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Engie als Benchmark der Versorgerbranche

Von Rodger Rinke *) Börsen-Zeitung, 10.8.2017 Der Versorgersektor ist lange Zeit der Liebling bei Bondinvestoren gewesen: Kapitalintensive Unternehmen, teilweise in Staatsbesitz, kombiniert mit hohen Margen und einer unsensitiven Nachfrage sind die...

Engie als Benchmark der Versorgerbranche

Von Rodger Rinke *)Der Versorgersektor ist lange Zeit der Liebling bei Bondinvestoren gewesen: Kapitalintensive Unternehmen, teilweise in Staatsbesitz, kombiniert mit hohen Margen und einer unsensitiven Nachfrage sind die Kennzeichen gewesen. Dies hat sich unter anderem durch den Siegeszug der erneuerbaren Energien und eine Liberalisierung in vielen Belangen geändert. Jüngst spielt das Thema Stabilität allerdings wieder eine größere Rolle. So reduzieren die Unternehmen des Sektors Anteile aus den volatileren Geschäftsfeldern wie der Erzeugung und investieren bevorzugt in regulierte und damit besser planbare Aktivitäten, was Bondinvestoren sehr entgegenkommt. Vorne mit dabei in diesem Prozess ist Engie, der französische Strom- und Gasversorger, der mit einem Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) 2016 von über 10 Mrd. Euro zu den größten Versorgern zählt und 16 Senior Bonds mit einem Volumen von jeweils mehr als 500 Mill. Euro mit einer großen Bandbreite von Laufzeiten bis zum Jahr 2035 ausstehen hat.Zur Risikoreduzierung hat das Unternehmen Anfang 2016 einen Transformationsplan beschlossen, dessen Ziel es ist, das nicht zuletzt für Ratingagenturen sehr wichtige Geschäftsrisikoprofil zu verbessern und den Anteil von Aktivitäten mit Rohstoffabhängigkeit am Ebitda bis 2018 auf 15 % zu reduzieren. Dies ist aktuell bereits erreicht. Für Bondholder, insbesondere in langen Laufzeiten, ist zudem bedeutend, dass sich Engie daneben auf zukunftsträchtige Kerngeschäftsfelder fokussieren will, die vor allem CO2-arme Aktivitäten, Netze und integrierte Kundenlösungen umfassen.Zur Umsetzung hat sich der Konzern drei Programme verordnet: (1) Umschichtungen im Portfolio, (2) Wachstumsinvestitionen und (3) Kostenoptimierungen. Zugute kommen sollten Bondinvestoren vor allem Umschichtungen im Portfolio von Engie, mit denen eine Verschuldungsreduzierung von 15 Mrd. Euro verbunden sein soll. Rund 70 % davon sind bereits umgesetzt. Jüngst wurde in diesem Zusammenhang der Ausstieg aus der Förderung von Öl und Gas beschlossen. Der Ausbau der Kerngeschäftsfelder soll über Wachstumsinvestitionen von 14 Mrd. Euro geschehen, während bis Ende 2018 Kostensenkungen 1,2 Mrd. Euro an Einsparungen erlösen sollen, wovon Engie bisher 60 % erreicht hat. CDS-Spread erholt sichBauen können Investoren auf die Finanzziele des Unternehmens. Diese sehen eine Begrenzung der Verschuldung, gemessen an der Ratio Net Debt/Ebitda, auf 2,5x vor. Außerdem soll das Rating in der Kategorie “A” gehalten werden. Beides sollte Credit-Investoren Sicherheit geben, auch wenn Engie in den vergangenen Monaten mehrfach mit Übernahmen, unter anderem bei Suez oder Uniper, in Verbindung gebracht wurde. An der Entwicklung des Fünf-Jahres-CDS Anfang des Jahres lässt sich eine gewisse Verunsicherung über mögliche M & A-Deals ablesen. Von 66 Basispunkten (BP) zum Jahresanfang weitete sich der CDS-Spread auf ein zwischenzeitliches Hoch von über 70 BP im März aus. Da sich die Übernahmediskussion bis jetzt indes nicht bewahrheitete, setzte eine Erholung auf aktuell 40 BP ein. Diese Entwicklung fällt jedoch zeitlich auch eng mit den französischen Präsidentschaftswahlen zusammen, deren Ergebnis ebenfalls zur Erholung beigetragen hat. Diese war für das Unternehmen aus zwei Gründen