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Equinor bietet mehr als Öl und Gas

Von Achim Wittmann *) Börsen-Zeitung, 30.1.2020 Einmal mehr ist die Geopolitik zu Jahresbeginn in den Fokus des Ölmarktes gerückt. Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran sowie der Bürgerkrieg in Libyen haben die Sorgen um mögliche...

Equinor bietet mehr als Öl und Gas

Von Achim Wittmann *) Einmal mehr ist die Geopolitik zu Jahresbeginn in den Fokus des Ölmarktes gerückt. Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran sowie der Bürgerkrieg in Libyen haben die Sorgen um mögliche Lieferengpässe angefacht. Grundsätzlich ist der Ölmarkt jedoch gut versorgt, zumal sich eine weitere Ausbreitung des Coronavirus in China dämpfend auf die Nachfrage auswirken könnte. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet für das erste Halbjahr mit einem deutlichen Angebotsüberschuss auf dem Markt. Dies könnte entsprechenden Druck auf die Preise zur Folge haben. Ein stärkerer Preisrückgang dürfte die Opec+-Länder auf den Plan rufen. Diese hatten im Dezember letzten Jahres beschlossen, ihre Förderkürzungen auszuweiten. In Summe gehen wir daher von einer Fortsetzung der volatilen seitwärtsgerichteten Preisbewegung am Ölmarkt aus.Gemessen am iBoxx Oil & Gas liegen die Spreads der Branche weiterhin deutlich unter denen des Gesamtmarktes, wobei sich die Differenz im Laufe des vergangenen Jahres sogar noch leicht ausgeweitet hat. Trotz niedrigerer Öl- und Gaspreise, die die Ertragsentwicklung im vergangenen Jahr belasteten, weisen die Unternehmen der Branche nach wie vor solide Finanzkennzahlen aus. Kontinuierliche Kostensenkungen und ein moderates Investitionsverhalten haben dazu geführt, dass das Ölpreisniveau, bei dem die Investitionen und Ausschüttungen aus den operativen Mittelzuflüssen finanziert werden können, in den letzten Jahren sukzessive gesenkt wurde.Die Spreads der Equinor-Bonds sind im Verlauf des vergangenen Jahres im Rahmen größerer Schwankungen zurückgegangen. So sind die Risikoaufschläge der Anleihen mit bis zu vier Jahren Restlaufzeit um bis zu 10 Basispunkte gesunken, die Aufschläge bei längeren Laufzeiten reduzierten sich um bis zu 20 Basispunkte. Damit zeichneten die Bonds zum einen die Tendenzen des Gesamtmarktes nach. Andererseits wirkte der Ölpreisanstieg positiv.Die Notierungen für Brent-Rohöl sind im Jahr 2019 um knapp 25 % gestiegen. Der Spread für den Bond mit Laufzeit 09/25, der mit 42 Basispunkten ins Jahr 2019 startete, beendete dieses mit 21 Basispunkten. Aktuell liegt der Aufschlag bei 20 Basispunkten. Der als Indikation für das aktuelle Marktrisiko dienende Spread für einen CDS (Credit Default Swap) mit einer Laufzeit von fünf Jahren beträgt gegenwärtig rund 17 Basispunkte. Equinor hat acht festverzinsliche Bonds mit Volumina von jeweils mehr als 500 Mill. Euro am Euro-Bondmarkt ausstehen. Die Ratingagentur S&P bewertet den britischen Konzern mit “AA-“. Moody’s vergibt ein “Aa2”-Rating. Beide Agenturen versehen ihr Rating mit einem stabilen Ausblick. Nummer 1 in NorwegenEquinor ist der größte Öl- und Gasproduzent in Norwegen und einer der führenden Gaslieferanten für den europäischen Markt. Mit 67 % befindet sich die Mehrheit der Aktien in Staatsbesitz. Der hohe Anteil an OECD-Ländern im Förderportfolio und der regionalen Verteilung der Reserven macht den Konzern weniger anfällig für geopolitische Risiken. Dafür ist die Anfälligkeit für Ölpreisschwankungen aufgrund der vergleichsweise geringen Raffineriekapazitäten höher als bei anderen integrierten Öl- und Gaskonzernen. