Entwicklung des Unternehmens zugutekommen.Daneben hat Enel zwei Hybridanleihen in Euro emittiert, die Investoren ein Renditeplus bieten können. Gekennzeichnet sind diese durch eine unbestimmte Laufzeit, die Zinsverschiebungsmöglichkeit und die Nachrangigkeit im Insolvenzfall. Die Hybrids wurden bereits 2013 und 2014 emittiert und weisen hohe Kupons von 5 % bzw. 6,5 % auf. Der erste mögliche Kündigungstermin steht in 12 bzw. 24 Monaten an. Bevorzugt wird von uns die Anleihe mit Call-Termin im Januar 2020, welche uns im Peer-Vergleich als leicht attraktiv gepreist erscheint (Rendite von 0,6 %). Allerdings sind die nachrangigen Papiere von Enel bei Moody’s noch im High-Yield-Bereich angesiedelt (“Ba 1”) und damit nicht für jeden Investor geeignet.—-*) Rodger Rinke ist Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.