Ericsson profitiert vom Huawei-Bann
Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDer vom US-Präsidenten Donald Trump verhängte Boykott gegen den chinesischen Hochtechnologiekonzern Huawei hat international für Schockwellen gesorgt. Insbesondere die Aktien des Technologiesektors sind zeitweilig deutlich unter Druck geraten. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, denn wenn Huawei auf Geheiß der US-Regierung von seinen Lieferquellen abgeschnitten wird und in Länder im Machtbereich der USA keine Technologie für das Management von Telefon und Datennetzen mehr verkaufen darf, dann könnten davon Wettbewerber profitieren. Interessanterweise gibt es in diesem Bereich kaum noch konkurrenzfähiger US-Anbieter, die einen weiteren Bereich der Huawei-Produkte und -Dienstleistungen abdecken. Allerdings gibt es Konzerne außerhalb der USA, die profitieren können. Einer dieser Konzerne ist der schwedische Telekommunikationsausrüster Telefonaktiebolaget LM Ericsson. Dessen Aktien der Klasse B haben sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. Notierten sie im September 2017 noch knapp über 45 skr, liegt der Kurs inzwischen bei leicht über 92 skr. Schützenhilfe aus den USAAktuell überwiegt allerdings trotz Schützenhilfe aus dem Weißen Haus bei den Analysten die Zurückhaltung. Von 27 Banken, die die Aktie beobachten, raten nur acht zum Kauf. 13 Häuser empfehlen, den Titel im Portfolio zu behalten, und sechs plädieren für einen Verkauf. Seit Jahresanfang hat sich die Aktie um rund 18 % verteuert, damit in etwa so stark als die Technologiebranche: Der US-Technologieindex Nasdaq Composite hat seit Anfang Januar rund 13 % zugelegt, der Stoxx 600 Technologie um rund 20 %. Das durchschnittliche Kursziel der von Bloomberg erfassten Analysten liegt auf Sicht von zwölf Monaten derzeit bei 92 skr. Demnach hätte die Aktie – trotz Trump – kein weiteres Potenzial.Die Geschäftsaussichten haben sich für Erisccon durch die Strafmaßnahmen gegen Huawei jedoch verbessert: “Ericsson könnte in einer guten Position sein, um Huawei Marktanteile bei den Ausrüstungen fürs Mobilfunknetz abzunehmen”, schreiben die Analysten von Bloomberg Intelligence. Die beiden Konzerne stehen weltweit in einem harten Wettbewerb, wobei Huawei im vergangenen Jahr mit einem Marktanteil von 30,9 % Weltmarktführer gewesen sei, Ericsson habe mit 27 % knapp dahinter gelegen. So könnte Ericsson Marktanteile in Ländern gewinnen, die sich dem US-Boykott anschließen oder bei Netzbetreibern, die nicht auf die Verfügbarkeit von Ausrüstungen von Huawei für den neuen Mobilfunkstandard 5G warten wollen, vermuten die Analysten. Allerdings bestehe auch die Gefahr, dass es für Ericsson in China schwieriger werden könnte, weil chinesische Carrier künftig lieber einheimischen Ausrüstern wie Huawei und ZTE den Vorrang geben. Im Geschäft mit Mobilfunk-Basisstationen habe Eriksson 2018 einen Anteil von 28,1 % gehabt, Huawei hingegen von 30 %.Die Anlageexperten von J.P. Morgan Cazenove sehen die Aktie von Ericsson positiv. Sie stufen den Titel mit “Overweight” ein, mit einem Kursziel von 104 skr. Sie verweisen dabei vor allem auf die Networks-Sparte, die im Bericht über die Geschäftslage im ersten Quartal der “Star” gewesen sei, auf den sich die Investoren fokussiert hätten. Unter Herausrechnung von Währungseffekte habe sich ein Umsatzanstieg der Sparte von 10 % ergeben. Dies sei die größte Dynamik seit vielen Jahren gewesen. Das Unternehmen habe für die Sparte von einer Bruttomarge von 43,2 % und einer operativen Marge von 16,4 % berichtet, was die besten Werte eines ersten Quartals seit vielen Jahren gewesen seien. Der neue Mobilfunkstandard 5G werde die Entwicklung von Umsatz, Umsatzwachstum, Gewinnmarge und auch die Restrukturierungsbemühungen unterstützen, so die Analysten der Bank. Sie erwarten, dass sich die Gewinnmarge auf Basis des Ergebnisses vor Steuern und Zinsen (Ebit) von 4,4 % auf 9,6 % im laufenden Jahr mehr als verdoppelt. Für 2020 wird mit 11,7 % gerechnet. Ein kräftiger Sprung wird auch für das adjustierte Ergebnis je Aktie vorhergesehen, und zwar von 0,96 skr für 2018 auf 3,72 skr für 2019 und 5,34 skr für 2020.Allerdings ist bei der Network-Sparte Nordamerika der einzige Umsatztreiber mit einem Anstieg im ersten Quartal von 28 % gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. In den USA, wo die 5G-Freqenzauktionen schon lange abgeschlossen sind und der Netzaufbau längst begonnen hat, ist Ericsson auf diesem Gebiet Marktführer vor Nokia, während die in anderen Teilen der Welt führenden chinesischen Anbieter aus politischen Gründen schon bislang kaum zum Zug gekommen sind.Anleger sollten berücksichtigen, dass die US-Außenpolitik derzeit sehr sprunghaft ist. Trump hat bereits angemerkt, dass er den Boykott gegen Huawei vor allem als ein Faustpfand für die Verhandlungen mit Peking sieht. Es ist also durchaus denkbar, dass das Verbot in ein paar Wochen schon nicht mehr besteht. Diese Faktoren sind es letztlich, die verhindern, dass die Aktie von den Trump-Strafaktionen stark profitiert hat. Blick auf ProblemzonenSollte der Trump-Schub für Ericsson ausbleiben, könnte sich der Blick der Anleger auch wieder auf die Problemzonen im Ericsson-Geschäftsportfolio richten. Zu nennen ist in erster Hinsicht die kleinere Sparte Digital Services, bei der im Quartal aber immerhin eine Umsatzstabilisierung gelang. Im Bereich Managed Services gingen die Erlöse währungsbereinigt noch um 5 % zurück, wobei am Abbau der Verlustbringer aber gearbeitet wird.Mit Blick auf die bei Ericsson bestehenden Probleme ist zusätzliche Fantasie für die Ericsson-Aktie wohl nur dann denkbar, wenn die Huawei-Sanktionen beibehalten und vielleicht noch auch weitere Unternehmen wie ZTE ausgedehnt werden. Noch sind Analysten und Anleger in dieser Hinsicht aber aus guten Gründen zurückhaltend.