von Bedeutung. Zum einen ist Engie über die Eigentümerstruktur an den Staat gebunden, der mit einem Anteil von 28,7 % größter Aktionär ist. Ratingrelevant ist dies vor allem bei Moody’s, wo dies im Gegensatz zu S & P für einen Bonus im Rating sorgt (Rating von “A 3” bzw. “A-“) Der Ausblick des Ratings bei S & P ist aktuell negativ, ein Downgrade ist aber mit Blick auf den Verkauf des Fördergeschäfts wohl unwahrscheinlich. Zum anderen könnte der Sieg Macrons ein stabileres Regulierungsumfeld und deutliches Wachstum für die erneuerbaren Energien in Frankreich bedeuten. Regelmäßiger EmittentEngie ist ein regelmäßiger Kandidat am Euro-Bondmarkt. Daneben hat das Unternehmen auch Fremdwährungsanleihen in diversen Währungen begeben. Insgesamt hat der Versorger aktuell einen Betrag von rund 26 Mrd. Euro ausstehen. Die Anleihen sind bis auf zwei Floater ausnahmslos festverzinslich. Das Fälligkeitenprofil stellt sich dabei zwar recht ausgeglichen dar. In Spitzenjahren stehen aber teilweise über 2,5 Mrd. Euro zur Refinanzierung an. Auch in diesem Jahr war das Unternehmen bereits am Primärmarkt aktiv. So wurden im März zwei Green Bonds mit den Laufzeiten von sieben und elf Jahren über insgesamt 1,5 Mrd. Euro emittiert, die zunächst mit 20 bzw. 15 BP Aufschlag zur Marktkurve angeboten wurden. Schlussendlich wurden die Emissionsspreads jeweils um 10 BP zurückgenommen. Die Kupons lagen final bei 0,875 % bzw. 1,5 %. Die Emissionen verband das Unternehmen mit einem vorteilhaften Verschuldungsmanagement und kaufte diverse Senior Bonds im Gesamtwert von 0,7 Mrd. Euro zurück, deren durchschnittlicher Kupon bei 4,6 % lag.Die Bonds von Engie sind fester Bestandteil des EZB-Anleihekaufprogramms. Zuletzt waren 13 Emissionen in Händen der EZB, was Engie eine der Top-5-Platzierungen im Versorgersektor sicherte und positive Effekte auf die Spread-Entwicklung hatte. Mit Blick auf die Spreads gehören die Bonds von Engie, entsprechend der fundamentalen Situation und der internationalen Ausrichtung, allerdings ohnehin schon zu den teuersten Anleihen des Sektors. So müssen Investoren für eine attraktive Verzinsung bei Senior Bonds den Blick weit in die Ferne richten: Sämtliche Bonds mit Fälligkeiten innerhalb der nächsten vier Jahre weisen eine negative Rendite oder eine Rendite nahe null auf. Attraktiver sind unseres Erachtens die Laufzeiten ab 2024, für die eine Rendite von mindestens 0,6 % geboten wird.Die Bewertung der Engie-Bonds erscheint uns gerechtfertigt, wenn beispielsweise der Blick auf die Halbjahreszahlen des Unternehmens geworfen wird. Das Unternehmen zeigte im ersten Halbjahr eine gute Entwicklung und erzielte auf Ebitda-Ebene einen Anstieg um 4 %. Damit sticht Engie positiv aus der Vergleichsgruppe der europäischen Versorger heraus, die witterungs- oder preisbedingt teils deutliche Rückgänge zu verkraften hatten. Engie war dank breiten Geschäftsmodells und geografischer Diversifikation gegenüber diesen Effekten weitgehend immun. Die Senior Bonds des Unternehmens gehören unseres Erachtens zu den Basiswerten eines Bondportfolios.Daneben hat das Unternehmen vier Hybridanleihen emittiert, die für Investoren ein interessantes Renditeplus bieten können. Diese Anleihen, deren wesentliche Merkmale eine unbestimmte Laufzeit, Zinsverschiebungsmöglichkeiten und die Nachrangigkeit im Insolvenzfall sind, erscheinen uns im Peervergleich als fair gepreist. Bevorzugt wird von uns die Anleihe mit erstem Call-Termin im Juli 2021. Diese handelt aktuell bei 136 BP über Swap, was einer Rendite, gerechnet auf den ersten Call-Termin, von 1,43 % entspricht.—-*) Rodger Rinke ist Analyst für den Versorgersektor bei der Landesbank Baden-Württemberg.