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres förderte Equinor mit 2,0 Mill. Barrel Öläquivalenten pro Tag 2,8 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Der Rückgang resultiert aus dem Fördergeschäft in Norwegen, wo Equinor aufgrund des schwachen Preises die Gasproduktion gedrosselt hatte. Geringere Fördervolumen und deutlich rückläufige Öl- und Gaspreise führten nach den ersten drei Quartalen 2019 zu einem Rückgang des bereinigten operativen Ergebnisses um 26,8 % auf 9,9 Mrd. Dollar. Den operativen Mittelzuflüssen von 12 Mrd. Dollar standen organische Investitionen von 7,4 Mrd. Dollar gegenüber. Die Kreditkennzahlen zeigen sich dank positiver freier Cash-flows weiterhin sehr solide. Für den Zeitraum 2019 bis 2025 erwartet Equinor einen durchschnittlichen Anstieg der Öl- und Gasförderung von 3 % pro Jahr. Anfang Oktober letzten Jahres und damit früher als geplant konnte das Ölfeld Johan Sverdrup die Produktion aufnehmen. Das Hochfahren der Förderung läuft sehr erfolgreich. Mit einer erwarteten Fördermenge von 660 000 Barrel Öläquivalenten pro Tag in der Plateauphase ist Johan Sverdrup die größte Feldentwicklung Norwegens seit den achtziger Jahren. Equinor ist mit einem Anteil von 43 % Betreiber des Feldes, das mit einem Break-even-Ölpreis unter 20 Dollar je Barrel auch die Profitabilität des Konzerns spürbar verbessern sollte. Schließlich ist Johan Sverdrup durch die Förderung mit Tiefstwerten beim CO2-Ausstoß auch in Bezug auf die Klimaschutzdebatte ein Vorzeigeprojekt. Windprojekte im Meer Insgesamt will Equinor ihre Treibhausgasemissionen aus der Förderung und Produktion von Öl und Gas in Norwegen bis 2030 um 40 % und bis 2050 gegen null senken. Dazu beitragen sollen neben effizienteren Fördertechniken insbesondere die Elektrifizierung und Digitalisierung der Öl- und Gasförderung. Im Bereich erneuerbare Energie haben die Norweger mittlerweile ein beachtliches Portfolio an Windprojekten aufgebaut. So haben sie unter anderem den Zuschlag erhalten, gemeinsam mit dem Partner SSE drei große Windprojekte in der Nordsee zu entwickeln. Mit einer Gesamtkapazität von 3,6 Gigawatt stellt dies das größte Offshore-Windfarmprojekt weltweit dar. Entfielen im Jahr 2018 rund 4 % der Gesamtinvestitionen in Höhe von 9,9 Mrd. Dollar auf die neuen Energien, plant Equinor diesen Anteil bis 2030 auf 15 bis 20 % zu erhöhen. Mit einem Anteil von 56 % hat Equinor den Großteil ihrer Bonds in Dollar begeben. Der Anteil der in Euro platzierten Bonds beträgt 34 %. Insgesamt hat das Unternehmen über Anleihen gegenwärtig einen Betrag von knapp 24 Mrd. Dollar ausstehen. Als Emittent von Eurobonds war Equinor zuletzt Ende 2016 am Markt. Im laufenden Jahr steht noch ein Volumen von rund 2 Mrd. Dollar zur Refinanzierung an, unter anderem ein auslaufender Eurobond in Höhe von 850 Mill. Euro. Insgesamt sind die Fälligkeiten relativ ausgewogen verteilt.Die Equinor-Anleihen bis Laufzeit 02/23 weisen gegenwärtig negative Renditen auf. Die langfristigen Anleihen mit Laufzeiten von 15 bzw. 16 Jahren rentieren derzeit mit 0,6 % bzw. 0,7 %. Da die Branche aufgrund des sich verändernden Energiemix vor größeren strukturellen Veränderungen steht, sind diese Laufzeiten jedoch mit größeren Risiken verbunden. Investoren sollten auf Laufzeiten zwischen fünf und sieben Jahren zurückgreifen. Die Spreads der entsprechenden Bonds notieren um die Marktkurve “AA-“, die dem S&P-Rating entspricht, das gut abgesichert sein sollte. Die Renditen sind allerdings auch bei den mittleren Laufzeiten mit bis zu 0,1 % marginal. Nichtsdestotrotz könnten gute Wachstumsperspektiven in der Förderung, solide Finanzkennzahlen sowie die klare Nachhaltigkeitsstrategie zu Spread-Einengungen führen. *) Achim Wittmann ist Senior Analyst für Öl & Gas bei der LBBW.